Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
31. Sitzung vom 23. Juni 1972
Frage der Bundespräsenz in Berlin offenbar Einmütigkeit
in diesem Hohen Hause besteht. Dennoch ist der in Rede
stehende Vorgang hier allein schon ausreichend, um die
heutige Debatte zu rechtfertigen, um wieviel mehr aber ist
diese Debatte notwendig, als es sich hier nicht um einen
Einzelvorgang handelt.
Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang
darf ich erinnern, daß der Herr Regierende Bürgermeister
in der letzten Sitzung dieses Hohen Hauses davon ge
sprochen hat — ich darf zitieren mit der Genehmigung des
Herrn Präsidenten —, daß „... das Gerede von der soge
nannten Kapitulation, dem Ausverkauf der Stadt und so
weiter“ nicht zum Tragen komme. Er hat weiter ein
Programm in neun Punkten für den Ausbau dieser Stadt
genannt, und er hat im Punkt 8 ausführlich gesagt — ich
darf auch dieses zitieren mit Genehmigung des Herrn
Präsidenten —: „Dabei wird gewiß auch in Zukunft möglich
sein müssen, die eine oder andere neue Behörde des Bundes,
beispielsweise ein geplantes Bundesamt für Umweltschutz,
in Berlin einzurichten“.
Meine Damen und Herren! In der Tat, wenn diese Stadt
neue Aufgaben bekommen soll, welche denn dann anders
als die, die möglichst ideologisch frei und neutral sind?
Das sind die Aufgaben der Wissenschaft. Und deshalb
nehmen wir mit großer Sorge zur Kenntnis, daß ein inter
national bekanntes und anerkanntes Institut in Berlin, das
dem Umweltschutz dient, aufgelöst und seine wesentlichen
Bestandteile aus Berlin ausgelagert werden sollen, daß ein
angegliedertes Institut für Abfallbeseitigung umgewandelt
werden soll in ein Institut für Abfallwirtschaft, für dessen
Standort sich einige westdeutsche Städte bereits angemel
det haben. Die Stadt Berlin hat ein solches Anerbieten,
dieses Institut hierherzuholen, bisher noch nicht an die
zuständigen Stellen gerichtet. Ich wäre dankbar, Herr
Regierender Bürgermeister, wenn Sie in diesem Sinne die
Bundespräsenz verstärken würden und dem Versuch eines
Abbaus, wie er derzeit auf diesem Gebiet läuft, sehr kräftig
entgegenwirkten.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Schulze.
Schulze (SPD); Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich darf hier doch ein wenig Verwunderung aus-
drücken, daß hier eine Sache zum Anlaß genommen wird,
um eine Debatte zu führen, die in der Sache eigentlich gar
keine Debatte ist.
Herr Senator Grabert hat hier die Erklärung abgegeben,
und ich muß sagen, ich wundere mich eigentlich ein
bißchen über die CDU-Fraktion, die sich schon im Aus
schuß nicht ganz einig war, ob sie überhaupt diesem
Initiativantrag der SPD zustimmen sollte, weil sie den
Vorgang gar nicht betrachten wollte, weil sie meinte: Na ja,
man muß doch eigentlich ein bißchen Offenheit drinlassen,
damit jeder mal ein bißchen disponieren kann. Jetzt wird
also hieraus eine Diskussion gemacht, die im Grunde ge
nommen eine Hilfsdiskussion ist, um ein bißchen was an
deres zu verschleiern, würde ich mal sagen. Es wäre viel
leicht doch ganz sinnvoll, wenn die Mitglieder des Aus
schusses der CDU wenigstens die Fraktionsführung unter
richten würden, was im Ausschuß beschlossen worden ist,
damit hier nicht solche Hilfsdebatten geführt werden.
Außerdem, meine ich, kann diese Debatte auch nicht dazu
dienen, hier besonderes Mißtrauen gegenüber der Bundes
regierung zu erzeugen; denn die Bundesregierung hat, so
lange sie unter sozial-liberaler Führung ist, bewiesen, daß
sie für diese Stadt einsteht.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Präsident Sickert: Herr Abgeordneter Rasch hat ver
zichtet. — Herr Abgeordneter Wronski!
Wronski (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Zunächst das erfreulich Gemeinsame: Wir nehmen
selbstverständlich befriedigt zur Kenntnis, daß die Berliner
Parlamentarier in dieser Sache eine gemeinsame Meinung
haben. Das ist das erste. Das zweite, was ich feststellen
möchte — und das gilt eigentlich als Replik auf den Beitrag
des Kollegen Dr. Riebschläger —: Herr Kollege Dr. Rieb-
schläger, es ist gleichzeitig festzustellen, daß diese ge
meinsame Willensäußerung der Parlamentarier doch eine
Form der Kritik an den Absichten des Herrn Bundes
ministers gewesen ist, zumindest seiner Abteilung. So muß
es und so soll es auch verstanden werden. Ich freue mich
darüber, daß in Berlin die Gemeinsamkeit in solchen Dingen
herstellbar und vorhanden ist.
Wenn Sie aber versuchen, Herr Kollege Dr. Riebschläger,
hier die Sache — ja, man muß es sagen — so herunter
zuspielen, indem Sie meinen, das Ganze sei eine aufgeblähte
Geschichte, dann möchte ich nur darauf verweisen, daß wir
alle hier in Berlin so sensibel sein und bleiben müssen, wie
wir es bisher waren, wenn es darum ging, die Bindungen
Berlins zum Bund zu verdichten und zu bewahren. Und aus
dieser Sensibilität ist jede politische Aussage hier in diesem
Hause und auch die jetzige Debatte, die darüber geführt
wird, von Wirksamkeit, und ich bin überzeugt davon, daß
dem gemeinsamen Anliegen auch mit dieser Debatte hier
heute Rechnung getragen wird und daß diesem gemein
samen Anliegen genutzt wird. Ich bin überzeugt davon, daß
die zuständigen Herren in dem Ministerium sich auch vom
Ausgang und von dem Tenor dieser Debatte beeindrucken
lassen werden.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Rasch.
Basch (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Wenn man die Diskrepanz zwischen den Äußerun
gen des Kollegen Lummer und den Äußerungen des Kol
legen Wronski sieht, muß man sich fragen; Wozu war
eigentlich diese Aktuelle Stunde notwendig? Denn wenn
diese Diskrepanz so schnell überbrückt werden kann von
dem, was hier bisher geäußert worden ist, dann muß ich
sagen, dann war in dem Problem, so wie es hier vom
Kollegen Lummer vorgetragen worden ist, keine Luft drin.
(Abg. Dr. Riebschläger: Sehr richtig!)
Das sollte man hier ganz deutlich sehen. Herr Kollege
Wronski hatte ja schon zu unserer großen Freude fest
gestellt, daß in diesem Punkt keine Meinungsverschieden
heiten in diesem Hause bestehen. Wir begrüßen das ebenso,
(Abg. Lorenz; Es ist doch nicht der Sinn der Aktuellen
Stunde, hier Meinungsverschiedenheiten auszutragen!)
und der Ausschuß für Bundesangelegenheiten, Herr Kol
lege Lorenz, hat sich ja schon — begrüßenswerterweise
mit Zustimmung Ihrer Fraktion — eindeutig in dieser
Sache geäußert. Vielleicht könnten wir uns in manchen
Punkten, in denen eine Gemeinsamkeit besteht, auch eine
Arbeitsteilung erleichtern, indem wir derartige Fragen,
wenn sie schon im zuständigen Ausschuß erledigt worden
sind, hier nicht auch noch künstlich garkochen.
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter
Dr. Biel.
Dr. Biel (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Die Diskussion zeichnet sich dadurch aus, daß der
Angeklagte abwesend ist. Der Angeklagte ist nämlich nicht
der Senat, sondern die Bundesregierung.
(Abg. Stobbe: Wieso denn?)
Die Bundesregierung hat jedenfalls mit ungeheurer Un
geschicklichkeit in einem Zeitpunkt, wo die Interpretation
des noch jungen Viermächte-Abkommens über Berlin zur
Diskussion steht, die vollen Möglichkeiten dieses Abkom
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