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Volume Nr. 24, 24.02.72

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1972, 6. Wahlperiode, Band II, 22.-42. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
24. Sitzung vom 24. Februar 1972 
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die Ratifizierungsdebatte im Deutschen Bundestag zu be 
einflussen; denn in der Tat wäre ein solcher Versuch ange 
sichts der Probleme, um die es insgesamt geht, wohl auch 
ein wenig lächerlich. 
Ich möchte statt dessen noch folgendes klarstellen: 
1. Nach unserer Auffassung wird die Regierung der 
DDR bei der beschränkten Anwendung der Berlin-Ver- 
einbarung für die genannten Zeiträume beweisen können, 
wie in der Zukunft die praktische Ausfüllung der Berlin- 
Vereinbarungen tatsächlich funktioniert, und sie wird sich 
daran für die Zukunft messen lassen müssen. 
2. Der untrennbare Zusammenhang zwischen der Rati 
fizierung der Ost-Verträge und der Berlin-Vereinbarung ist 
nicht zuletzt von deutscher Seite hergestellt worden. Es 
gibt keinen Anspruch, der rechtlicher Natur gewesen 
wäre, auf den man sich berufen könnte, wenn man nicht 
bereit ist, die Politik insgesamt mitzuvertreten, die zu 
diesen Regelungen geführt hat. 
Daß damit nicht der moralische Anspruch gemeint ist, 
den wir seit Jahren immer wieder erhoben haben, versteht 
sich von selbst. 
Ich sage nur: Es wäre falsch, an dieser Stelle jemanden 
zu schelten, weil mit dem Willen und mit dem Einver 
ständnis der Bundesregierung ein Zusammenhang zwischen 
dem Inkrafttreten der Berlin-Vereinbarungen und der Ra 
tifizierung der Ost-Verträge ebenso hergestellt worden ist, 
wie dies im Interesse Berlins von seiten der Bundesre 
gierung, und insbesondere durch den Bundesaußenminister, 
geschehen ist. 
(Beifall bei der F.D.P.) 
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter 
Stobbe. 
Stobbe (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Namens der SPD-Fraktion begrüße ich die Er 
klärung des Herrn Regierenden Bürgermeisters und 
unterstreiche die darin vorgenommenen politischen Wertun 
gen nachdrücklich. 
Während der Oster- und Pfingsttage werden die Ber 
liner nach sechs Jahren zum ersten Mal, wieder ihre Ver 
wandten und Freunde im Ostteil der Stadt besuchen oder 
als Touristen nach Ostberlin gehen können. Nach vielen, 
vielen Jahren werden Sie darüber hinaus während dieser 
Zeiträume zum ersten Mal wieder Magdeburg, Dresden 
oder Rostock besuchen können. Auf den Zufahrtswegen 
werden jene Erleichterungen eihtreten, um die wir uns so 
sehr bemüht haben. Diese praktischen Verbesserungen er 
geben sich, weil sich die Verantwortlichen in der DDR dazu 
entschlossen haben, Teile der Berlin-Vereinbarungen wäh 
rend der Oster- und Pfingsttage anzuwenden, obwohl die 
politischen Grundentscheidungen über die Verträge von 
Moskau und Warschau, die in einem inneren Zusammen 
hang zu den Berlin-Vereinbarungen stehen, noch nicht 
getroffen wurden. 
Die DDR hat diese Entscheidung eine Geste des guten 
Willens genannt. Der Herr Regierende Bürgermeister hat 
diese Entscheidung kommentiert. Wir sehen keine Veran 
lassung, seiner Kommentierung noch etwas hinzuzufügen. 
Meine Damen und Herren! Die Teilanwendung der Ber 
lin-Vereinbarungen während der genannten Zeiträume wird 
gewissermaßen einen Probelauf darstellen, der wichtige 
Erkenntnisse für die spätere Gesamtanwendung vermitteln 
wird. 
Wir möchten hier erklären, daß wir den Senat bei allen 
Maßnahmen unterstützen werden, die erforderlich sind, um 
ein gutes Ergebnis.dieses Testes herbeizuführen. .. 
• Was sich während der Oster- und Pfingsttage hier in: 
Berlin und auf den Zufahrtswegen tun wird und was’ 
für jeden einzelnen Bürger dieser Stadt von größter Be 
deutung ist, ist das Ergebnis einer zielstrebig geführten 
Entspannungspolitik, die wir Sozialdemokraten mitgestal 
tet haben und für die wir die Verantwortung gern tragen. 
Dies ist eine Politik, die auf praktische Verbesserungen 
für die Menschen im geteilten Deutschland gerichtet ist. 
Wir erkennen hierzu keine realistische Alternative, und 
dieser Überzeugung hier und heute noch einmal Ausdruck 
zu geben, ist der Sinn dieser Erklärung, die ich im Namen 
der SPD-Fraktion abgegeben habe. 
(Beifall bei der SPD) 
Präsident Sickert: Wird weiterhin das Wort gewünscht?, 
— Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Tagesordnungs 
punkt abgeschlossen. 
Ich möchte Ihnen mitteilen, daß für die heutige Sitzung 
zwölf Abgeordnete entschuldigt sind; hiervon sind zehn 
Abgeordnete beurlaubt, ein Abgeordneter ist krank. 
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie dann auf die- 
Ihnen hektographiert vorliegende Nachweisung der ein 
gegangenen Entschließungen hinweisen und feststellen, daß 
das Haus davon Kenntnis genommen hat. 
Ich rufe auf 
Lfd. Nr. 1: 
Mündliche Anfragen gemäß . § 51 
der Geschäftsordnung 
und gebe Herrn Abgeordneten Rasch das Wort zu einer 
Mündlichen Anfrage über Sitz des EWG-Kartellamtes. 
Rasch (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich frage den Senat; 
1. War der Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters, 
das EWG-Kartellamt nach Berlin zu legen, mit der Bundes 
regierung abgestimmt und zuvor mit der EWG-Kommis- 
sion erörtert ? 
Ist dabei insbesondere mit der Regierung Luxemburgs 
die Frage erörtert worden, ob Luxemburg zugunsten Ber 
lins verzichten würde ? 
2. Ist zu erwarten, daß der Senat weiterhin Vorschläge 
veröffentlichen wird, die weder mit der zuständigen Stelle 
abgesprochen noch überhaupt realisierungsfähig sind ? 
Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung der 
Mündlichen Anfrage hat der Regierende Bürgermeister. 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident! 
Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Rasch! An 
läßlich eines Besuchs beim Präsidenten der Europäischen 
Gemeinschaft in Brüssel im Zusammenhang mit der 
Diskussion über die Errichtung von Oberbehörden der 
Europäischen Gemeinschaften habe ich in der Tat darauf 
hingewiesen, daß sich auch Berlin als Sitz solcher Ober 
behörden eignen würde. Da in Berlin bereits das Bundes 
kartellamt seinen Sitz hat, habe ich der Auffassung Aus 
druck gegeben, daß eine eventuell zu errichtende euro 
päische Kartellbehörde nach Berlin gelegt werden sollte. 
Da es sich bei dem Gespräch mit dem Präsidenten der 
EWG-Kommission um die erste Kontaktaufnahme in 
dieser Angelegenheit handelte, ist eine vorherige Erörte 
rung mit anderen Stellen nicht erfolgt. Dies wäre nicht 
zweckmäßig gewesen. Aber selbstverständlich ist die Bun 
desregierung von meinem Vorhaben unterrichtet worden. 
Insbesondere aber wäre eine Erörterung mit der luxem 
burgischen Regierung im gegenwärtigen Zeitpunkt ver 
früht.
	        
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