Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
40. Sitzung vom G. Dezember 1972
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Ruhe hier im Plenum reden. Wenn wir mehr der Linie
folgen, die der Herr Kollege Hoppe in die Beratung bringt,
(Abg. Hannemann: Der Bonner!)
dann wird das hier eine andere Haushaltsberatung.
Herr Kollege Hoppe, wenn man Sie zum Beispiel über
Antiinflationspolitik reden hört, dann provozieren Sie in
der Wirkung zunächst einmal nichts anderes als eine Infla
tion der Gefühle.
(Abg. Voelker: Sehr wohl!)
Nun finde ich, daß man sich nicht unbedingt provozieren
lassen muß, aber ich habe ja schon oft kritisiert, daß es
in Ihren Ausführungen immer wieder ein paar Formulie
rungen gibt, die aus unserer Sicht kaum zu ertragen sind.
Das gilt, wenn man mit Blick auf den Finanzsenator sagt;
ein charmanter Träumer oder andere Sachen mehr. Ob das
der richtige Stil ist, wage ich doch sehr zu bezweifeln.
(Abg. Baetge: Hat weh getan! — Abg. Voelker: Weh tut
es nicht, es ist nur eine Frage des Stils!)
Meine Damen und Herren, wir werden zu einer richtigen
politischen Debatte kommen, wenn wir uns an die I. Lesung
des Etats zurückerinnern. Damals hatte der Herr Kollege
Mendel für die CDU-Fraktion gesagt — ich zitiere mit
Genehmigung des Herrn Präsidenten;
Schon die erste Durchsicht der Vorlage zeigt, daß es
sich bei dem Haushaltsplan 1973 um ein recht unerfreu
liches Unternehmen handelt.
(Abg. Mendel: Schon wegen der Höhe der Bundeshilfe!)
— Genau, darauf will ich ja gleich kommen, ich bin dank
bar für den Zwischenruf. Er hat dann Ausführungen an
geschlossen, die wir damals auf das Konto Wahlkampf
gebucht hatten. Und der Herr Kollege Hoppe hat für die
F.D.P.-Fraktion gesagt — ich zitiere:
Was hier an Erwartung in der Vorlage ausgebreitet
wird, kann nicht mehr als unerschütterlicher Glaube
an die Wirtschafts- und Finanzkraft des Bundes und
die politische Bereitschaft der Bundesregierung zur
verstärkten politischen Unterstützung Berlins gewer
tet werden, sondern sieht doch sehr nach rosarotem
Zweckoptimismus aus.
Und an einer anderen Stelle sagt er — ich zitiere aus dem
Protokoll:
Da Realpolitik in dieser Stadt sonst groß geschrieben
wird, drängt sich doch die Frage auf, warum man in
dieser Erkenntnis der finanzpolitischen Realitäten einen
so wenig realistischen Haushaltsplan vorlegt.
Entsprechend dieser insgesamt negativen Einstellung zum
Haushaltsplanentwurf hatten beide Sprecher der Opposi
tionsfraktionen damals in der I. Lesung die Ausgabenseite,
die Ausgabenstruktur des Haushaltsplanentwurfs für 1973
kritisiert, weil ihnen die Einnahmeseite nicht genug ge
sichert erschien. Sie können sich denken, daß die Mehr
heitsfraktion nach dieser Kritik in der I. Lesung mit gro
ßer Spannung in die Beratungsserie des Hauptausschusses
hineingegangen ist. Denn wir mußten ja nun erwarten,
daß den kritischen Worten der Opposition im Plenum
während der Hauptausschußberatung Taten folgen würden
wegen der Beachtung des logischen Prinzips, das ja auch
für die Oppositionsfraktion eigentlich gelten müßte. Logisch
wäre es gewesen, wenn die Oppositionsfraktion nach die
ser Form der Kritik bei der Ausgabenseite des Etats 1973
Streichungsanträge für Ausgaben in Höhe von vielen zig
Millionen DM bis zu einer Höhe von vielleicht 400 Millionen
DM _ wenn man nur die Bundeshilfe als schwierige Posi
tion ansieht und die Kreditmarktmittel schon mal rausge
lassen hätte — gestellt hätte, um das von den Oppositions
parteien behauptete Einnahmerisiko zu verringern.
Aber wenn wir nun heute die rund 20 Hauptausschuß
sitzungen Revue passieren lassen, so kann doch niemand
— auch nicht die Opposition — umhin, festzustellen, daß
der Versuch einer solchen Großoperation zur Gesundung
des in ihrem Sinne kranken Patienten von den Oppositions
fraktionen nicht unternommen wurde. Wir haben das —
wie in der I. Lesung schon gesagt — erwartet.
(Abg. Mendel: Dann haben Sie nicht richtig zugehört!)
— Doch, ich habe sehr genau zugehört, Herr Kollege Men
del. —- Die Begründung dafür, daß dieser Versuch einer
solchen finanziellen Großoperation von den Oppositions
fraktionen nicht gemacht wurde, ist auch sehr einfach.
Es hat sich nämlich gezeigt, daß der Senat in seinem Ent
wurf für den Haushaltsplan 1973 die politisch tragenden
und finanziell durchschlagenden Ausgabenpositionen mit
dem kritischen Maßstab der Unabweisbarkeit bereits ge
messen hatte. Und die Oppositionsfraktionen haben sich
bis auf Einzelpositionen, die ich anerkenne und auf die
ich noch zurückkomme, diesem Maßstab insgesamt nicht
entziehen können.
Damit entfiel aber auch die Möglichkeit, durch ein In
fragestellen von Aufgaben eine Reduzierung der Ausgaben
in wirklich finanziell durchschlagendem Sinne vorzu
nehmen, um damit zu einer — wie es in der I. Lesung
gesagt wurde — Verminderung der Einnahmeseite und
ihrer Risiken zu kommen.
Was heißt denn das politisch ? — Das heißt politisch zu
nächst einmal, daß das Land Berlin die vorgesehene
Finanzmasse von rund 10 Milliarden DM braucht, um die
Aufgaben, die 1973 vor ihm stehen, zu bewältigen. Dies ist
ein — wenn nicht das wichtigste — Ergebnis der Haupt
ausschußberatung. Was heißt das politisch weiterhin? Das
heißt politisch weiterhin, daß die Hauptausschußberatungen
bewiesen haben, daß die Oppositionsfraktionen an der tra
genden Konzeption von Senat und Mehrheitsfraktion hin
sichtlich der Weiterentwicklung unserer Haushaltspolitik
und damit unserer Stadt durch die Vorlage von eigenen
haushaltspolitischen Großalternativen nicht zu rütteln ver
mochten. Es ist ernsthaft in den Hauptaussschußberatungen
noch nicht einmal der Versuch gemacht worden.
(Abg. Mendel: Welche sind denn das ?)
— Ich verstehe die Frage nicht, Herr Kollege Mendel.
(Abg. Mendel: Welche Initiativen des Senats meinen
Sie denn ?)
— Ich will Ihnen das gleich noch einmal sagen, Herr Kol
lege Mendel: Wenn Sie als Opposition einen Haushalt
kritisieren und sagen — ich zitiere jetzt mal Herrn Kollegen
Hoppe, weil er es schärfer gemacht hat, aber deswegen
nicht richtiger—:
(Abg. Hoppe: Besser!)
— Nein, auch nicht. — Wenn Sie sagen, der Senat treibt
eine falsche Haushaltspolitik, weil er uns auf der Ein
nahmeseite bestimmte Risiken zumutet, wie Sie zumindest
behaupten — ich gehe nachher noch im einzelnen darauf
ein —, und Sie sind dann nicht in der Lage, in der Konse
quenz eines solchen Beschlusses, um dieses Risiko abzu
bauen, als Opposition Vorschläge zu machen, was man
streicht, dann erkennen Sie — Herr Kollege Oxfort, da
nützt es auch nichts wenn Sie die Hand hochheben — nichts
anderes an als die Tatsache der Unabweisbarkeit der Aus
gaben, die der Senat in den Haushaltsplan eingestellt hat.
Und wenn Sie das anerkennen und anerkennen mußten
durch die Hauptausschußberatungen, dann können Sie jetzt
in der II. Lesung diese Kritik aus der I. Lesung nicht wieder