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Volume Nr. 36, 26.10.72

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1972, 6. Wahlperiode, Band II, 22.-42. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
86. Sitzung vom 26. Oktober 19*2 
1280 
immer gut, daß ausgerechnet die Interessenvertreter die 
sachlichen Positionen in den einzelnen Ausschüssen zu ver 
treten haben. 
(Abg. Pawlak: Meinen Sie, das wird besser? — 
Zuruf: Das wird doch nicht anders.) 
— Meine Damen und Herren, es geht ja nicht darum, an 
dieser Stelle den Sachverstand herauszuwerfen. Das ist 
doch gar nicht der Sinn der Sache, sondern es geht darum, 
den Sachverstand, wenn er ins Parlament einrückt, bis zu 
einem gewissen Grade wenigstens von dem Interesse zu 
trennen. Das ist das Entscheidende, worum es an dieser 
Stelle geht. 
(Zurufe) 
Und Herr Dr. Haus, um es zusammenzufassen: Sie haben 
erstens zugegeben: diesen Mißstand gibt es. Sie haben zwei 
tens — wie mir scheint — keine ausreichenden Argumente 
vorgetragen und Sie haben drittens — das ist wirklich be 
dauerlich — nach drei Jahren keine Alternative geboten, 
und damit kann keiner zufrieden sein. 
(Beifall bei der CDU — 
Abg. Jannicke: Sie haben nicht zugehört!) 
Stellv. Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Abgeord 
neter Dr. Riebschläger. 
deswegen zu Recht und sich selbst widersprechend — ich 
bin dankbar, daß ich mir das Argument da nicht einfallen 
zu lassen brauchte — ausgeführt, daß es ja doch keine 
reale Möglichkeit gebe, nachzuweisen, ob ein Parlament gut 
oder schlecht seine Kontrollfunktion ausübe. Es gibt eben 
auch da diesen Maßstab nicht. Letztlich muß darüber ent 
scheiden, ob die Parlamentsarbeit als solche — nicht die 
spezielle Aktivität in Inkompatibilitätsfragen — 
(Abg. Lummer: Wir müssen die Voraussetzungen 
schaffen, damit die Leute nicht in Versuchung 
kommen!) 
— Wissen Sie, das ist mir zu sehr vom Standpunkt eines 
über allen Dingen Stehenden gesagt, Herr Lummer. Sie 
mögen diese Rolle in Ihrer Fraktion genießen, bei uns geht 
es so demokratisch zu, daß die Rolle keiner spielen darf. — 
(Beifall bei der SPD) 
Fest steht also, diesen allgemeingültigen Maßstab, den Sie 
zur Grundlage nehmen — Herr Oxfort, es hat mir mal je 
mand den Vorwurf aus Ihrer Fraktion gemacht, ich ließe 
mich zu oft von Ihnen unterbrechen, und darunter leide der 
Fluß meiner Rede. Ich möchte mich dem Vorwurf nicht 
erneut aussetzen. 
(Abg. Lummer: Der fließt aber auch so nicht!) 
Dr. Riebschläger (SPD): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! 
(Zurufe) 
— Werden Sie nicht zu persönlich, Herr Oxfort, sonst könn 
ten wir hier ein paar andere Sachen ausgraben. 
(Heiterkeit) 
Irgendwie, meine Damen und Herren von der CDU und 
F.D.P., hat uns Ihre Einlassung erstaunt. Anstatt uns 
dankbar zu sein dafür, daß wir Sie an einem Jahrhundert- 
fehler hindern, begeben Sie sich in die Debatte und tun so, 
als würden wir hier am Untergang dieser Stadt fleißig mit 
stricken, allerdings meinen Sie wohl nur die öffentlich Be 
diensteten bei der SPD. Bei der CDU, wo sie ja prozentual 
auch gart vertreten sind, haben sich ja einige in ihren Bei 
fallsbekundungen für den Fraktionssprecher sehr zurück 
gehalten, das muß auch Gründe haben, denen wollen wir 
gar nicht nachgehen, weil wir das nämlich nicht als be 
grenzte Debatte „öffentlicher Dienst im Parlament“ führen 
können und wollen. 
Wir haben im Ausschuß — und das ist leider ln der Be 
richterstattungskommentierung, die Sie von der CDU und 
F.D.P. gegeben haben, nicht mehr zum Ausdruck gekom 
men — ja doch ein bißchen sorgfältiger und tiefer diskutiert, 
als das hier einige Vertreter Ihrer Fraktion wahrhaben 
wollten. Entweder, weil sie nicht dabei waren und so tat 
sächlich keine Veranlassung hatten, in den letzten drei 
Jahren etwas hinzuzulernen, oder aber weil sie dabei waren 
und von vornherein das, was Sie uns zum Vorwurf machen, 
für sich selbst in Anspruch nahmen, nämlich sich von ihrem 
Standpunkt nicht durch irgendwelche Diskussionen beein 
flussen zu lassen. Die Wahrheit liegt doch genau darin, daß 
es nirgendwo in den westlichen Demokratien mit ihren 
parlamentarischen Vertretungen so etwas wie eine all 
gemein überzeugende Lösung gibt. Es gibt also genau das 
nicht, was besonders unser Orlando furioso, Herr Luster, 
heute hier vorzuführen suchte, nämlich einen Maßstab, der, 
wenn man sich ihm annähert, eine anständige Parlaments 
gesinnung ausweist, und wenn man sich ihm zu fern hält, 
eine — mindestens — abstinente, wenn nicht gar bösartige 
Gesinnung verrät. Genau den gibt es nicht. Dieser all 
gemeingültige Maßstab darüber, wie ein Parlament zusam 
mengesetzt sein soll, wie es am besten seine Kontrollfunk- 
tionen wahrnehmen kann, existiert nicht. Herr Lummer hat 
Es gibt also — wie gesagt — den allgemein gültigen 
Maßstab, den Sie hier zugrundelegen, nicht, und von daher 
möchte ich die Diskussion auf das zurückführen, worum es 
hier gehen kann, nämlich schlicht und einfach: um eine 
Parteiwertung aus einer Interessenlage heraus, bei der Sie 
glauben, sich erlauben zu können, die SPD-Fraktion als 
falsch zusammengesetzt zu beurteilen und für sich selbst 
bessere Maßstäbe in Anspruch nehmen. Wir wollen da nicht 
in Einzelheiten gehen, weil die Debatte in die Irre führt, 
(Zurufe) 
weil wir nämlich hier Entschuldigung, Herr Oxfort, 
wenn wir hier nüchtern auflisten, was z. B. die Fraktion der 
Rechtsanwälte an Beziehungen zum öffentlichen Dienst auf 
weist, dann wird es auch interessant; 
(Abg. Oxfort: Von wem reden Sie denn?) 
wenn wir hier auflisten, wie sich das bei Geschäftsführern 
von wichtigen — und wie wir meinen — zu Recht im Parla 
ment vertretenen Institutionen ausweist, dann wird es 
genau so interessant wie bei Gewerkschaftsvertretern und 
wie bei öffentlichen Dienstangehörigen. Diese Debatte führt 
uns nicht weiter. Wir wollen uns wieder hart an den An 
trägen der CDU und der F.D.P. orientieren. 
Stellv. Präsident Lorenz: Gestatten Sie eine Zwischen 
frage, Herr Abgeordneter ? 
Dr. Riebschläger (SPD): Ja, wenn Herr Oxfort sich nicht 
zurückhalten kann. 
Stellv. Präsident Lorenz: Zu einer Zwischenfrage Herr 
Abgeordneter Oxfort! 
Oxfort (F.D.P.): Wenn Sie, Herr Kollege Dr. Riebschlä 
ger, von den besonderen Beziehungen der Rechtsanwälte 
zum öffentlichen Dienst sprechen, meinen Sie damit den 
Abgeordneten Ihrer Fraktion, der sich der besonderen Aul" 
tragsvergabe durch die Senatskanzlei erfreut ? 
(Beifall bei der FDP. und der CDU)
	        
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