Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
40. Sitzung vom 6. Dezember 1972
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läge des Bundes gebührend berücksichtigt. Dieses beides
sind die Komponenten, von denen ich meine, daß sie in
Übereinstimmung gebracht werden können.
Nun zu einem anderen Teil der Debatte: Herr Abgeord
neter Hoppe, ich bin mit Ihnen in zwei Ihrer sehr grund
sätzlichen Bemerkungen völlig einig:
Erstens ist die permanente Aufgabe öffentlicher Finanz
politik in dieser Zeit einzig und allein eigentlich diese — ich
formuliere, wie Sie es formuliert haben —, Reform und
Stabilität miteinander zu synchronisieren. Kein Zweifel.
Und ich greife auch positiv Ihre zweite Bemerkung auf —
wenn Sie so wollen, für mich hier ganz allein und nicht
den ganzen Senat verpflichtend —, daß in dieser Zielset
zung, Reform und Stabilität miteinander zu synchronisie
ren, der Abbau von Subventionen nicht außerhalb der
Debatte bleiben kann. Da sind wir völlig einig; ich darf
das hier einmal feststellen.
Und nun komme ich zu dem Antrag, der hier gestellt
worden ist: 100 Millionen Minderausgabe. Nach der
Ouvertüre glaubte ich, daß die Ausgleichsposition an einer
anderen Stelle gesucht als sie dann gefunden wurde. Aber
lassen Sie mich hierzu einmal etwas fragen; 100 Millionen
Minderausgabe mit der Begründung, daß sie so realisiert
werden kann, daß einerseits neue Planstellen gesperrt und
andererseits Verfügungsbeschränkungen über Sachausga
ben verhängt werden, und daß diese Minderausgabe dann
dazu dienen soll, die Kreditmarktmittel, die Ermächtigung
zur Aufnahme von Kreditmarktmitteln, um 100 Millionen zu
kürzen ? Zunächst muß ich hier die Einrede erheben, die ich
schon oft erhoben habe. Das ist mir zu pauschal, zu sagen;
Neue Planstellen sperren? Die 523 im Bereich des Schul
wesens? Da fordert die CDU gerade zusätzliche Mittel für
Lehrer!
(Zuruf von der SPD: So sieht es aus! — Abg. Mendel:
Mit Recht!)
Ich habe unterdrückt, was ich sagen wollte —;
(Abg. Dolata: Schade!)
Gesundheitswesen, 396 Stellen nicht in die Tat umsetzen?
Sie wissen alle, daß dieses für einen der schwierigsten
Bereiche des Gesundheitswesens, für die Intensivstationen
gedacht ist -— zam überwiegenden Teil jedenfalls —. 357
Stellen Familie, Jugend und Sport nicht besetzen, die Sie
doch nach Zusammenstreichen bewilligt haben? Die
Stellenanforderungen im Bereich unserer Sicherheit —
Polizei und Feuerwehr — mit 236 nicht zur Durchführung
kommen zu lassen? Ich könnte diesen Vorgang hier fort
setzen bis ich 2 320 Stellen zusammen habe. Es lohnt sich
doch nicht — Entschuldigung, daß ich das so sage —, über
die paar Stellen im Verwaltungsbereich zu diskutieren,
wenn 100 Millionen zur Debatte stehen. Es lohnt sich natür
lich, darüber zu debattieren, aber nicht im Zusammenhang
mit einem solchen Kürzungsantrag von 100 Millionen, wenn
die 2 320 Stellen, von denen ich die vier wichtigsten Posi
tionen eben genannt habe, ganze 40 Millionen Personal
mitteleinsparungen im Jahr erbringen würden. Dann blei
ben immer noch 60 Millionen, selbst wenn keine Stellen
vermehrung praktiziert wird, bleiben noch 60 Millionen
Sperre im Sachhaushalt übrig.
Nun haben Sie hier ein wichtiges Argument gesagt. Die
Minderausgabe hat der Senat bisher als ein probates Mittel
seiner Haushaltswirtschaft angesehen. Und warum soll das
nicht auch gehen, wenn die Opposition es mal als probates
Mittel ansieht? Das will ich Ihnen ganz genau sagen,
warum das nicht geht.
Das geht deswegen nicht, weil die Haushaltsansätze —
wie ich Ihnen erläutert habe — nach dem Revisionsergebnis,
bas heißt auch nach Anerkennung der pingeligen Fianz-
verwalfung, noch einmal um 250 Mio DM zusammen
gestrichen wurden und damit im Grunde für die Wirtschaf
ter jede Reserve aus ihren Haushaltsansätzen herausge
strichen wurde, und wenn Sie das Ohr an der Verwaltung
haben — und Sie haben es ja sicher, nicht wahr ? —, dann
werden Sie bemerken, wie hier im Grunde viele Verwal
tungsteile jetzt schon rotieren, um festzustellen, ob sie mit
den so zusammengestrichenen Mitteln 1973 überhaupt ihre
Verwaltungsziele werden erreichen können.
Dieses ist also diesmal kein Mittel mehr, und gerade, um
dieses ärgerliche Instrument pauschaler Verfügungsbe
schränkungen aus der Finanzpolitik herauszuhalten, haben
wir uns ja dazu entschlossen, lieber schärfer in die Revision
zu gehen als nachher pauschal zu sagen: „Aber 3 % dürft
ihr alle nicht ausgeben!“ Ich glaube also, daß dieses von
daher nicht möglich ist.
Ich muß mich auch mit einer Bemerkung des Herrn
Kollegen Stobbe auseinandersetzen, der da sagt, die Auf
gabe ist gestellt, 400 Mio DM zusätzliche Bundeshilfe her
einzuholen. Ich betrachte es nicht so pessimistisch, Herr
Kollege Stobbe. Ich sehe die Größe der Aufgabe, von der
Sache her, wie Sie. Von der Zahl her sehe ich sie etwas
kleiner.
Als wir für das Jahr 1972 eine Bundeshilfe von zunächst
3 998 000 000 DM vereinbarten, wies die Finanzplanung des
Bundes eine Bundeshilfe von 3,4 Mrd DM für Berlin aus.
Es ist ganz klar, daß bei der Systematik, wie sie im Augen
blick gegeben ist, die Finanzplanung des Bundes hinter den
Verhandlungen über Bundeshilfe immer um einiges zu
rückhängt, wie ja auch an unserer Finanzplanung abgelesen
werden kann, daß bei sehr variablen Positionen die Aus
sage der Finanzplanung noch nicht ein Indiz für die Be
messung von Ausgaben in der Zukunft sein wird. Ich weiß,
daß die Aufgabe schwer ist, die vor uns steht. Ich gehe
hoffentlich mit vernünftigem Realismus an diese Frage
heran, aber ich würde die F.D.P.-Fraktion im besonderen
und die Opposition im allgemeinen bitten, doch an diesem
Punkt das beizubehalten, was eigentlich dieses Haus hier
fast zwanzig Jahre praktiziert hat, nämlich in den Fragen
der finanziellen Unterstützung dieser Stadt und ihrer Poli
tik, wie immer man in Einzelfragen zu dieser Politik steht,
sich zu einem einheitlichen Ganzen in Richtung auf maß
volle, begründete Forderungen an die Bundesrepublik
Deutschland und an die Bundesregierung im besonderen
zu wenden, und ich würde Sie um Geduld bitten, ehe Kon
sequenzen in der Haushaltspolitik und in der Haushalts
wirtschaft in dieser Stadt gezogen werden müssen. Meine
sehr unverbindliche Vereinbarung mit dem Bundesfinanz
ministerium — Sie werden verstehen, daß ich im Augen
blick unverbindlich sein muß — ist die, daß das Land Berlin
davon ausgehen kann, daß etwa Ende Januar die Verhand
lungen zu Ende geführt sein werden, die zwischen den
beiden Häusern bereits laufen, und daß Ende Januar Klar
heit über die Höhe der Bundeshilfe bestehen wird. Sollten
sich dann Ihre pessimistischen Einschätzungen bewahr
heiten, werden wir vor schwerwiegenden finanzpolitischen
Fragen stehen. Ich gehe davon aus, daß der Senat Ihnen
mit dem Ersten Nachtragshaushalt 1973, mit dem er Kon
sequenzen aus der Bemessung der Bundeshilfe ziehen wird,
keine politischen Sensationen bringen wird, sondern eine
Bestätigung einer Fortsetzung kontinuierlicher Kommunal-
und Landespolitik in dieser Stadt. — Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Stellv. Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete
Mendel.
Mendel (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Einige ganz kurze Erklärungen zu den Ausführungen
von Herrn Kollegen Stobbe, die er hier ja in jedem Jahr
in etwa derselben Form hält. Herr Kollege Stobbe, Sie
müssen sich mal überlegen, was der Unterschied zwischen
einer Opposition und einer Gegenregierung ist. Und wir
sind keine Gegenregierung, sondern wir sind eine Opposi
tion, und wir werden Kritik an diesem Haushaltsplan üben,
sofern wir das für erforderlich halten.
Wenn ich hier in der I. Lesung gesagt habe, daß dieser
Etat eine unerfreuliche Angelegenheit ist, und Sie das
kritisieren, so scheinen Sie einen Haushaltsplan mit