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Volume Nr. 30, 08.06.72

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1972, 6. Wahlperiode, Band II, 22.-42. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
SO. Sitzung vom 8. Juni 1973 
1024 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Regierende Bürger 
meister. 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident! 
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich zu 
einigen Fragen, die aufgeworfen sind, etwas sagen: 
1. Wir haben im Dezember eine Vereinbarung abge 
schlossen und ein Verfahren über Besuche und Reisen ver 
einbart. Wir haben darüber mit vollen Texten, die wir vor 
gelegt haben, dem Abgeordnetenhaus von Berlin einen Be 
richt erstattet. Nicht unsere Interpretation, nicht die In 
terpretation des Regierenden Bürgermeisters, sondern die 
Texte, so wie sie Vorlagen, sind die Geschäftsgrundlage der 
Entscheidung gewesen. Aufgrund dieser Texte haben Sie, 
Kollege Lummer, und die CDU-Fraktion nein gesagt zu 
der Regelung über Reisen und Besuche. Aufgrund dieser 
Texte haben andere sich dazu bekannt. Dies ist der Punkt. 
Hier geht es nicht um Auslegungen, die damals oder in der 
einen oder anderen Veröffentlichung drin waren, sondern 
wir alle haben zum Zeitpunkt die gleiche Geschäftsgrund 
lage unserer Entscheidungen gehabt. 
Präsident Sickert: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, 
Herr Regierender Bürgermeister? — Herr Oxfort! 
Oxfort (F.D.P.); Herr Regierender Bürgermeister! Ver 
stehe ich Ihre Ausführungen richtig, daß über den Text 
der Vereinbarungen zwischen dem Senat und der Regierung 
der DDR und den anschließenden Protokollvermerk hinaus 
keine weitere, auch keine weitere mündliche Vereinbarung 
getroffen worden ist ? 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Im Grunde genom 
men sage ich: Sie verstehen zu Recht. Ich komme nur an 
einen Punkt, wo ich eine zusätzliche Frage beantworte, die 
Sie gestellt haben. Ich muß nur hier erst einmal deutlich 
machen: Jedem lag bei seiner Entscheidung die gleiche 
Voraussetzung vor. Und aufgrund dieser Voraussetzungen 
ist damals unterschiedlich in diesem Haus entschieden wor 
den. Die CDU hat nein gesagt, die Sozialdemokraten haben 
ja gesagt, und an Ihre Entscheidung erinnere ich mich 
nicht mehr, Herr Oxfort. Aber das liegt in der Situation, 
vor der wir damals standen. 
(Heiterkeit bei der SPD) 
Das heißt, wir haben also hier einen Text gehabt 
Präsident Sickert: Gestatten Sie eine weitere Zwischen 
frage, Herr Regierender Bürgermeister ? 
Oxfort (F.D.P.): Herr Regierender Bürgermeister! Dür 
fen wir Ihre beklagenswerten Erinnerungslücken als sym 
ptomatisch für dieses gesamte Verfahren ansehen? 
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU) 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Kollege Oxfort, 
wie andere Passagen Ihrer Rede will ich auch diese Frage 
mit der notwendigen Milde übergehen, der ich mich anpas 
sen will, weil ich es in der Tat ein bißchen eigentümlich 
finde, wie Sie in einer Diskussion wie dieser — aber das 
haben wir ja im Dezember schon mal erlebt — dem Ver 
such nicht widerstehen können, in auch schwierigen Dingen 
— das war ja im Dezember so, erinnern Sie sich daran — 
sich den Beifall in diesem Hause von der — wie Ich meine 
— falschen Seite zu holen. Und dazu möchte ich Ihnen 
dieses hier gesagt haben. 
(Beifall bei der SPD) 
Das heißt, es ist hier nicht entschieden worden aufgrund 
einer Interpretation des Senats oder einer Deutung des 
Regierenden Bürgermeisters, sondern aufgrund von Texten, 
die Vorgelegen haben, und deshalb will ich mich — aller 
dings entscheidend — hier auch in meiner Antwort darauf 
beziehen. Das heißt, allen lagen die Texte vor, und — da 
mag man sich noch so erregen hier in der Debatte — an 
dem, was ich in meinem ersten Punkt gesagt habe, und 
was sich entscheidend deshalb auf Ziffer 4 c des Protokoll 
vermerks der Vereinbarung stützt, kommen wir auch in 
dieser Debatte nicht vorbei und — was jetzt im Augenblick 
höchstwahrscheinlich noch wichtiger ist — kommt auch 
die DDR in den vor uns liegenden, jetzt zu führenden und 
jetzt schon im Stadium der Führung befindlichen Verhand 
lungen nicht vorbei. In Ziffer 4 c steht das drin, was ich in 
meinem ersten Punkt gesagt habe: 
1. Es können Anträge persönlich gestellt werden. 
2. Sie werden unverzüglich bearbeitet. 
3. Die ausgestellten Berechtigungsscheine werden — ich 
nehme jetzt mal das Postverfahren beiseite — sofort aus 
gehändigt. 
Dies ist die Grundlage, aufgrund deren wir nach den 
Verhandlungen und dem Verhandlungsablauf davon aus 
gehen konnten und ausgegangen sind, daß das Sofortver 
fahren vorliegt. Und ich würde meinen — ich möchte den 
Einwand noch einmal klar unterstreichen, den ich vorhin 
versucht habe darzubringen in meiner Präsentation —, wir 
tun gut daran, in einem Augenblick, in dem auch die DDR 
in ihren schärfsten Erklärungen diesem Grundsatz nicht 
widersprochen hat, dann, wenn es darum geht, diesen 
Grundsatz nicht so restriktiv zu praktizieren, wie er von 
ihr praktiziert wird, nicht in diesem Haus etwa daran zu 
gehen, diese grundsätzliche Übereinstimmung in Frage zu 
stellen. Und deshalb, um, Kollege Lummer, gleich auf 
einen Ihrer Punkte zu antworten, scheue ich mich nicht zu 
sagen, auch nach einem Kontakt mit meinem Freund Kurt 
Mattick, daß er in diesem Punkte geirrt hat, als er sich 
geäußert hat. Und ich gehe davon aus, daß Herr Mattick — 
ich rufe ihn nicht zu einem Dementi auf — versteht, aus 
welcher Kenntnis des Textes heraus ich dieses hier er 
kläre. Um es also klar zu sagen: Für uns und für die, die 
dieser Vereinbarung zugestimmt haben über Reisen und 
Besuche, war also klar, daß das Sofortverfahren eines der 
fünf zur Verfügung stehenden Verfahren ist. Dabei sind 
zwei Fragen im engeren vom Kollegen Oxfort gestellt wor 
den, die möchte ich versuchen zu beantworten. Die eine ist 
einfach zu beantworten, nämlich wie das mit den Tou 
ristenreisen ist. Das ist nun klar aus dem Text dieser von 
mir eben zitierten Ziffer 4 c des Protokollvermerks zu ent 
nehmen, der behandelt im wesentlichen das Problem der 
Touristenreisen. Es kann also gar kein Zweifel sein. Das 
zweite ist die zahlenmäßige Frage. Das ist in der Tat — 
und das ist auch ein schwieriger Punkt bei der zahlenmäßi 
gen Größe dieses Vorgangs — ein Punkt gewesen, über 
den wir uns . alle im klaren gewesen sind, als wir uns ent 
schieden haben, daß dieses nicht ein Verfahren sei, durch 
das — sagen wir einmal — ein vergleichbarer Massenvor 
gang wie der zu Ostern oder zu Pfingsten in Zukunft abge 
fertigt werden kann. Das wußten' wir alle, denn in der 
Vereinbarung steht beispielsweise drin, wieviel Mitarbeiter 
die DDR in ihren Büros haben wird. Daraus kann man 
ablesen, in welcher Größenordnung der Antragsbearbei 
tung es sich vollziehen wird. Es werden also dort nicht die 
600- oder 700 000 Anträge bearbeitet werden, sondern es 
wird immer, gemessen an den anderen großen — quanti 
tativ großen — Verfahren, ein Verfahren sein, das auch 
zahlenmäßig anders aussieht. Das wußte jeder und weiß 
jeder; daß also ein Sofortverfahren mit sechs Bediensteten 
der DDR, am Sonnabend und am Sonntag drei Stunden 
geöffnet, bedeutet, daß es zahlenmäßig Begrenzungen ha 
ben wird. Daß diese zahlenmäßige Begrenzung weit über 
dem liegt, was beispielsweise am Sonntag an Wunsch da 
war, den Sofortschein zu bekommen, das ist von uns 
genauso klar gesagt worden, wie es, wenn ich es richtig 
sehe, auf allen Seiten des Hauses einheitlich mit dem Senat 
beurteilt wurde. Das — jetzt auf die Gefahr hin, daß das 
nicht so präzis aussieht — halte ich und das halten wir in 
diesem Stadium unserer Gespräche auch mit der DDR für 
nicht vertragskonform. 
Und deshalb — dies sei mein zweiter Punkt, Kollege 
Lummer, auf eine Frage, die Sie gestellt haben — 
sind wir auch dabei — und darf ich darauf hinweisen, daß 
ich versucht habe, das deutlich zu machen —, die in der 
Vereinbarung und im gesamten Berlin-Abkommen, Vier
	        
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