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Volume Nr. 32, 29.06.72

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1972, 6. Wahlperiode, Band II, 22.-42. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
83. Sitzung vom 39. Juni 1973 
1098 
oder andere mögen sagen: Das ist eine Reaktion, wie wir 
sie in all den Jahren immer wieder und stereotyp von den 
Oppositionsbänken gehört haben. 
(Zuruf von der CDU: Zur Sache!) 
Ich persönlich nenne das: Eine gespenstische Debatte. 
(Beifallbeider SPD) 
2. Wenn angesichts der Tatsache, daß nach vier von fünf 
Verfahren der Reisevereinbarung schon Hunterttausende 
zu ihren Freunden und Verwandten gefahren sind 
(Zurufe von der CDU) 
und in naher Zukunft fahren werden, wenn angesichts einer 
voll funktionierenden Transitregelung, 
(Abg. Dr. Behrendt: Plumpes Ablenkungsmanöver!) 
die tagtäglich für jeden überprüfbar ist, und wenn dann an 
einem Punkte, der wichtig bleibt, die Sache noch nicht 
klappt, tatsächlich jemand behaupten will, die Vereinbarun 
gen, die wir mit der DDR abgeschlossen haben, seien ent 
täuschend für alle Berliner, dann mögen andere sagen: Das 
geht am Denken und Fühlen der Menschen in Ostberlin, in 
West-Berlin und in der DDR vorbei; oder sie mögen sagen: 
Das geht genauso an ihrem Denken und Fühlen vorbei, 
wie das Nein der Berliner CDU zu den Passierscheinregelun 
gen 1963. 
(Beifall bei der SPD) 
Ich halte das jedenfalls für „gespenstisch“, was hier an 
geführt wird. 
(Zurufe von der CDU) 
3. Wenn man die Erklärungen der Berliner Parteien im 
Dezember 1971 bei Abschluß der Vereinbarung vergleicht 
mit ihren Erklärungen heute und dabei feststellt, was da 
mals — orientiert am gleichen Text wie heute— an Beden 
ken und an Vorwürfen vorgetragen wurde, 
(Zurufe) 
und wenn man hört, was man heute dem Senat und dem 
Regierenden Bürgermeister vorwirft, und wenn man sieht, 
wie der Franktionsvorsitzende der CDU damals schon auf 
zwei Punkte hingewiesen hat, die nicht nur mögliche 
Schwierigkeiten in der Praxis mit sich bringen werden, 
nämlich die Mißbrauchsregelung und die Sofortbesuche, 
wenn er damals schon versuchte, geschickt, wie er mm ein 
mal ist — mein Kompliment, Herr Lummer —, die Leim 
rute auszulegen, um gestützt auf diese beiden Punkte hier 
und in Zukunft das Berlin-Abkommen und die Gesamt 
politik des Senats und der Bundesregierung zu bekämpfen, 
wenn man sich dies alles in Erinnerung ruft, dann mögen 
andere meinen, Anhänger der Politik der Bundesregierung 
erkennt man wohl nicht allein daran, daß sie lauthals und 
mit schönen Worten lediglich sich zu dem bekennen, was 
reibungslos funktioniert, was ohne Schwierigkeiten und frei 
von Komplikationen läuft, sondern Anhänger der Bundes 
regierung wird man besonders daran erkennen, wie sie sich 
au,ch und gerade angesichts von Komplikationen und 
Schwierigkeiten verhalten. 
(Zuruf von der SPD; Sehr gut! — Beifall bei der SPD) 
Oder andere werden dem Herrn Franktionsvorsitzenden der 
CDU gratulieren, daß es ihm gelungen ist, seine Kollegen 
von der F.D.P. auf diesen Abweg zu führen. 
(Beifall bei der SPD — Heiterkeit bei der CDU) 
Ich persönlich erlaube mir, das als „gespenstisch“ zu be 
zeichnen. 
Was allerdings das Grundmotiv der antragstellenden 
Fraktion zu dieser Aktuellen Stunde betrifft, nämlich die 
Beschwerde über eine sogenannte Parlamentsschelte des 
Regierenden Bürgermeisters, so möchte ich dazu sagen: 
1. Ich habe meine Meinung zur Debatte in der Öffentlich 
keit insgesamt gesagt, ich habe mich nicht und auch nicht 
speziell zu den Erörterungen im Abgeordnetenhaus von 
Berlin geäußert. 
2. Unabhängig davon nehme ich mir allerdings das Recht, 
auch in Zukunft, ob als Regierender Bürgermeister, ob als 
Mitglied des Abgeordnetenhauses aus Neukölln oder als 
Bürger unserer Stadt, meine Meinung auch zu Stil und 
Charakter von Erörterungen im Abgeordnetenhaus von 
Berlin zu sagen. 
3. Ich denke, es dabei zu belassen, und ich bin auch in 
Zukunft nicht bereit, mir einen Maulkorb umhängen zu 
lassen, auch dann nicht, wenn er schein-liberal verpackt 
ist. 
(Beifall bei der SPD — Buh-Rufe — 
Unruhe bei der FJO.P. und der CDU) 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Herr Abgeordnete 
Hoppe. 
Hoppe (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! In den letzten Tagen und Wochen und auch soeben 
wieder sind wir Zeuge eines erstaunlichen Vorgangs gewor 
den. 
(Beifall bei der SPD) 
— Sie sollten sich Ihren Beifall noch ein bißchen auf- 
heben. — 
(Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU) 
Der Regierende Bürgermeister dieser Stadt spricht zwar 
viel von seiner parlamentarischen Verantwortung, aber er 
versucht gleichzeitig alles, um sich durch Vernebelung des 
Sachverhalts und eine besondere Verzögerungstaktik die 
ser Verantwortung zu entziehen. 
(Sehr richtig; — bei der F.D.P. — 
Beifall bei der F.D.P.) 
Er handelt nach der Methode: Haltet den Dieb! Wir haben 
nicht die Absicht, dieses Spiel mitzuspielen. 
(Beifall bei der FX>.P.) 
Meine Damen und Herren! Jeder in diesem Hause hat zu 
entscheiden, wo er seine Grenze in diesem Spiel ziehen will. 
Wir haben jedenfalls nicht die Absicht, uns von dem Regie 
renden Bürgermeister für dumm verkaufen zu lassen. 
(Sehr richtig! — bei der F.D.P.) 
Herr Schütz ist es gewesen, der die-von ihm so bezeich- 
neten und gerühmten Sofortbesuche zu seinem zentralen 
Erfolg gemacht hat. Wahrscheinlich brauchte er dieses Er 
folgserlebnis. Er hat aber mit seinen großsprecherischen 
Formulierungen Erwartungen für Sofortbesuche geweckt 
und Enttäuschungen geerntet. Wenn ihm diese Situation 
nun Kritik einbringt, versucht er, die Dinge umzudrehen 
und seine Kritiker anzuklagen. 
(Abg. Oxf Ort: Sehr richtig!) 
Sie — die Kritiker — würden, so behauptet er, einen 
Nebenpunkt der Vereinbarung überbewerten. Sie würden 
sich in eine Nebensächlichkeit verbeißen und dadurch die 
ganze schöne Ostpolitik und das Viermächte-Abkommen ln 
Mißkredit bringen. 
(Zurufe von der SPD) 
Meine Damen und Herren! Diese Politik, die mit Unter 
stützung unserer Alliierten durchgesetzt werden konnte und 
die internationale Anerkennung erfahren hat, ist weder 
durch Klaus Schütz, 
(Zuruf von der SPD: Doch!) 
noch durch die berechtigte Kritik an seinem Fehlverhalten 
in Frage zu stellen. 
i 
(Zuruf von der F.D.P.: Sehr gut! — Beifall)
	        
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