Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
86. Sitzung vom 26. Oktober 19*2
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immer gut, daß ausgerechnet die Interessenvertreter die
sachlichen Positionen in den einzelnen Ausschüssen zu ver
treten haben.
(Abg. Pawlak: Meinen Sie, das wird besser? —
Zuruf: Das wird doch nicht anders.)
— Meine Damen und Herren, es geht ja nicht darum, an
dieser Stelle den Sachverstand herauszuwerfen. Das ist
doch gar nicht der Sinn der Sache, sondern es geht darum,
den Sachverstand, wenn er ins Parlament einrückt, bis zu
einem gewissen Grade wenigstens von dem Interesse zu
trennen. Das ist das Entscheidende, worum es an dieser
Stelle geht.
(Zurufe)
Und Herr Dr. Haus, um es zusammenzufassen: Sie haben
erstens zugegeben: diesen Mißstand gibt es. Sie haben zwei
tens — wie mir scheint — keine ausreichenden Argumente
vorgetragen und Sie haben drittens — das ist wirklich be
dauerlich — nach drei Jahren keine Alternative geboten,
und damit kann keiner zufrieden sein.
(Beifall bei der CDU —
Abg. Jannicke: Sie haben nicht zugehört!)
Stellv. Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Abgeord
neter Dr. Riebschläger.
deswegen zu Recht und sich selbst widersprechend — ich
bin dankbar, daß ich mir das Argument da nicht einfallen
zu lassen brauchte — ausgeführt, daß es ja doch keine
reale Möglichkeit gebe, nachzuweisen, ob ein Parlament gut
oder schlecht seine Kontrollfunktion ausübe. Es gibt eben
auch da diesen Maßstab nicht. Letztlich muß darüber ent
scheiden, ob die Parlamentsarbeit als solche — nicht die
spezielle Aktivität in Inkompatibilitätsfragen —
(Abg. Lummer: Wir müssen die Voraussetzungen
schaffen, damit die Leute nicht in Versuchung
kommen!)
— Wissen Sie, das ist mir zu sehr vom Standpunkt eines
über allen Dingen Stehenden gesagt, Herr Lummer. Sie
mögen diese Rolle in Ihrer Fraktion genießen, bei uns geht
es so demokratisch zu, daß die Rolle keiner spielen darf. —
(Beifall bei der SPD)
Fest steht also, diesen allgemeingültigen Maßstab, den Sie
zur Grundlage nehmen — Herr Oxfort, es hat mir mal je
mand den Vorwurf aus Ihrer Fraktion gemacht, ich ließe
mich zu oft von Ihnen unterbrechen, und darunter leide der
Fluß meiner Rede. Ich möchte mich dem Vorwurf nicht
erneut aussetzen.
(Abg. Lummer: Der fließt aber auch so nicht!)
Dr. Riebschläger (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren!
(Zurufe)
— Werden Sie nicht zu persönlich, Herr Oxfort, sonst könn
ten wir hier ein paar andere Sachen ausgraben.
(Heiterkeit)
Irgendwie, meine Damen und Herren von der CDU und
F.D.P., hat uns Ihre Einlassung erstaunt. Anstatt uns
dankbar zu sein dafür, daß wir Sie an einem Jahrhundert-
fehler hindern, begeben Sie sich in die Debatte und tun so,
als würden wir hier am Untergang dieser Stadt fleißig mit
stricken, allerdings meinen Sie wohl nur die öffentlich Be
diensteten bei der SPD. Bei der CDU, wo sie ja prozentual
auch gart vertreten sind, haben sich ja einige in ihren Bei
fallsbekundungen für den Fraktionssprecher sehr zurück
gehalten, das muß auch Gründe haben, denen wollen wir
gar nicht nachgehen, weil wir das nämlich nicht als be
grenzte Debatte „öffentlicher Dienst im Parlament“ führen
können und wollen.
Wir haben im Ausschuß — und das ist leider ln der Be
richterstattungskommentierung, die Sie von der CDU und
F.D.P. gegeben haben, nicht mehr zum Ausdruck gekom
men — ja doch ein bißchen sorgfältiger und tiefer diskutiert,
als das hier einige Vertreter Ihrer Fraktion wahrhaben
wollten. Entweder, weil sie nicht dabei waren und so tat
sächlich keine Veranlassung hatten, in den letzten drei
Jahren etwas hinzuzulernen, oder aber weil sie dabei waren
und von vornherein das, was Sie uns zum Vorwurf machen,
für sich selbst in Anspruch nahmen, nämlich sich von ihrem
Standpunkt nicht durch irgendwelche Diskussionen beein
flussen zu lassen. Die Wahrheit liegt doch genau darin, daß
es nirgendwo in den westlichen Demokratien mit ihren
parlamentarischen Vertretungen so etwas wie eine all
gemein überzeugende Lösung gibt. Es gibt also genau das
nicht, was besonders unser Orlando furioso, Herr Luster,
heute hier vorzuführen suchte, nämlich einen Maßstab, der,
wenn man sich ihm annähert, eine anständige Parlaments
gesinnung ausweist, und wenn man sich ihm zu fern hält,
eine — mindestens — abstinente, wenn nicht gar bösartige
Gesinnung verrät. Genau den gibt es nicht. Dieser all
gemeingültige Maßstab darüber, wie ein Parlament zusam
mengesetzt sein soll, wie es am besten seine Kontrollfunk-
tionen wahrnehmen kann, existiert nicht. Herr Lummer hat
Es gibt also — wie gesagt — den allgemein gültigen
Maßstab, den Sie hier zugrundelegen, nicht, und von daher
möchte ich die Diskussion auf das zurückführen, worum es
hier gehen kann, nämlich schlicht und einfach: um eine
Parteiwertung aus einer Interessenlage heraus, bei der Sie
glauben, sich erlauben zu können, die SPD-Fraktion als
falsch zusammengesetzt zu beurteilen und für sich selbst
bessere Maßstäbe in Anspruch nehmen. Wir wollen da nicht
in Einzelheiten gehen, weil die Debatte in die Irre führt,
(Zurufe)
weil wir nämlich hier Entschuldigung, Herr Oxfort,
wenn wir hier nüchtern auflisten, was z. B. die Fraktion der
Rechtsanwälte an Beziehungen zum öffentlichen Dienst auf
weist, dann wird es auch interessant;
(Abg. Oxfort: Von wem reden Sie denn?)
wenn wir hier auflisten, wie sich das bei Geschäftsführern
von wichtigen — und wie wir meinen — zu Recht im Parla
ment vertretenen Institutionen ausweist, dann wird es
genau so interessant wie bei Gewerkschaftsvertretern und
wie bei öffentlichen Dienstangehörigen. Diese Debatte führt
uns nicht weiter. Wir wollen uns wieder hart an den An
trägen der CDU und der F.D.P. orientieren.
Stellv. Präsident Lorenz: Gestatten Sie eine Zwischen
frage, Herr Abgeordneter ?
Dr. Riebschläger (SPD): Ja, wenn Herr Oxfort sich nicht
zurückhalten kann.
Stellv. Präsident Lorenz: Zu einer Zwischenfrage Herr
Abgeordneter Oxfort!
Oxfort (F.D.P.): Wenn Sie, Herr Kollege Dr. Riebschlä
ger, von den besonderen Beziehungen der Rechtsanwälte
zum öffentlichen Dienst sprechen, meinen Sie damit den
Abgeordneten Ihrer Fraktion, der sich der besonderen Aul"
tragsvergabe durch die Senatskanzlei erfreut ?
(Beifall bei der FDP. und der CDU)