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Volume Nr. 32, 29.06.72

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1972, 6. Wahlperiode, Band II, 22.-42. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
S2. Sitzung vom 29. Juni 1972 
1120 
Maoisten oder mit Spätnationalsozialisten. Da ist die 
Grenze. Die kommen nicht in den öffentlichen Dienst. 
(Abg. Dr. Behrendt: Sind doch drin!) 
Da muß dann eingeschritten werden. Soweit sie drin sind 
und es dort konkret wird, das hat Herr Neubauer gesagt, 
da wird das Notwendige getan. Allerdings wird es sehr viel 
seltener griffig, als man meint, und im Hochschulgebiet ist 
ein Zusatzsockel an Problematik vorhanden. Es ist auch ein 
Unterschied, ob ich irgendwo in der Innenverwaltung 
hoheitliche Verwaltung treibe oder ob ich Lehrmeinungen 
an der Universität vertrete. Selbst da ist noch eine Spann 
weite für den Umgang mit Leuten, die extreme oder radi 
kale Meinungen vertreten. Gerade wir Sozialdemokraten — 
darf ich das nochmals so ganz einfach sagen — haben aus 
einer wirksamen Auseinandersetzung mit Kommunisten 
unsere Erfahrung, und man wird nicht sagen können, daß 
Sie uns an dieser Stelle nicht auf der Seite der härtesten 
Verteidiger der Demokratie finden. Aber eine Unsicherheit 
und Gefährdung unserer Grundrechte durch nervöses, kli 
scheehaftes Reagieren gegenüber kritischen Bewerbern für 
den öffentlichen Dienst lehnen wir ab. Wir halten die Ant 
wort des Innensenators — und ich würde bitten, sie not 
falls nochmals nachzulesen — für zutreffend. Wir glauben, 
daß wir nun einmal geraume Zeit praktizieren sollten, 
was da formuliert ist, und es nicht schon wieder in EUe mit 
„neffenhafter“ Fagetechnik demnächst hochbringen sollten. 
Dazu ist dies alles im Grunde auch wieder zu ernst. Vielen 
Dank. 
(Beifall bei der SPD) 
Stellv. Präsident Hoppe: Das Wort hat Herr Abgeord 
neter Oxfort. 
Oxfort (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Namens der Fraktion der FX).P. möchte ich den 
grundsätzlichen Teil der Ausführungen des Innensenators 
— und nur zu ihm möchte ich hier sprechen — ausdrücklich 
begrüßen. Es gibt gar keinen Zweifel daran — und dies 
sollte allerdings in diesem Hause nicht streitig sein —, daß 
Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst nichts zu suchen 
haben, und es gibt in diesem Sinne auch keinen Zweifel 
daran, um auch hier ein deutliches Wort zu sprechen, daß 
die Beschlüsse der Ministerpräsidenten der Länder nicht 
verfassungswidrig sind. 
Das Problem, mit dem wir uns zu befassen haben — und 
es ist eigentlich in allen Reden hier schon angeklungen, die 
vor mir gehalten worden sind —, ist in der Tat zweierlei 
Art. Das eine Problem ist dies: Welches ist die geeignete 
Methode, um dafür zu sorgen, daß nicht plötzlich in unserer 
Gesellschaft solche Personen Hoheitsrechte über andere 
Bürger ausüben, die sich zu dem weiten Spielraum unserer 
Verfassung nicht bekennen? Und das zweite Problem ist; 
Wie kann man andererseits dazu beitragen, daß die Art 
und Weise, wie man mit diesem Problem in der Öffentlich 
keit umgeht, nicht eine unnötige Hysterie im Lande erzeugt. 
Lassen Sie mich zunächst zum ersten Problem etwas 
sagen, also insbesondere hier zu den aufgeworfenen Fra 
gen zu den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz. 
Der Innensenator hat zu Recht darauf hingewiesen, daß 
diese Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz eigent 
lich nichts Neues gebracht haben, daß sie nämlich — und 
auch das muß erwähnt werden — das geltende Recht in 
keiner Weise verändern. 
(Abg. Lorenz: Sehr richtig!) 
Das, was es im Bereich des Beamtenrechts oder auch für 
den sonstigen Bereich des öffentlichen Dienstes an arbeits 
rechtlichen Bestimmungen schon lange vorher und eigent 
lich schon immer gegeben hat, ist durch die Beschlüsse 
der Ministerpräsidentenkonferenz in keiner Weise ver 
ändert worden. 
Die Beschlüsse der Ministerpräsidenten haben, wenn man 
es so sagen darf, zweierlei Bedeutung. Sie haben einmal 
eine politische Meinungsäußerung zum Gegenstand gehabt, 
mit der man in einer Situation, in der dies plötzlich ein 
öffentliches Problem zu sein schien, eine politische Bekun 
dung machen wollte. Und sie haben zum zweiten sicherlich 
die Funktion der Vereinbarung einer gemeinsamen Ver 
waltungspraxis. Dies ändert — und das wissen wir ja alle — 
nichts daran — aber es muß auch mal nach draußen ge 
sagt werden —, daß die Verwaltung, die im konkreten Ein 
zelfall zu entscheiden hat, sich allein am Gesetz orientieren 
muß und daß sie sich, soweit sie der verwaltungsgericht 
lichen Kontrolle unterliegt, auch am Gesetz messen lassen 
muß. 
Nun wird sehr oft in diesem Zusammenhang davon ge 
sprochen, daß es ja unmöglich sei, jemand den Vorwurf 
machen zu wollen, er beteilige sich an einer verfassungs 
feindlichen Organisation oder Partei, obwohl doch diese 
politische Partei oder Organisation bisher nicht verboten 
worden sei. In diesem Zusammenhang wird vielleicht 
manchmal mit Recht, zum größten Teil sicherlich mit Un 
recht, dabei die Frage aufgeworfen, ob der zuständige 
Innenminister in dieser Frage nicht überfordert ist und ob 
er es nicht vielleicht sogar mißbrauchen könnte, wenn ihm 
hier ein solches Recht zugestanden wird. 
In dieser Problematik steckt doch zunächst das Problem, 
daß sich jedenfalls die gegenwärtige Bundesregierung, und 
hier auch in einzelnen Fragen bereits der Senat von Berlin 
— und zwar in beiden Fällen mit unserer Zustimmung —, 
entschlossen hat, das Mittel eines Verbotes nicht als das 
geeignete politische Mittel zur Bekämpfung einer extre 
men Organisation oder Partei anzusehen. Die F.D.P. hat 
immer zu denen gehört, die gesagt haben, das Verbot der 
Kommunistischen Partei Deutschlands im Jahre 1956 durch 
das Bundesverfassungsgericht ging zwar rechtlich in Ord 
nung, aber es war politisch unklug, diesen Schritt zu tim. 
Nun darf man aber natürlich nicht verlangen, meine Damen 
und Herren, wenn man sich zu einem solchen Prinzip be 
kennt, daß man daraus den Schluß zieht, es sei in dem 
ohnehin sehr weitgesteckten Rahmen unserer verfassungs 
mäßigen Ordnung nun auch nicht mehr zulässig, im ein 
zelnen bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst oder 
wo sonst auch immer die Frage einer verfassungswidrigen 
Betätigung zu überprüfen. Für mich persönlich gibt es 
keinen Zweifel daran: Wenn jemand einer politischen Orga 
nisation oder einer politischen Partei angehört, deren Ziel 
es ist, mittels der Gewalt oder mittels der Revolution von 
rechts oder von links diese freiheitlich-demokratische 
Grundordnung zu beseitigen, dann begründet dies selbst 
verständlich — und das brauchten nicht erst die Minister 
präsidenten zu sagen — doch wohl mindestens einen ernst 
haften Zweifel daran, ob man sich auf die Verfassungstreue 
des Betreffenden noch verlassen kann und ob er in Zukunft 
für deren Erhaltung eintreten wird. 
Wenn wir dies alles erkennen, daß es hier im Grunde 
genommen nur um eine — wenn Sie so wollen — Bestäti 
gung der Rechtslage und eine Vereinbarung der Verwal 
tungspraxis geht, auf der anderen Seite sich jede Regierung 
an den gesetzlichen Bestimmungen messen lassen muß, da 
kann man vielleicht im einzelnen hier nur noch folgendes 
sagen: Es bleibt — und auch das hat der Innensenator aus 
geführt und auch der Kollege Haus — in jedem konkreten 
Einzelfall die Pflicht, die subjektiven und objektiven Vor 
aussetzungen verfassungsfeindlicher Betätigung festzustel 
len, wobei, wie wir alle wissen, die Rechtslage unterschied 
lich ist, je nachdem, ob es sich um eine Einstellung oder um 
eine Entfernung aus dem öffentlichen Dienst handelt. Und 
die Sonde der Kritik darf natürlich bei der Einstellung 
unter Umständen sehr viel strenger sein, als wenn es um 
die Frage geht: Wie werde ich einen Mann wieder los, der 
sich im öffentlichen Dienst befindet und der für diese frei 
heitlich-demokratische Grundordnung nachgewiesener 
maßen nicht eintritt ? 
Wir sollten aber auch noch vielleicht etwas anderes sagen, 
und da gehe ich jetzt etwas über das hinaus, was hier ge 
sagt worden ist. Wir sollten, glaube ich, doch auch der Ehr 
lichkeit halber verlangen, auch dann, wenn es im konkreten 
Falle Schwierigkeiten macht, daß derjenige, der aus solchen 
Gründen als Bewerber für den öffentlichen Dienst abgelehnt 
wird, eine dementsprechende Begründung erhält. Ich weiß, 
wie schwierig das im Einzelfall sein kann, Herr Bürger 
meister, aber ich meine, auch dies dient der Sicherheit ln 
unserem freiheitlichen Rechtsstaat; denn sollte sich her- 
ausstellen — wir wissen, es gibt ja keinen Anspruch auf 
Einstellung in den öffentlichen Dienst —, daß bei einer
	        
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