Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
SS. Sitzung vom 6. Juli 1972
1184
Dr. Wolters, Senator für Gesundheit und Umweltschutz:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stellung
nahme des Senats zu diesem Antrag kann relativ kurz sein,
weil das darin zum Ausdruck kommende Anliegen früher,
gegenwärtig und auch in Zukunft ein selbstverständliches
Anliegen für den Senat ist. Herr Kollege Boroffka, Ihre
Äußerungen mögen für Sie verbindlicher sein. Meine
Äußerungen bei der Beantwortung Ihrer Mündlichen An
frage in der letzten Sitzung waren zutreffender. Die Vor
aussetzungen, die Sie eben genannt haben, sind nicht zu
treffend. Ergebnis des Gespräches, das Sie ja das letztemal
und heute wieder zitiert haben, zwischen den beiden Staats
sekretären war, daß keine Teile des WaBoLu verlagert
werden, daß keine einzige Person aus dem WaBoLu abgezo
gen wird. Sie verwechseln bei Ihren Darstellungen offen
sichtlich immer, ob irgendetwas abgezogen wird oder ob
etwas zusätzlich hinzukommt. Es hat Ausbaupläne gegeben
zum Wasser-, Boden-, Lufthygiene-Institut, es hat auch in
vergangener Zeit den Plan gegeben, das WaBoLu insgesamt
dem Bundesministerium des Inneren zu unterstellen, was
am Standort im übrigen gar nichts geändert hätte. An den
Ausbauplänen kann sich möglicherweise etwas ändern, ich
habe das letztemal dazu schon gesagt, daß es darüber eine
Diskussion zwischen den beteiligten Ressorts gibt, eine
Diskussion, an der auch die Länder beteiligt sind, und daß
es im Ergebnis dieser Diskussion darauf ankommen wird,
zu einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen bestehenden
Bundesinstitutionen — dazu gehört das WaBoLu — und zu
gründenden Umweltinstitutionen — dazu gehören die
Bundesanstalt für Umweltschutz, die Bundesanstalt für
Immissionsschutz und die Bundesanstalt für Abfallwirt
schaft — zu kommen. Diese Diskussion ist noch nicht ab
geschlossen. Man kann aber davon ausgehen, genau wie
ich das das vergangene Mal gesagt habe, daß selbst die
Bildung dieser Institutionen nichts an den wesentlichen
Aufgaben des WaBoLu ändern wird, sondern daß der Bund
vielmehr davon ausgeht, diese Aufgaben, Hygiene, Human
ökologie, zu intensivieren.
Präsident Sickert: Herr Senator, gestatten Sie eine Zwi
schenfrage ?
Dr. Wolters, Senator für Gesundheit und Umweltschutz:
Bitte.
Präsident Sickert: Bitte, Herr Abgeordneter Boroffka!
Boroffka (CDU): Herr Senator, ist Ihnen bekannt, daß
es Überlegungen gegeben hat, die Ausgliederung der Fach
gruppe B IV A — Technik der Luftreinhaltung wohl ge
nannt — zu verbinden mit ihrer Eingliederung, auch örtlich,
in die Landesanstalt für Immissionsschutz im Lande Nord
rhein-Westfalen, was eine Verlegung einschließlich des
Personals bedeutet hätte?
Dr. Wolters, Senator für Gesundheit und Umweltschutz:
Herr Abgeordneter Boroffka, Ihre Frage beinhaltet zweier
lei. Es gibt nach wie vor Überlegungen, nämlich im Rahmen
der notwendigen Arbeitsteilung, das Schwergewicht bei den
Arbeiten im WaBoLu auf die Lufthygiene zu legen und das
Schwergewicht für Fragen der Lufttechnik in einer anderen
Institution wahmehmen zu lassen, ohne daß hier dadurch
irgend jemand abgezogen werden muß. Das ist die ein
deutige Aussage der zuständigen Behörden im Bund.
Der zweite Teil, der in Ihrer Frage auch mit drinsteckte,
war, ob letzteres von der Landesanstalt Nordrhein-West
falen wahrgenommen werden soll. Planung ist, daß es von
einer entsprechenden Bundesanstalt, nämlich der für Im
missionsschutz, wahrgenommen wird.
Über die Ausbauplanungen hinaus — und das beinhaltet
ja auch der zweite Punkt Ihres Antrages — laufen seit
langem, und das wissen Sie, Bemühungen des Senats, eine
oder mehrere dieser Institutionen, dieser neuen Bundes
institutionen für Umweltschutz, nach Berlin zu holen, wobei
es für die Entscheidung auch des Bundes darauf ankom
men wird, ob die Sachzusammenhänge beispielsweise zum
WaBoLu und zu anderen Institutionen, die wir hier schon
haben — etwa der Bundesanstalt für Materialprüfung —
oder der Gesichtspunkt der räumlichen Nähe für die Durch
führung solcher nicht ministeriellen Aufgaben zu den zu
ständigen Ministerien ln Bonn ausschlaggebender sein
werden; beides wird zu berücksichtigen sein. Man wird
also nicht in jedem Falle davon ausgehen können, daß jede
neue Bundesinstitution nun unbedingt nach Berlin muß,
sondern man wird sich mit den Sachgesichtspunkten in
diesen Verhandlungen, die — wie gesagt — lange laufen,
auseinandersetzen müssen und wird dann, genau wie der
Bund das tut, abwägen müssen, wo das sachliche Schwer
gewicht für eine solche Standortentscheidung liegt.
Ich möchte zum Schluß feststellen, Herr Abgeordneter
Boroffka: Sie gehen im ersten Punkt Ihres Antrages zum
Teil von falschen Voraussetzungen aus, und im zweiten
Punkt Ihres Antrages tragen Sie ohne jede Frage, da der
Senat angesprochen ist, Eulen nach Athen.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Thomas.
Thomas (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Keinesfalls verkennt die Fraktion der Sozialdemo
kratischen Partei die Notwendigkeit, die in Punkt 2 ge
nannten Institute nach Berlin zu holen, genau wie wir der
Auffassung sind, daß das bereits in Berlin vorhandene
Bundesinstitut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene in
dieser Stadt zu bleiben hat. Wir glauben aber nicht, daß
der von der CDU-Fraktion heute aufgezeigte Weg geeignet
ist, diese Intentionen, die wir gemeinsam haben, voll durch
zusetzen. Wir haben ja wohl allesamt im Ausschuß für
Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen die
Überzeugung gewonnen, daß es unzweckmäßig wäre, bei
der Wahrnehmung Berliner Interessen nun jedes Institut
oder jede Einrichtung, die vom Bund zu gründen ist, nach
Berlin zu holen, vor allen Dingen dann, wenn wir uns zu
gleich bei Gründen, die von reiner Zweckmäßigkeit diktiert
sind, dagegen wehren, daß entsprechende Einrichtungen
von Berlin wieder weggenommen werden. Wir müssen in
jedem einzelnen Fall gleichberechtigt und gleichstehend
neben anderen Bundesländern den Nachweis liefern, daß
es eine sachliche Notwendigkeit und sachliche Zweckmäßig
keit gibt, entsprechende Einrichtungen nach Berlin zu ver
lagern. Das ist meines Erachtens die Aufgabe, die wir in
Konkurrenz mit den übrigen Bundesländern auszuüben
haben. Wir können nicht ständig nur an den Berlin-
Patriotismus anderer Bundesländer appellieren. Wir müssen
den Nachweis liefern, daß die Berliner bereit sind, sich im
Rahmen von Kompetenzverlagerungen innerhalb der ge
samten Bundesrepublik wie ein normales Bundesland zu
verhalten. Nur dann werden wir mit Erfolg bereits vorhan
dene Institutionen in dieser Stadt halten und neue dazu
gewinnen können. Von daher vertritt die Fraktion der
Sozialdemokratischen Partei die Auffassung, daß dieser
vorliegende Antrag zweckmäßigerweise noch einmal in den
Ausschüssen für Gesundheit und Umweltschutz und für
Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen zu er
örtern ist, zumal der Ausschuß für Eundesangelegenheiten
und Gesamtberliner Fragen nicht die Absicht hat, während
der gesamten Parlamentsferien zu pausieren, sondern, so
bald neue wichtige Fragen vorliegen, wieder zusammen
zutreten. Wir glauben nicht, daß durch diese Ausschußüber
weisung eine Verzögerung dieser wichtigen Maßnahme ein-
tritt; außerdem hat der Herr Senator für Gesundheit und
Umweltschutz bereits darauf hingewiesen, daß es Senats-
initiativen in dieser Richtung gibt.
Ich darf Sie also bitten, unserem Vorschlag zuzustimmen,
eine gemeinsame Haltung aller drei Fraktionen in dieser
Frage dadurch zu erreichen, daß wir noch einmal die
Problematik in den entsprechenden Ausschüssen erörtern,
damit nicht nur der Senat ln dieser Frage initiativ werden