Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
21. Sitzung vom 14. Dezember 1971
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gen; sie sind der Ausdruck unserer politischen Grundent
scheidung. Die Bildungspolitik, die Gesundheitspolitik, die
Förderung des Wohnungsbaues und die tatkräftige För
derung der Berliner Wirtschaft sind Eckpfeiler dieser
Politik.
Was die Berliner Oppositionsparteien dieser Haushalts
politik entgegengesetzt haben, sind bestenfalls —
(Heiterkeit bei der CDU — Zuruf von der CDU: Na was
denn ?)
finanzpolitische Akzente, nicht jedoch finanzpolitische
Alternativen. Dies, meine Damen und Herren, gilt auch
nach der Entscheidung über die Vorlage zur Errichtung
eines Kongreßzentrums, auch für jenen Bereich unserer
Aufgaben, den wir für die Steigerung der Attraktivität
Berlins für die Welt benötigen. Auch hier ersetzt ein Nein
oder ein zaghaftes Ja nicht den konkreten Beitrag für die
Zukunftssicherung dieser Stadt.
Ich fasse die Haltung der SPD-Fraktion zum Haushalt
1972 zusammen und stelle fest: Wir werden dem Etat 1972
unsere Zustimmung geben; wir werden ja sagen zu den
Maßnahmen, die auf eine Stärkung des Eigenbeitrages
Berlins hinauslaufen. Wir sagen ja zu dem politischen
Programm, das sich hinter dem Zahlenwerk der Aus
gabenseite verbirgt. Wir tragen diesen Etat, weil er Aus
druck unseres Willens zu einem realistischen Maß an not
wendigem Fortschritt für die Bürger unserer Stadt ist.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Herr Lummer, ich wollte den Redner
nicht unterbrechen, aber ich würde Sie bitten, zu über
legen, ob das Wort „blödsinnig“ ein Wort ist, das hier im
Parlament gebräuchlich sein sollte.
(Große Unruhe — Abg. Dr. Haus: Das hat er gesagt? Er
hat wohl keine Argumente mehr! — Buh, buh, hu, hu von
der SPD)
Das Wort hat Herr Senator Striek.
Strick, Senator für Finanzen: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich möchte mich — und auch dies soll
sozusagen mein Dank an dieses Hohe Haus sein — auf
einige ganz wenige kurze Bemerkungen beschränken.
Der Senat hat Ihnen den Haushaltsentwurf 1972 vorge
legt, indem er von drei tragenden Gesichtspunkten der
Haushalts- und Finanzpolitik ausging, erstens: die Kom
munalpolitik in dieser Stadt auch für die Zukunft auf dem
hohen gesellschaftspolitischen Niveau, das wir in den ver
gangenen Jahren durch gemeinsame Arbeit erreicht haben,
zu halten; zweitens: unseren öffentlichen Beitrag in dieser
Stadt zu leisten zur Sicherung der Arbeitsplätze — zur
Vollbeschäftigung —, zu leisten eingedenk der Tatsache,
daß wir der größte Auftraggeber in dieser Stadt sind, und
drittens: diese beiden Gesichtspunkte zu verbinden mit der
Brücke einer bewußten Konjunkturpolitik, die unter Be
rücksichtigung dieser beiden Zielsetzungen die öffentliche
Finanzpolitik in dieser Stadt realisierbar macht.
Meine Damen und Herren, ich kann hier feststellen,
daß der Senat auch durch die Änderungsbeschlüsse des
Hauptausschusses und durch die Debatte heute sich in die
sen drei finanzpolitischen Zielsetzungen bestätigt findet.
Ich möchte in dieser Stunde namens des Senats den Dank
an das Hohe Haus abstatten, daß Sie einen schwierig zu
beratenden Etat in den Ausschußberatungen wie hier in
der Plenardebatte, unterbrochen von hohen politischen Ent
scheidungen, pünktlich wiederum vor Beginn des Jahres,
für das dieser Etat gemacht wird, verabschieden werden.
Dafür gebührt Ihnen allen, meine Damen und Herren, der
Dank des Senats, und der Dank gilt auch den Angehörigen
der Parlamentsverwaltung, die in mancher Überstunde uns
dieses möglich gemacht haben.
(Beifall bei der SPD)
Dieser Etat, wie er kurz vor der Verabschiedung jetzt
steht, wird die sachliche und die politische Grundlage der
Regierungspolitik des Jahres 1972 sein, und Sie werden
am Ende des Jahres 1972 erkennen können, daß er eine
brauchbare Grundlage für das Zusammenleben unserer
Bürger war.
(Beifall beider SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Regierende Bür
germeister.
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Ihren Ent
scheidungen haben Sie heute die Grundlage für die Arbeit
des Senats von Berlin für das Jahr 1972 gelegt. Und auch
ich schließe mich den Worten des Finanzsenators an, um
dem Abgeordnetenhaus dafür zu danken.
Gelöst von lauten und möglicherweise etwas schrillen
Tönen der einen oder anderen Abschlußerklärung möchte
ich drei Gesichtspunkte noch einmal deutlich machen:
Erstens: Wir sind sicherlich auch bei den schwierigen
Entscheidungen des heutigen Tages den Weg der Verant
wortung gegangen, dessen Ziel es ist, die Wirtschaftskraft
dieser Stadt nicht zu schmälern, sondern gerade durch die
Aufrechterhaltung und Verstärkung der öffentlichen In
vestitionen unseren Beitrag hier zu leisten, damit unser
Versprechen auch in Zukunft wahr bleibt, daß jedem in
dieser Stadt der Arbeitsplatz gesichert wird.
Zweitens: Wir sind den Weg der Verantwortung gegan
gen, auch bei schwierigen Entscheidungen heute und in
den Tagen davor, w T eil wir uns allgemein bekennen zu den
Grundsätzen, die unsere Bundesregierung festgelegt hat
in ihren Bemühungen, Spannungen in Europa abzubauen,
und in ihren Bemühungen, die dazu geführt haben, daß
wir das Vier-Mächte-Abkommen am 3. September durch
die Botschafter unterzeichnet bekommen haben und dazu,
daß wir die deutschen Zusatzvereinbarungen abschließen
konnten. Beides bringt uns mehr Sicherheit und mehr
Lebensfähigkeit hier nach Berlin.
(Beifall bei der SPD)
Und wir sind drittens auch durch die schwierigen Ent
scheidungen in diesem Abgeordnetenhaus den Weg gegan
gen, den wir uns gemeinsam vorstellen, um diese Stadt
in die Zukunft zu führen; nicht nur ihr die Zukunft zu
sichern, sondern sie auch sinnvoll in die Zukunft zu füh
ren. Wir stehen in dem Sinne zu unserem Versprechen,
daß wir in möglichst vielen, in allen Bereichen diese
Stadt — und dies sehen wir als die eigentlich große Auf
gabe an — zum Modell einer modernen Großstadt zu ge
stalten. Wir gehen also den Weg — das wissen wir — mit
einer schwachen, aber mit einer klaren Mehrheit, die sich
in allen Abstimmungen gezeigt hat. Wir gehen in dieser
Stadt den Weg der Verantwortung, gestützt auf die Ent
scheidungen dieses Tages im Abgeordnetenhaus von Ber
lin, und ich darf Ihnen namens des Senats von Berlin
dafür danken.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert; Meine Damen und Herren! Ich schließe
die Einzelberatungen und verbinde die Einzelabstimmung
mit der Schlußabstimmung.
Wer dem Haushaltsgesetz 1972 im Wortlaut der Vor
lage, Drucksache 6/173, unter Berücksichtigung der Be
schlußempfehlung des Hauptausschusses, Drucksache 6/249,
seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das
Handzeichen. — Danke, ich bitte um die Gegenprobe. —
Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Damit ist der Etat des Lan
des Berlin für 1972 fristgerecht verabschiedet, und ich
darf allen Teilnehmern der Diskussion hier für diese Mit
wirkung recht herzlich danken. Für das bevorstehende
Weihnachtsfest darf ich Ihnen allen erholsame und be
sinnliche Festtage und für das Neue Jahr alles Gute, vor
allem Gesundheit, wünschen. Diese Wünsche gelten ganz
besonders denen, die heute wegen Krankheit nicht bei uns
sein konnten, und ich darf hoffen und wünschen, daß
gerade diese Kolleginnen und Kollegen im neuen Jahr
wieder bei uns sein dürfen.
(Beifall bei allen drei Fraktionen)
Die nächste Sitzung des Abgeordnetenhauses ist für
Donnerstag, den 20. Januar 1972, 13 Uhr, vorgesehen. Die
Einladung dazu wird rechtzeitig ergehen. Die Sitzung ist
geschlossen.
(Schluß der Sitzung: 20.39 Uhr)