Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
41. Sitzung vom 7. Dezember 1972
lieh über Schäden, die auf unserer Seite eingetreten sind —
und dies ist nicht nur meine Auffassung, dies ist auch die
Auffassung der Bundesregierung und der drei Mächte —,
logischer- und sinnvollerweise nicht der Beauftragte zu ver
handeln hat. der im Zusammenhang mit der Reise- und
Besuchsregelung genau festgelegte Gespräche zu führen
hat.
(Abg. Lummer: Dann hat Ihr Presseamt
eine falsche Erklärung abgegeben!)
Ich habe ja deutlichgemacht, dies wird sich auch öfter ein
mal ereignen können, aber dafür muß ich dann gerade
stehen, was ich auch getan habe, indem ich das durch eine
darauf folgende Erklärung geradegerückt habe.
Es gibt zwei Punkte der Debatte, zwei Fragestellungen,
die, wie ich glaube, für mich wichtig sind. Das eine ist die
Frage, von der der Fraktionsvorsitzende der CDU meinte,
ich sei ihr ausgewichen, stattdessen auf den Dörfern herum
gelaufen und hätte dort alle möglichen Vereine begrüßt.
Das muß übrigens auch sein, Kollege Lummer, wir sind ja
manchmal zusammen, das liegt nicht nur an den Vereinen.
(Heiterkeit bei der SPD)
Was die Frage betrifft, ob die DDR Ausland oder Inland
ist, habe ich in einer Erklärung einmal bezweifelt, ob sie
sich in dieser Form auf die Dauer durchhalten läßt. Die be
rechtigte Frage war, ob es tatsächlich möglich sein würde,
eine Regelung zu finden, die der Forderung der Regierungs
erklärung unseres Bundeskanzlers genau entspricht, näm
lich, daß die DDR weder Ausland noch Inland sei. Ich habe
den Eindruck, die andere Frage ist heute akademisch ge
worden. Ich habe damals sehr bezweifelt, ob es dabei zu
einer Regelung kommen kann. Sie ist deshalb akademisch
geworden, weil es der Bundesregierung durch ihren Unter
händler, Staatssekretär Bahr, gelungen ist, einen Grundver
trag mit der DDR zustande zu bringen, der die Regierungs
erklärung voll berücksichtigt. Wir gehen davon aus, daß
dieser Vertrag in voller Übereinstimmung mit dem Grund
gesetz der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen wor
den ist, daß der Vertrag unterzeichnet werden kann und
daß er — wenn es dazu kommt — ohne Zweifel die Über
prüfung beim Bundesverfassungsgericht bestehen wird.
Dies wäre letztlich der eigentliche Test dafür, ob die These:
nicht Ausland, nicht Inland, erreicht worden ist, durch
gesetzt werden konnte. Aber wenn ich richtig zuhöre, hat,
bis auf die Berliner CDU, die auch da eine Sonderrolle
spielt, selbst die Erarbeitung der CDU/CSU-Fraktion über
den Grundvertrag diese These bis jetzt nicht in Zweifel ge
zogen, diese These, auf der, wenn Sie sich richtig entsinnen,
Kollege Lorenz, Ihre Partei, die Berliner CDU, die Ableh
nung des Grundvertrags aufbaut. Sie sehen ja auch ein
großes Zitat des Regierenden Bürgermeisters von Berlin in
der Einleitung, auf der im Grunde genommen alles auf
gebaut wird, daß man nämlich deshalb den Grundvertrag
ablehnen müsse, weil es der Bundesregierung nicht gelun
gen sei, ihre Forderung „DDR nicht Inland, nicht Ausland“
durchzusetzen. Ich gehe heute nach den Beratungen der
CDU/CSU — soweit uns die Ergebnisse vorliegen — davon
aus, daß dies nicht mehr angezweifelt wird; daß heißt: Die
Kräfte in ihren Reihen, die diesen Grundvertrag ablehnen
— und das wird ja wohl die Meinung der CDU/CSU ins
gesamt —, werden nicht mit ihren Argumenten vor das
Bundesverfassungsgericht ziehen, weil sie die Grundthese
der Bundesregierung nicht anzweifeln. Aber vielleicht hören
wir dazu noch weiteres.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier noch einen
Jetzten Gedanken bringen, zu der Frage, die der Kollege
?*fort aufgeworfen hat, die ich für bemerkenswert halte,
über die wir im Kreise der Kollegen schon an mehreren
Stellen gesprochen haben, ob nicht — darf ich es auch so
vorsichtig formulieren, wie Sie es formuliert haben, Kollege
Oxfort — eigentlich die Legislative und die Spitze der
Exekutive prüfen müßte, ob man hier auf ewig im Rathaus
Schöneberg sitzt oder ob man nicht in der Tat dem Reichs-
rif 6ine wichtige und doch immer noch den provisorischen
J-harakter nicht völlig zerstörende neue Bestimmung geben
kann. Das ist eine Frage, über die sicherlich, wie ich weiß,
schon an mehreren Stellen gesprochen worden ist. Ich
wollte diesen Teil meines Beitrages hier damit beenden, daß
ich meine, wir sollten sie nicht als eine Art Eintagsfliege
behandeln, als eine Idee, die hier einmal ein Abgeordneter
geäußert hat, sondern als eine Idee, über die man sehr sorg
fältig nicht nur nachdenken sollte, sondern nach der man
auch handeln sollte. Ich meine, es ist eine Idee, die es wert
ist, weiterverfolgt zu werden, und ich würde dazu einladen,
daß der Präsident und die Fraktionsvorsitzenden prüfen, ob
wir hier nicht sehr bald schon zu einer ersten abschließen
den Meinungsbildung kommen können. Das würde ein Bei
trag sein, den wir alle zusammen zu einer vernünftigen
Zweckbestimmung des Reichstages leisten, der dem Lande
Berlin und uns als Mitgliedern des Hauses und des Senats
zur Ehre gereichen würde.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Oxfort.
Oxfort (F.D.P.); Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Der Herr Kollege Stobbe und der Regierende Bürger
meister haben es für richtig gehalten, einen sicherlich be
merkenswerten innerparteilichen Vorgang der F.D.P. zum
Gegenstand dieser Debatte zu machen, zu dem ich mich an
schließend gleich äußern werde. Es sollte dies offenbar der
Versuch sein, auf meinen Vorwurf zu erwidern, diese Diver
genz in den Richtlinien der Regierungspolitik einerseits und
der Erwiderung des Regierenden Bürgermeisters auf eine
Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wahl andererseits sei
nicht ausgeräumt worden. Lassen Sie mich zunächst dazu
eine Bemerkung machen. Wenn ein Abgeordneter oder ein
hoher Funktionär einer politischen Partei innerparteilich
eine politische Erklärung abgibt, dann werden wir keinen
Anlaß sehen — wenn nicht ganz besondere Umstände vor
liegen —, sie zum Gegenstand einer Erörterung im Ab
geordnetenhaus zu machen,
(Zurufe von der SPD)
weil jede politische Partei einen Anspruch auf innerpartei
liche Willensbildung hat. Der Unterschied besteht allerdings
darin, daß ein amtierender Minister — in diesem Falle die
Senatorin für Jugend und Sport — ein politisches Bekennt
nis von sich gegeben hat, von dem wir meinten wissen zu
müssen, ob das die Politik des Senats ist. Und wenn dann
der Regierende Bürgermeister auf die entsprechende Frage
in der damaligen Debatte hier erklärt, dies sei mit den
Richtlinien der Regierungspolitik vereinbar, dann werden
Sie es doch keiner Fraktion in diesem Hause verübeln kön
nen, wenn sie auf diese Wunde ihren Finger legt und hier
auf Aufklärung drängt. Und ich stelle fest: Diese Aufklä
rung ist unterlassen worden; stattdessen versuchen Sie,
hier Gegenstände hineinzuziehen, die zwar sicherlich von
Interesse für die Öffentlichkeit sind, die aber mit dem
eigentlichen Problem nicht das geringste zu tun haben.
(Beifall bei der F.D.P.)
So, und nun lassen Sie mich etwas zu dem sagen, was der
Herr Kollege Stobbe und was der Regierende Bürgermeister
hier angeschnitten haben. Zunächst folgendes: Ich stimme
mit dem Regierenden Bürgermeister in einem Punkte über
ein, nämlich darin, daß es zu den Grundrechten einer poli
tischen Partei gehört, politische Kandidaten aufzustellen,
und ich bekenne hier in aller Öffentlichkeit freimütig, daß
der Konflikt, der innerhalb des Landesverbandes Berlin der
Freien Demokratischen Partei ausgetragen worden ist, ein
unerträglicher politischer Konflikt war, der sich selbstver
ständlich nicht hätte ereignen dürfen. Und ich wünsche kei
ner Partei, daß sie jemals in die Lage kommt, einen solchen
Konflikt austragen zu müssen. Aber was die rechtliche Seite
der Angelegenheit anbetrifft, so darf ich wohl darauf hin-
weisen, daß nach den Vorschriften des Bundeswahlgesetzes
die Fraktionen des Abgeordnetenhauses Vorschläge machen
und das Abgeordnetenhaus auf ihrer Basis wählt. Daß
selbstverständlich jede politische Partei ein Interesse daran
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