Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
22. Sitzung vom 20. Januar 1972
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weiterbehandelt werden. Der Fachbereichsrat konnte dann
auch alle die Fragen, die mit dieser Berufung Zusammen
hängen, äußerlich ordnungsgemäß erledigen. Das Ergebnis
ist gestern abschließend im Fachbereichsrat beschlossen
worden.
Präsident Sickert: Weitere Zusatzfragen? — Das ist
nicht der Fall.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Zimmer zu einer
Mündlichen Anfrage über Mitarbeiterkollektiv des hand
drugstore.
Zimmer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Ich frage den Senat:
Ist dem Senat bekannt, daß das Mitarbeiterkollektiv des
hand drugstore die Protesterklärung des Sozialistischen
Zentrums gegen die jugoslawischen Behörden, die Inga
Buhmann und Herbert Nagel wegen Sprengstofftransports
inhaftierten, unterzeichnet hat ?
Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung hat Frau
Senator Reichel.
Frau Reichel, Senator für Familie, Jugend und Sport:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeord
neter Zimmer! Dem Senat ist bekannt, daß der Republika
nische Club e. V. Berlin in einem offenen Brief an die jugo
slawische Militärmission gegen die Verhaftung von Inga
Buhmann und Herbert Nagel protestierte. Diesem Protest
haben sich zahlreiche Einzelpersönlichkeiten, Gruppen und
Verbände, u. a. auch das Mitarbeiterkollektiv des hand
drugstores, angeschlossen. Dies ist uns bekannt.
Präsident Sickert: Eine Zusatzfrage? — Herr Abgeord
neter Zimmer!
Zimmer (CDU); Frau Senator, sind Sie der Auffassung,
daß dieses Kollektiv für eine weitere Tätigkeit in der
Jugendarbeit und Jugenderziehung geeignet ist ?
Präsident Sickert: Frau Senator Reichel!
Frau Reichel, Senator für Familie, Jugend und Sport:
Hier sind zwei verschiedene Bereiche zu beachten. Neben
dieser einen Aktion hat sich das Mitarbeiterkollektiv einer
äußerst schwierigen sozial-pädagogischen Aufgabe mit er
heblichen Engagement angenommen, nämlich mit Straf
entlassenen Jugendlichen und — wie wir im Fachjargon
sagen — Trebegängern zu arbeiten. Eine solche Tätigkeit
halte ich ergänzend zu den vielen öffentlichen Maßnahmen,
die wir haben, für wichtig in unserer Stadt, und in dieser
Tätigkeit würden wir das Kollektiv, wenn es weiterhin be
reit und in der Lage ist, diese Arbeit zu leisten, auch unter
stützen.
Präsident Sickert: Weitere Zusatzfragen? — Frau Ab
geordnete Dr. Besser!
Frau Dr. Besser (CDU): Frau Senator, kann in dieser
Stadt jeder — Eignung hin oder Eignung her —, wenn er
sich eines peinlichen Bereiches annimmt, in diesem tätig
werden und auf jegliche Unterstützung rechnen ?
(Abg. Voelker: Gehört nicht mehr zu der Frage!)
Präsident Sickert: Frau Senator Reichel!
Frau Reichel, Senator für Familie. Jugend und Sport:
Dieses ist eine weitere Frage, und wir werden in der Be
antwortung einer Kleinen Anfrage darauf auch schriftlich
näher eingehen.
Frau Abgeordnete Dr. Besser, hier geht es nicht darum,
daß sich irgendjemand irgendwelcher Kinder annimmt, son
dern hier geht es darum, ob sich überhaupt jemand um
Kinder und Jugendliche, die im Untergrund leben, küm
mert und in welcher Art und Welse
(Unruhe bei der CDU)
er unterstützt wird. Im sozial-pädagogischen Bereich gibt
es hier beachtliche Initiativen, so daß ich die kritische Hal
tung, die das Mitarbeiterkollektiv einnimmt, nicht nur an
dieser einen Unterschrift zu messen in der Lage bin.
Präsident Sickert: Zu einer weiteren Zusatzfrage — Herr
Abgeordneter Zimmer!
Zimmer (CDU); Frau Senator, schließt die Unterstüt
zung, die Sie angekündigt haben oder fortsetzen wollen,
auch die finanziellen Dinge mit ein, die der zuständige Be
zirksbürgermeister bereits in einer Presseerklärung an
gekündigt hatte ?
Präsident Sickert: Frau Senator Reichel!
Frau Reichel, Senator für Familie, Jugend und Sport:
Sowohl der Bezirksbürgermeister als auch wir waren der
Auffassung, daß der Jugendclub hand drugstore in seinem
wirtschaftlichen Bereich, nämlich als gewerbliches Unter
nehmen, als Gastwirtschaft, keine öffentliche Förderung
erfahren kann. Es liegen bisher auch keine Anträge auf
finanzielle Unterstützung der sozial-pädagogischen Arbeit
vor. Was im Augenblick behandelt wird ist die Frage, ob
für den Fall der Räumung andere Räume für die sozial
pädagogische Arbeit angeboten werden können.
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter
Boroffka.
Boroffka (CDU): Frau Senator, muß ich Ihrer Antwort
auf die Frage der Kollegin Frau Dr. Besser entnehmen, daß
dieser Teil der öffentlichen Arbeit durch die Tätigkeit Ihrer
Verwaltung nicht abgedeckt ist und Sie insofern auf die
Mitarbeit bestimmter Gruppen angewiesen sind ?
Präsident Sickert: Frau Senator Reichel!
Frau Reichel, Senator für Familie, Jugend und Sport;
Diese Annahme ist falsch, denn ich habe in dem vorigen
Teil meiner Antwort darauf hingewiesen, daß dies eine
Maßnahme neben einer Vielzahl öffentlicher und privater
Angebote ist, die aber, wie wir alle wissen, nicht von allen
Jugendlichen in der gewünschten Art und Weise in An
spruch genommen werden. Es könnten hier eine Vielzahl
von Einrichtungen unterschiedlicher Art genannt werden.
Präsident Sickert: Frau Abgeordnete Dr. Besser!
Frau Dr. Besser (CDU): Frau Senator, woher nehmen
Sie die Möglichkeit — die sozial-pädagogische Befähigung,
von der Sie vorhin sprachen —, bei diesen Gruppen zu be
urteilen ?
Präsident Sickert: Frau Senator Reichel!
Frau Reichel, Senator für Familie, Jugend und Sport:
Ich kann mich nicht entsinnen, ein Urteil über die sozial
pädagogische Befähigung, wohl aber über die Bedeutung
des Engagements für diesen Bereich abgegeben zu haben.
Und wir bemühen uns in jedem Fall — übrigens nicht nur
in diesem einen —, durch eine enge Kooperation hier auch
fachliche Hilfestellung zu geben.