Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
86. Sitzung vom 36. Oktober 1973
1257
insbesondere im Bereich der Gymnasien für eine umfas
sende Vorbereitung der betroffenen Kollegen für ihre Kurs
arbeit im September verwendet. Das heißt also, das Vor
liegen der neuen Stoffpläne für das Kurssystem im
April/Mai ermöglicht umfangreiche Weiterbildungs- und
Vorbereitungsveranstaltungen der gymnasialen Lehrer
schaft auf der Grundlage der Vorgaben. Damit ist nach
meinem Urteil die erst zweite Grundvoraussetzung für die
Einführung des Kurssystems im September erfüllt.
Erlauben Sie mir zu diesem Komplex eine ergänzende
Formulierung. Mit dem Saarbrückener Rahmenabkommen
— Rahmenvereinbarung — zur Ausgestaltung des Gym
nasiums — ich glaube, aus dem Jahre 1959 — begann ja
schon eine Entwicklung in den Gymnasien, eine Differen
zierung von Kern- und Kursunterrichtsangeboten. Das
heißt, seitdem übt sich die gymnasiale Lehrerschaft in
einem Grundprinzip der gymnasialen Oberstufenreform,
nämlich der Organisierung und Erteilung von Unterricht
in Kursen und nicht mehr im starren Klassenverband. Das,
was wir heute an Arbeitsgemeinschaften, zum Teil in den
Nachmittagsstunden, haben, ist für den betroffenen Lehrer
eine direkte methodische und fachliche Vorbereitung auf
das, was er ab September nächsten Jahres im Bereich der
Kurse zu leisten haben wird.
Ich habe damit — Fragen 2 und 3 zusammengefaßt und
die Antwort hierzu — in Grobkonturen, meine Damen und
Herren von der CDU-Fraktion, dargestellt, daß in den ent
scheidenden Punkten die Vorbereitungen in diesem Lande
weit gediehen sind, und sie laufen ja weiter bis April, und
im Lehrerbildungsbereich bis einschließlich Juni nächsten
Jahres. Deswegen kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß
er es ohne den Vorwurf einer überhasteten und überstürz
ten Einführung vertreten kann, die erste Phase, den ersten
gar nicht einmal zu großen Schritt der Reform der gym
nasialen Oberstufe im nächsten Jahr, sofern das Parlament
die gesetzlichen Grundlagen hierzu schafft, zu gehen.
Nun wird es selbstverständlich unter den betroffenen
mehreren tausend Gymnasiallehrern nicht eine hundert
prozentige Zustimmung geben. Ich sage freimütig, in dem
Maße, wie in sehr großen Bereichen der gymnasialen Leh
rerschaft die Bereitschaft, die Absicht und der Wille be
steht, diese Reform zu tragen — Sie haben da völlig recht,
Herr Diepgen, das ist eine Notwendigkeit —, gibt es aber
auch einen Bereich — ich trete niemandem zu nahe, wenn
ich das sage — einiger Älterer, denen dieser Reformschritt
Sorgen bereitet. Es ist für einen endfünfziger oder anfangs-
sechzlger Lehrer schwerer, diesen Schritt zu tun. Um so
mehr bemühen wir uns um Hilfestellung im Organisations
und im curricularen Bereich für diese Kollegenschaft. Es
kann sich im Einzelfall auch ergeben, daß manche Lehrer
sagen werden: Wir gehen für die letzten zwei, drei, vier
Dienstjahre diesen Schritt nicht mit und möchten mehr in
der Mittelstufe unterrichten. — Auch diese Möglichkeit
gibt es. Ich will nur betonen; Es kann sich, nachdem nach
drei Jahren Vorbereitung die Kultusministerkonferenz sich
auf die Hauptprinzipien verständigt hat, jetzt in dem jewei
ligen Land, das die Reform ansetzt und die ersten Schritte
gehen will, nicht darum handeln, eine hundertprozentige
Übereinstimmung mit allen betroffenen Lehrern zu erzielen.
Der Senat strebt sie an. Er weiß, daß ihm eine hundert
prozentige Übereinstimmung nicht glücken wird. Letzten
Endes spielen dann auch konservativere Einstellungen eine
Rolle; ich sage ausdrücklich, sie sind legitim, sie können
aber ein Land nicht hindern, behutsam und kalkuliert die
Reform voranzutragen.
Ich komme zum Schluß und fasse zusammen, meine Da
uben und Herren. Selbst der Beginn dieser Reform im näch
sten Jahr sichert und fördert die Unterrichts- und Erzie
hungsarbeit der Gymnasien. Die Reform soll zusammen
®it den Kollegien, den Schülern und den Erziehungsberech
tigten behutsam und schrittweise durchgeführt werden. Sie
J^t kein einmaliger Akt, sie wird in eine Vielzahl einzelner
Phasen zerfallen, und ich bitte das Parlament ausdrück
lich, den verantwortlichen Senator präzis und genau zu
kontrollieren, daß für jede Phase und für jeden Entwick-
lungsschritt die sachgerechten Vorbereitungen getroffen
sind. Für den ersten Schritt im nächsten Jahr sind nach
meiner Überzeugung und dem Urteil des Senats die Vor
aussetzungen getroffen bzw. werden bis März nächsten
Jahres erreicht. Die ganze Reform ist eine Aufgabe min
destens eines Jahrzehntes. Aber wir sollten jetzt beginnen.
Gewiß ist jeder Anfang schwer, namentlich für manchen
Älteren; ich habe dafür Verständnis. Ich habe ausdrück
lich Verständnis, daß mancher das Neue scheut; aber so
neu ist das Neue an und für sich auch wiederum nicht,
wenn Sie daran denken, was ich im Zusammenhang mit
der Saarbrückener Rahmenvereinbarung gesagt habe. Und
wenn genügend vorbereitet ist, muß der erste Schritt getan
werden, denn der Senat hält aus all diesen Gründen den
Zeitpunkt 1973 für angemessen und teilt also insoweit nicht
die Auffassung der Fragesteller, daß es eventuell über
hastet sein könnte.
Der Senat ist bereit — und vertreten dann durch den
Schulsenator —, über diese Grobkonturen der Vorbereitung
im Schulausschuß anläßlich der Beratung des Schulgesetz
änderungswerkes in allen Einzelheiten den Nachweis der
sachgerechten Vorbereitung konkret zu führen. Worum es
hier und heute dem Senat ging: Den Anfragenden, die aus
berechtigten Gründen natürlich diese Fragen formulierten,
den Versuch einer fundierten Antwort zu geben, und ich
will hoffen, daß Sie nicht völig von meiner Antwort auf
Ihre vier Fragen enttäuscht sind. Sollte das der Fall sein,
habe ich dann die Hoffnung, daß ich wenigstens die Mehr
heitsfraktion überzeugt habe. — Schönen Dank!
(Beifall bei der SPD)
Stellv. Präsident Hoppe; Ich eröffne die Besprechung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ulzen.
ülzen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Herr Senator Löffler, Ihre Hoffnung trügt. Wir sind
wirklich enttäuscht, und ich bin insofern nicht überrascht,
daß Sie vorher schon die Zustimmung der SPD-Fraktion
eingeholt haben, das hatten wir ebenfalls erwartet;
(Sen. Löffler: Habe ich nicht!)
insofern also volle Übereinstimmung.
Erfreulich war es, zu hören, daß wir uns hier einmal
in der Zielvorstellung einig sind, daß der Zeitpunkt strittig
ist; und für die CDU-Fraktion war es ebenfalls besonders
erfreulich zu hören, daß man sich ebenfalls hier bei dieser
Reform der gymnasialen Oberstufe die Erfahrungen des
Bundeslandes Bayern zu eigen machen wird.
(Abg. Schwarz: Auch die negativen!)
Das spricht für die Toleranz, die sich in der SPD wahr
scheinlich breitmacht, spätestens wenn sie die Ergebnisse
des 19. November hören.
(Zuruf: Hört, hört!)
Meine Damen und Herren! Nun aber doch einiges zu dem,
was hier der Senator gesagt hat. Es ist richtig, daß die
KMK-Vereinbarung vom 7. 7.1972 für uns verbindlich ist
und daß diese Vereinbarung von allen Bundesländern ge
tragen wird. Was nun allerdings der Senator hier zu unse
ren Fragen ausgeführt hat, befriedigt uns tatsächlich in
keiner Weise, und ich möchte das begründen.
Die Kompliziertheit des Systems ist von allen Beteilig
ten — das ist unsere Auffassung — nicht erkannt, und,
Herr Senator, ich muß Sie auch hier enttäuschen, wir sind
der Meinung, daß nicht nur die 50- bis 60jährigen hier
Schwierigkeiten der Anpassung haben, sondern daß auch
die Jüngeren hier tatsächlich nicht genau wissen, worauf
diese Reform hinausläuft. Und wenn Sie hier sehr eindring
lich betont haben, daß eine vierjährige Vorbereitungsphase
jetzt abläuft, dann muß ich allerdings feststellen, daß dann
diese vierjährige Vorbereitungsphase doch außerordentlich
schlecht gewesen sein muß, wenn soviel Widerstände gegen
diese Reform geltend gemacht werden, und wir werden
ja nachher aus dem Munde von Herrn Hauff hören, wie die