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Volume Nr. 28, 27.04.72

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1972, 6. Wahlperiode, Band II, 22.-42. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
28. Sitzung vom 27. April 1972 
935 
Die gleichen, die damals Sperrtrupp waren, sind heute 
noch — mindestens teilweise — an den Universitäten. Ich 
frage mich, ob das nicht einen rechtsfreien Raum darstellt. 
Ein Letztes, meine Damen und Herren, zu dem, wie der 
Senat darauf reagiert und was uns mit zur Formulierung 
veranlaßt hat. Da hat der Herr Senator Dr. Stein vor dem 
Ausschuß für Wissenschaft und Kunst gesagt, daß man 
entschlossen sei, auch weiterhin — ich darf mit Genehmi 
gung des Herrn Präsidenten zitieren — „Experimente 
durchzuführen, daß man aber auch die Kraft haben müsse, 
Versuche abzubrechen“. Er interpretiert dies später laut 
Protokoll. — Ich darf weiter zitieren: Mit seiner Bemer 
kung von Kraft aufbringen habe er gemeint, daß der Fach 
bereichsrat möglicherweise seine Beschlüsse außerhalb der 
Universität fassen könne, möglich sei auch ein schrift 
liches Abstimmungsverfahren. 
Meine Damen und Herren, dies ist es, was wir im beson 
deren beklagen, daß der zuständige Senator diejenigen, die 
im Rahmen der Gesetze handeln wollen, die darin gehindert 
sind, zumutet, aus der Universität hinauszugehen, um wo 
anders im Rahmen der Gesetze handeln zu können. Ich kann 
daraus nur den Schluß ziehen, daß dann in den Universi 
täten eben ein rechtsfreier Raum zurückbleibt. 
(Zuruf von der CDU: Sehr gut! — 
Beifall bei der CDU) 
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter 
Diepgen. 
Diepgen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Ich habe nicht die Absicht, hier auf die Fülle von Un 
terstellungen einzugehen, mit der die Debatte im universi 
tätspolitischen Bereich von seiten der SPD geführt wor 
den ist. Zu dem Übergang auf Ereignisse im Bundestag 
möchte ich doch drei Feststellungen treffen: 
(Zuruf von der SPD: Aha!) 
1. Meine Damen und Herren! Ich halte es für ungeheuer 
lich, wenn hier unlautere Motive unterstellt werden, die 
„Abwahl“ würde „fehlende Moral“ verdeutlichen, ein 
„schmutziges Geschäft“ und all dergleichen sein, wenn von 
seiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf der Grund 
lage der sehr brüchigen Mehrheiten, die sich heute auch be 
wiesen haben, der letzte Versuch gemacht wird, daß vor der 
Ratifizierungs-Debatte Schaden vom deutschen Volk in dem 
Sinne abgewendet wird, daß eine neue Bundesregierung 
nicht unter der Voraussetzung abgelehnter Ratifizierung in 
neue Verhandlungen mit dem außenpolitischen Gegner tre 
ten muß. 
(Beifall bei der CDU — Abg. Stobbe: Stimmen Sie doch zu, 
Herr Kollege Diepgen!) 
Das ist der erste Punkt. 
2. Da muß ich auf das eingehen, was Herr Kollege Oxfort 
gesagt hat. Er hat hier behauptet, Abgeordnete, die heute in 
Bonn ihrem Gewissen gefolgt waren und nicht die sozial- 
liberale Koalition unterstützt haben, hätten eine fehlende 
Moral. 
Meine Damen und Herren, das allein ist schon eine Unter 
stellung, und zwar eine ungeheuerliche. 
(Zuruf von der CDU: Sehr wahr!) 
Meine Damen und Herren! Wenn ich aber von der Argu 
mentation des Herrn Kollegen Oxfort ausgehe, dann muß 
ich feststellen, daß es die Mitglieder seiner Partei sind, de 
nen er hier fehlende Moral unterstellt. Dann kann ich aber 
nur mit Bedauern feststellen, daß Ihre Partei solche Kan 
didaten aufgestellt hat. 
(Beifall bei der CDU — Abg. Voelker; Das Argument 
ist doch billig!) 
3. Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß 
Moral und all das, was jetzt in die politische Diskussion ein 
geführt wird, nur noch der hat, der Mitläufer oder Anhän 
ger der sozial-liberalen Koalition ist. Dabei kommen wir 
allerdings zu dem Grundthema, auch der heute universitäts 
politisch bezogenen Aktuellen Stunde, zu dem Anspruch, 
daß alles das, was man selbst sagt, unbedingt richtig ist, 
zum totalitären Anspruch, der in der Universität zu einem 
rechtsfreien Raum geführt hat. 
Meine Damen und Herren! Wie ist es denn in der aktuellen 
Auseinandersetzung beispielsweise am Otto-Suhr-Institut ? 
Dort müssen wir doch feststellen, daß alle Lösungsvorschlä 
ge daher rühren, daß man sich auseinandergelebt hat, man 
gegenseitig nicht mehr miteinander diskutieren kann, weil 
jeder meint, er habe unbedingt recht. Wir haben an der Dis 
kussion der Probleme im Zentralinstitut für Soziale Medizin 
und auch am Otto-Suhr-Institut immer wieder festgestellt, 
daß vieles im Universitätsgesetz begründet liegt. Wir wis 
sen auch, daß der Senator für Wissenschaft und Kunst im 
mer wieder Versuche unternommen hat, helfend einzugrei 
fen. Wir wissen, manchmal kann er nicht helfen, manchmal 
will er es nicht. Aber heute — und Herr Senator, das muß 
ich mit aller Deutlichkeit sagen — haben wir einen weiteren 
Aspekt verdeutlicht bekommen. Sie sprechen bei legitimen 
Rechten einer großen Fraktion des Bundestages, und zwar 
mit dem ganzen Gewicht des Wortes und seiner histori 
schen Einordnung, von einem Anschlag auf die Bundes 
regierung. Das, Herr Senator, ist totalitäres Gedankengut. 
(Beifall bei der CDU) 
Wenn Sie das einführen, hier vom Abgeordnetenhaus, vom 
Senat aus in die Universität, dann können wir uns nicht 
wundern, was dort an der Universität selbst unter diesem 
Gesichtspunkt alles betrieben wird. Herr Senator, Sie haben 
gesagt, der gesellschaftspolitische Ansatzpunkt der CDU- 
Fraktion hätte zu den Problemen der jungen Generation 
geführt. Herr Senator, über den gesellschaftspolitischen 
Ansatzpunkt Ihres Denkens in der Auseinandersetzung mit 
dem parlamentarisch-demokratischen Partner müssen wir 
hier neue Überlegungen anstellen. 
(Beifall beider CDU) 
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter 
Wronski. 
Wronski (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Mein Beitrag ist kurz, dafür ist er konkret und er ist 
für jeden faßbar, weil er ganz schlichte Zusammenhänge 
aufzeigt. 
Wenn ich hier als Zuhörer in Hochschulfragen und nun 
auch durch den Gang des normalen Lebens als direkt Be 
troffener in meiner Familie vergleiche, wie hier von ver 
meintlichen Kennern der Situation die wahren Zusammen 
hänge und die Nöte und die Schwierigkeiten, die konkreten, 
die praktischen Schwierigkeiten des Tages behandelt wer 
den, dann muß ich sagen: Die so reden, betrachten offenbar 
das Thema Universität, Universitäts-Unruhe, Störungen an 
Universitäten als eine Routineangelegenheit, die man nicht 
mehr ernst zu nehmen braucht. Meine Herren, das mag 
jeder hören, den es betrifft. Wenn heute Ihre oder in diesem 
Fall meine Tochter am Montag und am Dienstag dieser
	        
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