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Volume Nr. 21, 14. Dezember 1971

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1971, 6. Wahlperiode, Band I, 1.-21. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
21. Sitzung vom 14. Dezember 1971 
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Noch widersprüchlicher wird es, wenn man da hinein 
noch folgende Tatsache nimmt: 
1. Für 1971 gab es eine Ausgabenbeschränkung von 3 % 
in diesem Bereich. 
2. Es ist allgemein bekannt, daß sowohl Wohifahrtsver- 
bände als auch bezirkliche Jugendämter zahlreiche Fami 
lien im laufenden Jahr abweisen mußten wegen nicht vor 
handener Mittel. 
3. Durch die Anwendung neuer Richtlinien 1971 — im 
Vergleich zu 1969 und 1970 — sind zwar höhere Zuschüsse 
gezahlt worden, aber eine geringere Anzahl von Familien 
in den Genuß dieser Zuschüsse gekommen. 
Wir stellen deshalb den Antrag, für 1972 nicht weniger 
als 1971 anzusetzen — also die 1,6 Millionen DM um 
400 000 DM auf 2 Millionen DM zu erhöhen. 
Ein zweiter Bereich, der unsere Kritik herausfordert und 
unser Nein begründet, ist der Bereich der Eltern-Kinder- 
Gruppen. Z. Zt. werden etwa 104 Gruppen gefördert. In 
Berlin gibt es wahrscheinlich über 400 Gruppen. Die Frage 
ist: Wo bleibt die Chancengleichheit für diese Gruppen? 
Und wenn trotz der jahrelang geübten finanziellen Förde 
rung durch den Senat der Senat noch immer vom Modell 
charakter in diesem Bereich spricht, erscheint uns das im 
Hinblick auf die Wegnahme der Modelle in Reinickendorf 
und die Eingliederung dieser Modelle in die Zuständigkeit 
der Zentralverwaltung mehr als zweifelhaft. Wir haben 
ein Zuständigkeitsgesetz hier in Berlin, und wir würden es 
für nützlicher halten, solange man von Modellen redet, 
auch Modellversuche auf verschiedenen Ebenen laufen zu 
lassen. 
Und dann haben wir hier die Richtlinien über die Förde 
rung von Eltern-Kinder-Gruppen, die uns nun allerdings 
anmuten fast wie ein juristischer Eiertanz — nur damit 
die Eltern-Kinder-Gruppen nicht der Heimaufsicht zu 
unterliegen brauchen. Dabei wird die Abgrenzung zu der 
Kindertagesstätte immer fraglicher. Nach unserer Über 
zeugung und den Zahlen, die uns vorliegen, sind etwa 
39 % aller Gruppen in Berlin täglich länger als 7 Stunden 
beisammen; und meistens ist bei diesen Gruppen die haupt 
amtliche Kraft — und nicht die Eltern — diejenige Be 
zugsperson, die in dieser Zeit den Kindern gegenübersteht 
— also die hauptamtliche Kraft steht im Vordergrund. 
Und es sind durch die Entwicklung — nach unserer Auf 
fassung — nun schon praktisch private Kindergärten ent 
standen. 
Wir haben also in diesem Bereich der Eltern-Kinder- 
Gruppen 3 verschiedene Gruppenarten: die echten Eltern- 
Kinder-Gruppen mit der Initiative dieser Eltern, dann die 
weiterentwickelten Gruppen und klare — nach unserer 
Auffassung — schon fast private Kindertagesstätten, über 
die Bewilligungskommission wollen wir in diesem Zusam 
menhang gar nicht reden; die hat anscheinend ein ganzes 
halbes Jahr nicht getagt. Die Richtlinien sagen über die 
Zusammensetzung dieser Kommission nichts aus. Obwohl 
wir für 1972 in diesem Bereich einen Ausgabenansatz von 
1,2 Millionen DM haben, wird die Verantwortung und die 
Kontrolle — zumindest auch durch dieses Haus hier — 
noch etwas zurückhaltend ausgeübt. 
Der dritte Bereich, der von mir angesprochen werden 
soll, sind die sozialpädagogischen Fortbildungsstätten. Wir 
haben gerade den Bericht über die Situation und Planung 
im Sektor Jugendpflege bekommen. Wir wollen hier heute 
nicht zu diesem Bericht sprechen, obwohl er zur Haus 
haltsberatung vorgelegt wurde, aber nicht mehr einbezogen 
werden kann, denn er kam zu spät; aber das fällt doch 
bei diesem und in diesem Bericht auf, daß die Mitarbeiter 
dieser sozialpädagogischen Fortbildungsstätten anschei 
nend bei der Analyse der Situation in der Jugendpflege 
nicht beteiligt waren — und auch nicht bei den Bemühun 
gen, eventuell eine Planung aufzustellen. Aber was nach 
unserer Auffassung noch viel tragischer ist, ist die Tat 
sache, daß in Berlin in der behördlichen Jugendpflege seit 
Jahren geklagt wird, daß in diesen sozialpädagogischen 
Fortbildungsstätten eine gewisse Einseitigkeit — im Hin 
blick auf die Jugendpflege allerdings eine mangelnde 
Aktivität — festzustellen ist; und diese Klagen dürften — 
nach unserer Auffassung — der Senatsverwaltung auch 
nicht entgangen sein. 
Dem Rechnungshof ist auch einiges nicht entgangen, 
was hier in den Bereich dieser Senatsverwaltung fällt. Ich 
möchte in diesem Zusammenhang nur die Kostentragungs 
vorschriften der Jugendhilfe erwähnen. Der Rechnungshof 
hat in seinem uns vorliegenden Bericht moniert, daß es 
da verschiedene Vorschriften für die Bereiche Zeltlager 
maßnahmen, Erholungsverschickung und örtliche Erholung 
gibt. Der Senat hat grundsätzlich den Vorstellungen des 
Rechnungshofes zugestimmt, hat aber gesagt, er will für 
eine weitere Übergangszeit, obwohl die Dauer dieser Zeit 
vom Rechnungshof schon beanstandet wird, für eine wei 
tere Übergangszeit an getrennten Verwaltungsvorschriften 
festhalten. 
Wir sind mm allerdings der Auffassung, im Sinne einer 
einheitlichen und gerechten Behandlung aller Antragsteller 
in allen 12 Westberliner Bezirken wäre es sinnvoller, klare, 
einheitliche Vorschriften anzuwenden. Man könnte u. U. 
im gleichen Hause, in der gleichen Bezirksverwaltung, 
sicher auch Mehr- und Doppelarbeit vermeiden — wobei 
die Einnahmeseite ja auch nicht ganz unbeachtet bleiben 
sollte. 
Wir haben also heute einen Haushalt zu verabschieden, 
der — nach unserer Auffassung — von der Verwaltung 
selber schon nicht mehr als bare Münze angesehen wird. 
Da gibt es einen schon vor Monaten, nämlich am 10. 7. 
1971, gefaßten Senatsbeschluß, der die Bezirke auffordert, 
5 % von den Summen, die wir hier erst heute verabschie 
den wollen oder sollen, zu streichen — vornehm umschrie 
ben sagt man dazu; Verfügungsbeschränkungen. 
(Abg. Stobbe: Das ist eine ernsthafte Sache, Sie!) 
Da haben die armen Bezirke natürlich nun nie die Chance, 
diese 5 % gleichmäßig auf alle Haushaltsstellen umzu 
legen, sondern sie müssen das natürlich nach ihren Ge 
gebenheiten machen. Was kommt dabei raus? Das wissen 
wir auch. Es gibt Haushaltsstellen, die werden bis zu 40 % 
belastet. Aber noch schlimmer ist es, wenn Sie an das 
denken, was ich am Anfang ausgeführt habe: Wenn nun 
Bezirke diese gesamten Sperrungen oder Verfügungsbe 
schränkungen in der Hauptsache in den Bereich Familien 
erholung legen, dann bleibt von der steigenden Tendenz, 
die der Senat festgestellt hat, gar nichts mehr übrig. 
Auch mit der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit 
hat das wohl nichts zu tun — genausowenig zu tun wie, 
wenn wir davon hören, daß das Hilfswerk Berlin — natür 
lich mit entsprechender Begründung — die Mittel für 
„Student für Berlin“ nicht mehr bewilligen will. Über 
umstrittene Erziehungsmethoden und Manipulierungsver 
suche in diesem Erholungsbereich haben wir uns hier in 
diesem Hause schon öfter unterhalten. Darum geht es 
jetzt nicht. Jetzt geht es nur darum: Wenn die Aktionen 
trotzdem 1972 durchgeführt werden, wie will der Senat das 
machen? Nach unseren Informationen sollen die Sommer 
lager der Aktion „Student für Berlin“ 1972 aus Haus 
haltsmitteln genommen werden. Die entstehende Lücke 
soll ausgefüllt werden durch die Mittel, die dann das 
Hilfswerk Berlin dem Senat zur Verfügung stellt. 
Wir haben noch mehr Einwände. Wir wollen über die 
unpräzisen Planungen bisher im Zusammenhang mit dem 
Kinderzentrum gar nicht reden, über Heime — Heim 
situation und Schwierigkeiten in diesem Bereich — wird 
sicher mein Kollege Wischner noch einiges sagen. Wenn 
Sie all diese Einwände und Kritiken zusammennehmen, 
bleibt leider für uns diesmal nichts anderes übrig, als 
diesem Einzelplan unser Nein zu sagen. Danke schön. 
(Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Lorenz: Das Wort hat der Herr Ab 
geordnete Wahl. 
Wahl (FJD.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Ich möchte mich — im Gegensatz zum Kollegen 
Dolata — bei der Kritik des Haushaltsplanes 10 nicht so 
sehr auf die Zahlen stützen, sondern etwas inhaltliche 
Kritik an dieser Senatsverwaltung üben. Ich werde aller 
dings, da — wie Ja hier vielfach festgestellt worden ist —
	        
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