Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
S2. Sitzung vom 29. Juni 1972
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Maoisten oder mit Spätnationalsozialisten. Da ist die
Grenze. Die kommen nicht in den öffentlichen Dienst.
(Abg. Dr. Behrendt: Sind doch drin!)
Da muß dann eingeschritten werden. Soweit sie drin sind
und es dort konkret wird, das hat Herr Neubauer gesagt,
da wird das Notwendige getan. Allerdings wird es sehr viel
seltener griffig, als man meint, und im Hochschulgebiet ist
ein Zusatzsockel an Problematik vorhanden. Es ist auch ein
Unterschied, ob ich irgendwo in der Innenverwaltung
hoheitliche Verwaltung treibe oder ob ich Lehrmeinungen
an der Universität vertrete. Selbst da ist noch eine Spann
weite für den Umgang mit Leuten, die extreme oder radi
kale Meinungen vertreten. Gerade wir Sozialdemokraten —
darf ich das nochmals so ganz einfach sagen — haben aus
einer wirksamen Auseinandersetzung mit Kommunisten
unsere Erfahrung, und man wird nicht sagen können, daß
Sie uns an dieser Stelle nicht auf der Seite der härtesten
Verteidiger der Demokratie finden. Aber eine Unsicherheit
und Gefährdung unserer Grundrechte durch nervöses, kli
scheehaftes Reagieren gegenüber kritischen Bewerbern für
den öffentlichen Dienst lehnen wir ab. Wir halten die Ant
wort des Innensenators — und ich würde bitten, sie not
falls nochmals nachzulesen — für zutreffend. Wir glauben,
daß wir nun einmal geraume Zeit praktizieren sollten,
was da formuliert ist, und es nicht schon wieder in EUe mit
„neffenhafter“ Fagetechnik demnächst hochbringen sollten.
Dazu ist dies alles im Grunde auch wieder zu ernst. Vielen
Dank.
(Beifall bei der SPD)
Stellv. Präsident Hoppe: Das Wort hat Herr Abgeord
neter Oxfort.
Oxfort (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Namens der Fraktion der FX).P. möchte ich den
grundsätzlichen Teil der Ausführungen des Innensenators
— und nur zu ihm möchte ich hier sprechen — ausdrücklich
begrüßen. Es gibt gar keinen Zweifel daran — und dies
sollte allerdings in diesem Hause nicht streitig sein —, daß
Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst nichts zu suchen
haben, und es gibt in diesem Sinne auch keinen Zweifel
daran, um auch hier ein deutliches Wort zu sprechen, daß
die Beschlüsse der Ministerpräsidenten der Länder nicht
verfassungswidrig sind.
Das Problem, mit dem wir uns zu befassen haben — und
es ist eigentlich in allen Reden hier schon angeklungen, die
vor mir gehalten worden sind —, ist in der Tat zweierlei
Art. Das eine Problem ist dies: Welches ist die geeignete
Methode, um dafür zu sorgen, daß nicht plötzlich in unserer
Gesellschaft solche Personen Hoheitsrechte über andere
Bürger ausüben, die sich zu dem weiten Spielraum unserer
Verfassung nicht bekennen? Und das zweite Problem ist;
Wie kann man andererseits dazu beitragen, daß die Art
und Weise, wie man mit diesem Problem in der Öffentlich
keit umgeht, nicht eine unnötige Hysterie im Lande erzeugt.
Lassen Sie mich zunächst zum ersten Problem etwas
sagen, also insbesondere hier zu den aufgeworfenen Fra
gen zu den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz.
Der Innensenator hat zu Recht darauf hingewiesen, daß
diese Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz eigent
lich nichts Neues gebracht haben, daß sie nämlich — und
auch das muß erwähnt werden — das geltende Recht in
keiner Weise verändern.
(Abg. Lorenz: Sehr richtig!)
Das, was es im Bereich des Beamtenrechts oder auch für
den sonstigen Bereich des öffentlichen Dienstes an arbeits
rechtlichen Bestimmungen schon lange vorher und eigent
lich schon immer gegeben hat, ist durch die Beschlüsse
der Ministerpräsidentenkonferenz in keiner Weise ver
ändert worden.
Die Beschlüsse der Ministerpräsidenten haben, wenn man
es so sagen darf, zweierlei Bedeutung. Sie haben einmal
eine politische Meinungsäußerung zum Gegenstand gehabt,
mit der man in einer Situation, in der dies plötzlich ein
öffentliches Problem zu sein schien, eine politische Bekun
dung machen wollte. Und sie haben zum zweiten sicherlich
die Funktion der Vereinbarung einer gemeinsamen Ver
waltungspraxis. Dies ändert — und das wissen wir ja alle —
nichts daran — aber es muß auch mal nach draußen ge
sagt werden —, daß die Verwaltung, die im konkreten Ein
zelfall zu entscheiden hat, sich allein am Gesetz orientieren
muß und daß sie sich, soweit sie der verwaltungsgericht
lichen Kontrolle unterliegt, auch am Gesetz messen lassen
muß.
Nun wird sehr oft in diesem Zusammenhang davon ge
sprochen, daß es ja unmöglich sei, jemand den Vorwurf
machen zu wollen, er beteilige sich an einer verfassungs
feindlichen Organisation oder Partei, obwohl doch diese
politische Partei oder Organisation bisher nicht verboten
worden sei. In diesem Zusammenhang wird vielleicht
manchmal mit Recht, zum größten Teil sicherlich mit Un
recht, dabei die Frage aufgeworfen, ob der zuständige
Innenminister in dieser Frage nicht überfordert ist und ob
er es nicht vielleicht sogar mißbrauchen könnte, wenn ihm
hier ein solches Recht zugestanden wird.
In dieser Problematik steckt doch zunächst das Problem,
daß sich jedenfalls die gegenwärtige Bundesregierung, und
hier auch in einzelnen Fragen bereits der Senat von Berlin
— und zwar in beiden Fällen mit unserer Zustimmung —,
entschlossen hat, das Mittel eines Verbotes nicht als das
geeignete politische Mittel zur Bekämpfung einer extre
men Organisation oder Partei anzusehen. Die F.D.P. hat
immer zu denen gehört, die gesagt haben, das Verbot der
Kommunistischen Partei Deutschlands im Jahre 1956 durch
das Bundesverfassungsgericht ging zwar rechtlich in Ord
nung, aber es war politisch unklug, diesen Schritt zu tim.
Nun darf man aber natürlich nicht verlangen, meine Damen
und Herren, wenn man sich zu einem solchen Prinzip be
kennt, daß man daraus den Schluß zieht, es sei in dem
ohnehin sehr weitgesteckten Rahmen unserer verfassungs
mäßigen Ordnung nun auch nicht mehr zulässig, im ein
zelnen bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst oder
wo sonst auch immer die Frage einer verfassungswidrigen
Betätigung zu überprüfen. Für mich persönlich gibt es
keinen Zweifel daran: Wenn jemand einer politischen Orga
nisation oder einer politischen Partei angehört, deren Ziel
es ist, mittels der Gewalt oder mittels der Revolution von
rechts oder von links diese freiheitlich-demokratische
Grundordnung zu beseitigen, dann begründet dies selbst
verständlich — und das brauchten nicht erst die Minister
präsidenten zu sagen — doch wohl mindestens einen ernst
haften Zweifel daran, ob man sich auf die Verfassungstreue
des Betreffenden noch verlassen kann und ob er in Zukunft
für deren Erhaltung eintreten wird.
Wenn wir dies alles erkennen, daß es hier im Grunde
genommen nur um eine — wenn Sie so wollen — Bestäti
gung der Rechtslage und eine Vereinbarung der Verwal
tungspraxis geht, auf der anderen Seite sich jede Regierung
an den gesetzlichen Bestimmungen messen lassen muß, da
kann man vielleicht im einzelnen hier nur noch folgendes
sagen: Es bleibt — und auch das hat der Innensenator aus
geführt und auch der Kollege Haus — in jedem konkreten
Einzelfall die Pflicht, die subjektiven und objektiven Vor
aussetzungen verfassungsfeindlicher Betätigung festzustel
len, wobei, wie wir alle wissen, die Rechtslage unterschied
lich ist, je nachdem, ob es sich um eine Einstellung oder um
eine Entfernung aus dem öffentlichen Dienst handelt. Und
die Sonde der Kritik darf natürlich bei der Einstellung
unter Umständen sehr viel strenger sein, als wenn es um
die Frage geht: Wie werde ich einen Mann wieder los, der
sich im öffentlichen Dienst befindet und der für diese frei
heitlich-demokratische Grundordnung nachgewiesener
maßen nicht eintritt ?
Wir sollten aber auch noch vielleicht etwas anderes sagen,
und da gehe ich jetzt etwas über das hinaus, was hier ge
sagt worden ist. Wir sollten, glaube ich, doch auch der Ehr
lichkeit halber verlangen, auch dann, wenn es im konkreten
Falle Schwierigkeiten macht, daß derjenige, der aus solchen
Gründen als Bewerber für den öffentlichen Dienst abgelehnt
wird, eine dementsprechende Begründung erhält. Ich weiß,
wie schwierig das im Einzelfall sein kann, Herr Bürger
meister, aber ich meine, auch dies dient der Sicherheit ln
unserem freiheitlichen Rechtsstaat; denn sollte sich her-
ausstellen — wir wissen, es gibt ja keinen Anspruch auf
Einstellung in den öffentlichen Dienst —, daß bei einer