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Volume Nr. 36, 26.10.72

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1972, 6. Wahlperiode, Band II, 22.-42. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
86. Sitzung vom 36. Oktober 1973 
1257 
insbesondere im Bereich der Gymnasien für eine umfas 
sende Vorbereitung der betroffenen Kollegen für ihre Kurs 
arbeit im September verwendet. Das heißt also, das Vor 
liegen der neuen Stoffpläne für das Kurssystem im 
April/Mai ermöglicht umfangreiche Weiterbildungs- und 
Vorbereitungsveranstaltungen der gymnasialen Lehrer 
schaft auf der Grundlage der Vorgaben. Damit ist nach 
meinem Urteil die erst zweite Grundvoraussetzung für die 
Einführung des Kurssystems im September erfüllt. 
Erlauben Sie mir zu diesem Komplex eine ergänzende 
Formulierung. Mit dem Saarbrückener Rahmenabkommen 
— Rahmenvereinbarung — zur Ausgestaltung des Gym 
nasiums — ich glaube, aus dem Jahre 1959 — begann ja 
schon eine Entwicklung in den Gymnasien, eine Differen 
zierung von Kern- und Kursunterrichtsangeboten. Das 
heißt, seitdem übt sich die gymnasiale Lehrerschaft in 
einem Grundprinzip der gymnasialen Oberstufenreform, 
nämlich der Organisierung und Erteilung von Unterricht 
in Kursen und nicht mehr im starren Klassenverband. Das, 
was wir heute an Arbeitsgemeinschaften, zum Teil in den 
Nachmittagsstunden, haben, ist für den betroffenen Lehrer 
eine direkte methodische und fachliche Vorbereitung auf 
das, was er ab September nächsten Jahres im Bereich der 
Kurse zu leisten haben wird. 
Ich habe damit — Fragen 2 und 3 zusammengefaßt und 
die Antwort hierzu — in Grobkonturen, meine Damen und 
Herren von der CDU-Fraktion, dargestellt, daß in den ent 
scheidenden Punkten die Vorbereitungen in diesem Lande 
weit gediehen sind, und sie laufen ja weiter bis April, und 
im Lehrerbildungsbereich bis einschließlich Juni nächsten 
Jahres. Deswegen kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß 
er es ohne den Vorwurf einer überhasteten und überstürz 
ten Einführung vertreten kann, die erste Phase, den ersten 
gar nicht einmal zu großen Schritt der Reform der gym 
nasialen Oberstufe im nächsten Jahr, sofern das Parlament 
die gesetzlichen Grundlagen hierzu schafft, zu gehen. 
Nun wird es selbstverständlich unter den betroffenen 
mehreren tausend Gymnasiallehrern nicht eine hundert 
prozentige Zustimmung geben. Ich sage freimütig, in dem 
Maße, wie in sehr großen Bereichen der gymnasialen Leh 
rerschaft die Bereitschaft, die Absicht und der Wille be 
steht, diese Reform zu tragen — Sie haben da völlig recht, 
Herr Diepgen, das ist eine Notwendigkeit —, gibt es aber 
auch einen Bereich — ich trete niemandem zu nahe, wenn 
ich das sage — einiger Älterer, denen dieser Reformschritt 
Sorgen bereitet. Es ist für einen endfünfziger oder anfangs- 
sechzlger Lehrer schwerer, diesen Schritt zu tun. Um so 
mehr bemühen wir uns um Hilfestellung im Organisations 
und im curricularen Bereich für diese Kollegenschaft. Es 
kann sich im Einzelfall auch ergeben, daß manche Lehrer 
sagen werden: Wir gehen für die letzten zwei, drei, vier 
Dienstjahre diesen Schritt nicht mit und möchten mehr in 
der Mittelstufe unterrichten. — Auch diese Möglichkeit 
gibt es. Ich will nur betonen; Es kann sich, nachdem nach 
drei Jahren Vorbereitung die Kultusministerkonferenz sich 
auf die Hauptprinzipien verständigt hat, jetzt in dem jewei 
ligen Land, das die Reform ansetzt und die ersten Schritte 
gehen will, nicht darum handeln, eine hundertprozentige 
Übereinstimmung mit allen betroffenen Lehrern zu erzielen. 
Der Senat strebt sie an. Er weiß, daß ihm eine hundert 
prozentige Übereinstimmung nicht glücken wird. Letzten 
Endes spielen dann auch konservativere Einstellungen eine 
Rolle; ich sage ausdrücklich, sie sind legitim, sie können 
aber ein Land nicht hindern, behutsam und kalkuliert die 
Reform voranzutragen. 
Ich komme zum Schluß und fasse zusammen, meine Da 
uben und Herren. Selbst der Beginn dieser Reform im näch 
sten Jahr sichert und fördert die Unterrichts- und Erzie 
hungsarbeit der Gymnasien. Die Reform soll zusammen 
®it den Kollegien, den Schülern und den Erziehungsberech 
tigten behutsam und schrittweise durchgeführt werden. Sie 
J^t kein einmaliger Akt, sie wird in eine Vielzahl einzelner 
Phasen zerfallen, und ich bitte das Parlament ausdrück 
lich, den verantwortlichen Senator präzis und genau zu 
kontrollieren, daß für jede Phase und für jeden Entwick- 
lungsschritt die sachgerechten Vorbereitungen getroffen 
sind. Für den ersten Schritt im nächsten Jahr sind nach 
meiner Überzeugung und dem Urteil des Senats die Vor 
aussetzungen getroffen bzw. werden bis März nächsten 
Jahres erreicht. Die ganze Reform ist eine Aufgabe min 
destens eines Jahrzehntes. Aber wir sollten jetzt beginnen. 
Gewiß ist jeder Anfang schwer, namentlich für manchen 
Älteren; ich habe dafür Verständnis. Ich habe ausdrück 
lich Verständnis, daß mancher das Neue scheut; aber so 
neu ist das Neue an und für sich auch wiederum nicht, 
wenn Sie daran denken, was ich im Zusammenhang mit 
der Saarbrückener Rahmenvereinbarung gesagt habe. Und 
wenn genügend vorbereitet ist, muß der erste Schritt getan 
werden, denn der Senat hält aus all diesen Gründen den 
Zeitpunkt 1973 für angemessen und teilt also insoweit nicht 
die Auffassung der Fragesteller, daß es eventuell über 
hastet sein könnte. 
Der Senat ist bereit — und vertreten dann durch den 
Schulsenator —, über diese Grobkonturen der Vorbereitung 
im Schulausschuß anläßlich der Beratung des Schulgesetz 
änderungswerkes in allen Einzelheiten den Nachweis der 
sachgerechten Vorbereitung konkret zu führen. Worum es 
hier und heute dem Senat ging: Den Anfragenden, die aus 
berechtigten Gründen natürlich diese Fragen formulierten, 
den Versuch einer fundierten Antwort zu geben, und ich 
will hoffen, daß Sie nicht völig von meiner Antwort auf 
Ihre vier Fragen enttäuscht sind. Sollte das der Fall sein, 
habe ich dann die Hoffnung, daß ich wenigstens die Mehr 
heitsfraktion überzeugt habe. — Schönen Dank! 
(Beifall bei der SPD) 
Stellv. Präsident Hoppe; Ich eröffne die Besprechung. 
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ulzen. 
ülzen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Herr Senator Löffler, Ihre Hoffnung trügt. Wir sind 
wirklich enttäuscht, und ich bin insofern nicht überrascht, 
daß Sie vorher schon die Zustimmung der SPD-Fraktion 
eingeholt haben, das hatten wir ebenfalls erwartet; 
(Sen. Löffler: Habe ich nicht!) 
insofern also volle Übereinstimmung. 
Erfreulich war es, zu hören, daß wir uns hier einmal 
in der Zielvorstellung einig sind, daß der Zeitpunkt strittig 
ist; und für die CDU-Fraktion war es ebenfalls besonders 
erfreulich zu hören, daß man sich ebenfalls hier bei dieser 
Reform der gymnasialen Oberstufe die Erfahrungen des 
Bundeslandes Bayern zu eigen machen wird. 
(Abg. Schwarz: Auch die negativen!) 
Das spricht für die Toleranz, die sich in der SPD wahr 
scheinlich breitmacht, spätestens wenn sie die Ergebnisse 
des 19. November hören. 
(Zuruf: Hört, hört!) 
Meine Damen und Herren! Nun aber doch einiges zu dem, 
was hier der Senator gesagt hat. Es ist richtig, daß die 
KMK-Vereinbarung vom 7. 7.1972 für uns verbindlich ist 
und daß diese Vereinbarung von allen Bundesländern ge 
tragen wird. Was nun allerdings der Senator hier zu unse 
ren Fragen ausgeführt hat, befriedigt uns tatsächlich in 
keiner Weise, und ich möchte das begründen. 
Die Kompliziertheit des Systems ist von allen Beteilig 
ten — das ist unsere Auffassung — nicht erkannt, und, 
Herr Senator, ich muß Sie auch hier enttäuschen, wir sind 
der Meinung, daß nicht nur die 50- bis 60jährigen hier 
Schwierigkeiten der Anpassung haben, sondern daß auch 
die Jüngeren hier tatsächlich nicht genau wissen, worauf 
diese Reform hinausläuft. Und wenn Sie hier sehr eindring 
lich betont haben, daß eine vierjährige Vorbereitungsphase 
jetzt abläuft, dann muß ich allerdings feststellen, daß dann 
diese vierjährige Vorbereitungsphase doch außerordentlich 
schlecht gewesen sein muß, wenn soviel Widerstände gegen 
diese Reform geltend gemacht werden, und wir werden 
ja nachher aus dem Munde von Herrn Hauff hören, wie die
	        
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