37. Sitzung vom 9. November 1972
Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
1297
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Präsident Sickert: Eine Zusatzfrage — Herr Abgeord
neter Gribach!
Gribach (SPD): Herr Senator! Haben Sie nach diesen
Fragen nicht den Eindruck, daß die Kollegen von CDU und
F.D.P. noch nicht verstanden haben, worum es bei dem
Abkommen vom 27.10. eigentlich ging?
(Heiterkeit bei der SPD)
Präsident Sickert: Herr Senator Striek!
Striek, Senator für Finanzen: Herr Abgeordneter! Ich
bitte es mir nachzusehen: Ich möchte bei meiner These
bleiben, daß ich meine eigenen Gedanken über Motive par
lamentarischer Initiativen nicht offenbare.
(Heiterkeit)
Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Ich stelle
gleich die Frage, ob nun nicht ausreichend beantwortet
worden ist und wir uns der nächsten Frage zuwenden soll-
| ten. — Danke.
Dann erteüe ich das Wort dem Abgeordneten Fröhner zu
einer Mündlichen Anfrage über BVG-Monatskarten für
Schwerbeschädigte.
Fröhner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Ich frage den Senat;
Sieht der Senat eine Möglichkeit, bei der BVG für
| Schwerbeschädigte, die ein Anrecht auf Ermäßigungs-Ein-
! zelfahrscheine oder Ermäßigungs-Sammelkarten haben,
auch dementsprechende Monatskarten einzuführen ?
Präsident Sickert: Herr Senator Striek — zur Beantwor
tung!
Striek, Senator für Finanzen: Der Senat sieht aufgrund
der derzeitigen Rechtslage — darf ich dieses zunächst aus
führen — diese Möglichkeit so lange nicht, wie der Verwal
tungsrat der BVG sich zu einer solchen Maßnahme nicht
entschließt. Der Verwaltungsrat der BVG hat sich mit die
ser Frage beschäftigt und ist zu der Auffassung gelangt,
daß auch unter Berücksichtigung sozialpolitischer Gesichts
punkte, die selbstverständlich mit in den Beratungen des
Verwaltungsrates berücksichtigt werden, eine doppelte Prä-
ferenzierung nicht möglich ist. Der Einzelfahrschein für
Schwerbeschädigte ist bereits in ganz erheblichem Maße
fast um 100 % verbilligt; andererseits sind die Monatskar
ten in ganz erheblichem Maße präferenziert gegenüber den
i Einzelfahrscheinen. Eine gegenüber den normalen Monats
karten verbilligte Monatskarte für Schwerbeschädigte
würde deshalb nur einen Sinn haben, wenn sie eine doppelte
Präferenzierung — nämlich einmal die Präferenzierung des
Einzelfahrscheins für Schwerbeschädigte und zweitens die
Präferenzierung normaler Monatskarten — berücksichtigen
würde. Dieses allerdings würde eine so weitgehende Ein-
hahmeverzichtserklärung sein, daß der Verwaltungsrat
bisher zu einer solchen Maßnahme sich nicht entschließen
konnte, sondern glaubt, daß der so stark reduzierte Einzel
tahrschein für Schwerbeschädigte eine ausreichende sozial
politische Basis hat.
Präsident Sickert: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? —
Uas ist nicht der Fall.
Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Tromp zu
iner Mündlichen Anfrage über bauliche Nutzung einer
Grünfläche.
Tromp (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Ich frage den Senat:
1. Ist dem Senat bekannt, daß der von der Nazarethkir
chengemeinde geplante Bau einer Kindertagesstätte auf
einem Teil der Grünanlagen des Leopoldplatzes an der
Schul-/Ecke Maxstraße ausdrücklich mit dem Hinweis ab
gelehnt wurde, man könne im Bezirk Wedding auf keine
der ohnehin knappen Grünfläche verzichten?
2. Wenn ja: Warum ist jetzt dem Neubau eines Besucher
büros eben auf dieser Grünfläche zugestimmt worden?
Präsident Sickert: Herr Senator Schwedler!
Schwedler, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Aus unseren persön
lichen Gesprächen vor längerer Zeit und auch vor einiger
Zeit, Herr Tromp, weiß ich, daß Sie mit der Antwort, die
ich zur Frage 1 geben werde, vertraut sind. Der Stadt
synodalverband hatte im Juli 1964 ein Schreiben an den
Bezirksbürgermeister vom Wedding gerichtet und be
antragt, ca. 1200 qm Grundstücksfläche um die alte Naza
rethkirche — das ist die, die an der Müllerstraße liegt —
gegen ein etwa gleich großes Grundstück an der Ecke
Schulstraße/Maxstraße — das ist also von der Müllerstraße
aus gesehen hinter der neuen Nazarethkirche — zu tau
schen. Dieses Grundstück gehörte und gehört jetzt auch
noch Berlin. Der Stadtsynodalverband wollte auf dem
Tauschgrundstück eine Kindertagesstätte als Ersatz für die
nicht mehr aufrechtzuerhaltende Kindertagesstätte in der
Antonstraße errichten. Etwa einen Monat nach diesem
Schreiben fand beim Bezirksbürgermeister in Anwesenheit
des Stadtrats für Bauwesen mit dem Stadtsynodalverband
ein Gespräch über dieses Problem statt. Der Bezirk betonte,
daß er einem Tausch nicht zustimmen werde, weil es sich
um eine stark frequentierte Grünfläche innerhalb dichter
Wohnbebauung handle; der Kirche sind aber andere Grund
stücke für die Errichtung des Ersatzbaues vorgeschlagen
worden; Sie wissen wie ich, daß es zu einem Abschluß in
dieser Richtung nicht gekommen ist; statt dessen hat im
Juni 1971 die Nazarethkirchengemeinde die bauaufsicht-
liche Genehmigung für die Einrichtung einer Kindertages
stätte in der alten Nazarethkirche beantragt. Sie wissen,
daß Genehmigung oder Nichtgenehmigung umstritten war
und daß dann schließlich diesem Antrag im Einvernehmen
mit dem Landeskonservator im Grundsatz zugestimmt wor
den ist.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ja, es trifft zu, daß auf einem
Teil der Grünfläche Schulstraße Ecke Maxstraße jetzt ein
Besucherbüro — in vorgefertigter Bauweise — durch meine
Abteilung Hochbau errichtet wird. Die bauausichtliche Zu
stimmung gemäß § 99 der Bauordnung von Berlin, der sich
über das Zustimmungsverfahren bei Bauten des Bundes und
der Länder äußert, diese bauaufsichtliche Zustimmung mei
ner Abteilung Bauaufsicht liegt vor. Für die Einrichtung
des Besucherbüros wurden vom Bezirksamt Wedding meh
rere Standorte vorgeschlagen, unter anderem dieser Stand
ort Schulstraße Ecke Maxstraße. Die andere Seite hat sich
für diesen Vorschlag entschieden. Das Besucherbüro am
Wedding ist zuständig für die nördlichen Bezirke Berlins,
es muß verkehrsgünstig und zentral liegen, es mußte aus
dem Rathaus herausgenommen werden, und das Bezirksamt
Wedding legt besonderen Wert darauf, daß es im Bezirk
Wedding verbleibt, und wegen des öffentlichen Interesses
erfolgt der Bau an dieser Stelle.
Präsident Sickert: Eine Zusatzfrage? — Herr Abgeord
neter Tromp!
Tromp (CDU): Herr Senator! Meinen Sie nicht, daß man
hier wieder einmal den Weg des geringsten Widerstandes
gegangen ist, wenn es darum ging, für die öffentliche
Hand Flächen zu besorgen, um wichtige Bauvorhaben
durchzuführen? Wäre es Ihres Erachtens nicht sinnvoller
gewesen, auf den Vorschlagskatalog, der der anderen Seite
angeboten wurde, keine Grünflächen zu setzen ?