Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
22. Sitzung vom 20. Januar 1972
Präsident Sickert: Herr Senator Stein!
Dr. Stein, Senator für Wissenschaft und Kunst; Herr
Abgeordneter Luster, Sie können nicht davon ausgehen. Ich
volite Sie nur beruhigen, falls Sie davon ausgehen sollten,
laß dann immer noch jemand darüber wacht, daß daraus
Ikein Schaden entstehen würde.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Eine weitere Zusatzfrage
(geordneter Diepgen!
Herr Ab-
Dlepgen (CDU): Herr Senator! Können Sie dann dem
iJlHaus vielleicht erklären, warum Sie die erste Frage vom
[ Herrn Kollegen Luster bis jetzt immer noch nicht beantwor-
: tet haben?
Präsident Sickert: Herr Senator Stein!
Dr. Stein, Senator für Wissenschaft und Kunst: Ich
. glaube, mit großer Geduld alle Fragen beantwortet zu
haben.
(Abg. Stobbe: Sehr gut! — Vereinzelter Beifall
bei der SPD)
Präsident Sickert: Weitere Zusatzfragen liegen mir nicht
vor.
Das Wort hat der Abgeordnete von Kekule zu einer
Mündlichen Anfrage über Sprengung der wissenschaftlichen
Konferenz „Herrschaft und Krise“ in der FU.
von Keknld (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich frage den Senat: Welchen Behinderungen und
Gefährdungen waren die Teilnehmer der wissenschaftlichen
Konferenz „Herrschaft und Krise“ an der FU, die am
10. Januar 1972 begann, ausgesetzt ?
Mit welchen Maßnahmen gedenkt der Senat künftig die
Universität anzuhalten, für einen störungsfreien Verlauf
internationaler Konferenzen an Berliner Hochschulen zu
sorgen ?
Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung hat Herr
Senator Stein.
Dr. Stein, Senator für Wissenschaft und Kunst; Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Frage 1: Die
Konferenz „Herrschaft und Krise" wurde am Montag, dem
10. Januar 1972, vormittags, offenbar von Angehörigen des
Kommunistischen Studentenverbandes, abgekürzt KSV,
nachhaltig gestört, so daß die Kongreßhalle als Ausweich
quartier benutzt wurde. Am Nachmittag wurde ein erfolg
reicher Versuch unternommen, die Veranstaltung im Audi
max der Universität durchzuführen. Am Dienstag, dem
11.1.1972 kam es vormittags zu Beginn der Veranstaltung,
die wiederum im Audimax durchgeführt werden sollte, zu
erheblichen Auseinandersetzungen, so daß ab 11 Uhr er
neut die Kongreßhalle als Ausweichquartier benutzt wurde.
Auch am Nachmittag des Dienstag fand die Veranstaltung
ohne Störungen in der Kongreßhalle statt. Am Mittwoch,
dem 12.1.1972, begann die Veranstaltung in der Kongreß
halle um 10 Uhr. Da zwei Teilnehmer darauf bestanden,
ihre Ausführungen im Universitätsbereich, notfalls auch
unter schwierigen äußeren Bedingungen, zu machen, wurde
die Veranstaltung um 11 Uhr ln das Otto-Suhr-Institut ver
legt. Dort konnte sie einschließlich der Nachmittagsveran
staltung zu Ende geführt werden.
Der Senat wertet das Verhalten der Verantwortlichen in
der Freien Universität und das der Kongreßteilnehmer sehr
positiv. Er weist darauf hin, daß der Universitätspräsident
imter Verzicht auf einen massiven Polizeieinsatz in der
Universität alle Möglichkeiten wahrgenommen hat, um den
Störern in geeigneter, betont hochschulpolitischer Weise
entgegenzutreten. Er begrüßt insbesondere auch die mehr
fachen, schließlich erfolgreichen Versuche, die Tagung
trotz der Störungen im Universitätsbereich durchzusetzen.
Was die Frage 2 betrifft: Da die Hochschulen an einer
geordneten Durchführung ihrer Tagrungen selbst interes
siert sind, gehe ich davon aus, daß es einer besonderen Auf
forderung durch den Senat dazu nicht bedarf. Der Senat
wird aber den Hochschulen jede zweckmäßige Hilfe gewäh
ren, um internationale Tagungen störungsfrei durchzufüh
ren. Ein allgemein gültiges Schema gibt es dafür nicht. Der
Senat wird dann eingreifen, wenn die Hochschule die Auf
gabe selbst nicht lösen kann, er wird nach Möglichkeit den
Wünschen der Hochschule jeweils Rechnung tragen. Auch
im vorliegenden Fall war dem Präsidenten der Freien Uni
versität eine solche Hilfe zugesagt und bereitgestellt
worden.
Präsident Sickert: Wird das Wort zu einer Zusatzfrage
gewünscht ? — Das ist nicht der Fall.
Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Boroffka zu
einer Mündlichen Anfrage über Berufungsverfahren im
Zentralinstitut für soziale Medizin.
Boroffka (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich frage den Senat: Ist das Berufungsverfahren
am Zentralinstitut für soziale Medizin korrekt verlaufen ?
2. Ist der Senat bereit, Berufungen entsprechend der nach
weislichen wissenschaftlichen Qualifikation vorzunehmen,
auch wenn er damit von der Reihenfolge der Berufungsliste
abweichen muß ?
Präsident Sickert: Herr Senator Stein!
Dr. Stein, Senator für Wissenschaft und Kunst: Herr
Präsident! Herr Abgeordneter Boroffka! Meine Damen und
Herren! Zu 1: Bisher liegt dem Senator für Wissenschaft
und Kunst noch kein vollständiger und ordnungsmäßiger
Berufungsvorschlag im Sinne des § 27 Universitätsgesetz
vor. Insbesondere fehlen noch Gutachten, Mehrheits- und
Minderheitsvoten. Dem Senat sind aber bis zum heutigen
Zeitpunkt auch noch keine Stimmen aus der Universität
bekannt geworden, daß das bisherige Berufungsverfahren
unkorrekt verlaufen sei. Falls es solche Stimmen geben
sollte, wird dem selbstverständlich nachgegangen.
Zu 2: Der Senator für Wissenschaft und Kunst wird nach
Eingang der Berufungsvorschläge diese, wie jede andere Be
rufung, mit aller gebotenen Sorgfalt prüfen und dabei alle
Möglichkeiten des § 27 Universitätsgesetz, der das Beru
fungsverfahren im einzelnen regelt, in Betracht ziehen. Ich
darf das Haus daran erinnern: Nach § 27 Absatz 4 Uni
versitätsgesetz ist der Senator für Wissenschaft und Kunst
nicht an die Reihenfolge der Berufungsliste gebunden. Das
heißt, er kann unter den drei vorgeschlagenen Bewerbern —
in der Regel sollen es drei sein — den wählen, den er für den
qualifiziertesten hält. Nach § 27 Absätze Universitätsgesetz
hat der Senator für Wissenschaft und Kunst auch das Recht,
einen eingereichten Berufungsvorschlag an die Universität
zurückzugeben und einen neuen Vorschlag anzufordern,
der innerhalb von 6 Monaten vorzulegen ist. Sollte diese
Frist nicht eingehalten werden, so kann der Senator für
Wissenschaft und Kunst von sich aus eine geeignete Per
sönlichkeit nach Einholung von Gutachten berufen. Außer
dem besteht die Möglichkeit, daß der Senator für Wissen
schaft und Kunst von sich aus zusätzliche Gutachten einholt,
um eine sachgerechte Entscheidung in jedem Fall zu ge
währleisten. Ob und welche Möglichkeiten bei dem ange
sprochenen Berufungsvorgang in Betracht kommen, werde
ich nach Überprüfung des gesamten Vorgangs zu entschei
den und zu verantworten haben.
Präsident Sickert: Eine Zusatzfrage — Herr Abgeord
neter Boroffka!
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