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Volume Nr. 5, 6. Mai 1971

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1971, 6. Wahlperiode, Band I, 1.-21. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
5. Sitzung am 6. Mai 1971 
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sind wir gerne bereit, mit einem Antrag etwas nachzuhelfen. 
Die organisatorische Verankerung des Problemkreises in 
einem Ressort ist sicher richtig; hier gelten nur zwei 
Vorbehalte: es darf eben nicht nur bei dieser Bezeichnung 
bleiben, das heißt, es muß organisatorisch das Erforder 
liche getan werden, um dieses Ressort tatsächlich mit Leben 
zu erfüllen und ihm die Mittel an die Hand zu geben, die 
es ermöglichen, diese schwierigen Probleme überhaupt 
anzupacken. Und zweitens: Die Behandlung dieser Pro 
bleme darf, auch wenn sie beim Gesundheitswesen res- 
sortiert — und das sage ich als Gesundheitspolitiker —, 
nicht einseitig unter einem gesundheitspolitischen Aspekt 
stehen, wenn auch einzuräumen ist, daß dieser Seite ein 
Vorrang in der Beurteilung der Probleme gebührt. Der 
Senat gibt selbst zu, daß es sich um einen ersten Schritt 
zur administrativen Problembewältigung handelt, das be 
deutet indirekt eine Bankrotterklärung für den alten Senat 
und das Eingeständnis, daß man diese Probleme bisher hat 
schleifen lassen. 
(Beifall bei der CDU) 
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Bereich 
Gesundheitswesen noch einige Anmerkungen machen. Die 
CDU-Fraktion nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, daß 
das Gesundheitsressort wieder verselbständigt worden ist. 
Damit geht eine nachhaltige Forderung der CDU in Erfül 
lung. Hoffen wir, daß Sacherkenntnis zu diesem Schritt ge 
führt hat und nicht das übliche personelle Wechselspiel bei 
Senatsbildungen. Wir sind zur Skepsis berechtigt nach dem, 
was wir seit den Zeiten des Herrn Albertz gerade auf die 
sem Gebiet erlebt haben. Meine Damen und Herren! Es ist 
aber nicht nur eine Verselbständigung der Senatsabteilung 
für Gesundheitswesen zu verzeichnen, sondern es hat in 
dem Zusammenhang auch ein peinliches Gerangel um die 
Besetzung von Senatsdirektorenstellen gegeben. 
Meine Damen und Herren! Nicht nur hier, auch andere 
Ressorts betrifft das. Aber was interessiert das die Mehr 
heitsfraktion, ob ein Fachmann gehen muß und ob der 
Steuerzahler einmal mehr zur Kasse gebeten wird? Wenn 
es darum geht, einen fragwürdigen Kompromiß zwischen 
dem rechten und linken Flügel zu schließen und dem linken 
Flügel gegenüber gewisse personelle Konzessionen mm in 
die Tat umzusetzen, dann sind alle guten Vorsätze plötz 
lich vergessen und dann haben wir dieses beschämende 
Bild, daß Leute in Pension geschickt werden, deren fach 
liches Vermögen außer Zweifel steht. 
(Beifall bei der CDU) 
Meine Damen und Herren! Es ist übrigens das erstemal in 
der Nachkriegsgeschichte der Senats Verwaltung für Ge 
sundheitswesen, daß der Posten des Senatsdirektors nicht 
mit einem Arzt besetzt wird. Bisher war es eine jeweils 
von den Parteien getragene stillschweigende Vereinbarung, 
daß der Senatsdirektor zugleich der leitende Medizinal 
beamte des Landes ist. Gegen diesen Grundsatz hat der 
neue Senat verstoßen. 
Nun, meine Damen und Herren, im Gesundheitswesen hat 
zweifelsohne das Krankenhauswesen einen besonderen 
Schwerpunkt. Das Krankenhaus bedeutet für die Gesund 
heitspolitik nicht alles. Aber für uns hier in Berlin ist 
Krankenhauspolitik mm einmal ein besonderer Problem 
kreis, und die Probleme, die da einer Lösung harren, sind 
besonders schwerwiegend. Wenn es in den Ausführungen 
des Regierenden Bürgermeisters heißt, daß man sich weiter 
wie bisher um den Ausbau der Krankenhäuser kümmern 
will, so ist diese Formulierung „wie bisher“ reichlich be 
scheiden oder unzulänglich. Ich glaube, daß man auf dem 
Gebiete des Krankenhauswesens nicht vorankommen kann, 
wenn man es bei dem „wie bisher“ beläßt. 
Was die Frage der Reorganisation im Krankenhauswesen 
angeht, so ist vieles, was in den Materialien zur Regierungs 
erklärung steht, auch von der CDU-Fraktion zu tragen. Es 
entspricht in Teilen durchaus dem, was Sie auch im CDU- 
Programm nachlesen können zum Beispiel in bezug auf Ver 
kleinerung der Fachabteilungen oder Verstärkung der Ra 
tionalisierung. Und wenn jetzt der neue Senat in Aussicht 
stellt, ein Krankenhausgesetz einzubringen, so werden wir 
diese Vorlage in Ruhe abwarten und dann unser Urteil zu 
fällen haben. Manche der in dieses Krankenhausgesetz ein 
zubringenden Gesichtspunkte werden sicher auch von uns 
getragen werden. Freilich, eine solche Formulierung, wie 
sie sich hier in den Materialien findet, von dem Mitbestim 
mungsmodell und von der Mitverantwortung und -betei- 
ligung des Krankenhauspersonals an den sie betreffenden 
Entscheidungsprozessen, läßt viele Deutungsmöglichkeiten 
zu und liegt noch zu sehr im Nebel, um eine endgültige Be 
urteilung dessen, was hier gemeint ist oder gemeint sein 
soll, zuzulassen. Aber, die Formulierung ist immerhin so 
gehalten, daß sie im Zusammenhang mit einer anderen For 
mulierung in Absatz 61 doch Anlaß dazu gibt, gewisse Be 
denken zu äußern. Im Absatz 61 heißt es, daß bei allen 
Planungen und Realisierung von Strukturänderungen im 
Krankenhauswesen eine Ähnlichkeit der Grundstrukturen 
in den Universitätskliniken und den Krankenhäusern im 
außeruniversitären Bereich gewahrt bleiben soll. Meine 
Damen und Herren! s. Konzept-Reformen ja. Wir würden 
aber ein entschiedenes Nein sagen müssen zu einem et 
waigen Versuch, nach den Universitäten nun auch die 
Krankenhäuser als einen weiteren Hebel zum Umsturz un 
serer jetzigen Gesellschaftsordnung zu benutzen. 
(Beifall bei der CDU) 
Wir würden nichts davon halten, wenn das mit den For 
mulierungen in den Materialien gemeint sein sollte, von 
Sozialisierunsexperimenten, die nur durchgeftihrt werden, 
um bestimmten politischen Vorstellungen zum Durchbruch 
zu helfen, die aber letzendlich, gemessen an den Belan 
gen der Patientenversorgung, keine Vorteile, sondern eher 
Nachteile bringen. 
Lassen Sie mich auch noch ein Wort sagen zum Thema 
der Verweildauer. Dieses Thema ist hier im Abgeordneten 
haus schon oft behandelt worden. Es ist sicherlich sehr 
bedeutsam. Ich möchte aber davor warnen, die Einführung 
einer prästationären Diagnostik nun als das Allheilmittel 
zur Abkürzung einer Verweildauer ansehen zu wollen. Zu 
nächst einmal ist hierzu festzustellen, daß andere Themen 
kreise, wie beispielsweise die Rationalisierungsmaßnahmen, 
die Kommunikation zwischen den einzelnen Organen, die 
Beratung über die Einführung des Schichtdienstes, minde 
stens ebenso wichtig sind wie die Frage einer prästatio 
nären Diagnostik. Über diese Frage werden wir mit dem 
Senat sprechen. Wir möchten aber schon jetzt klarstellen, 
daß wir keinesfalls eine Aushöhlung des Bundeskassen 
arztrechts, also geltenden Bundesrechtes, wünschen und zu 
lassen wollen. Wir wünschen auch keine Verwendung von 
Senatsgeldern für Zwecke, die dem Grundsatz dieses Bun 
desrechts widersprechen. Und nach dem Grundsatz: Bun 
desrecht bricht Landesrecht, würden wir jeder Lösung ent 
gegenstehen, die zum Inhalt hat, dieses Bundesrecht zu um 
gehen. Wenn also der Senat die Absicht haben sollte, 
Polikliniken einzurichten, sie aus städtischen Mitteln zu 
finanzieren, also die Krankenkassen draußen zu lassen, 
weil das nach dem geltenden Recht nicht geht, so würden 
wir hierin eine Umgehung bundesrechtlicher Bestimmun 
gen sehen. Wenn auch der Gesetzgeber nicht expressis ver- 
bis die Gemeinden im Bundeskassenarztrecht angesprochen 
hat, würde doch eine derartige Regelung dem Sinn des 
Bundesrechtes widersprechen. Auch erscheint es mir zwei 
felhaft, daß der Senat berechtigt sein soll, Bundesmittel 
in dieser zweckentfremdenden Weise zu verwenden. 
Meine Damen und Herren! Das waren einige kritische 
Anmerkungen. Wir wollen dem neuen Senat den Start nicht 
erschweren. Aber es ist zuviel Unwägbares, das noch einer 
Klärung bedarf. Unwägbar und undurchsichtig, teilweise 
aber auch zu primitiv ist die Formulierung zu Ziffer 8 der 
Vorlage zur Beschlußfassung. Wir sehen uns deshalb nicht 
in der Lage, dieser Ziffer die Zustimmung zu geben. 
(Beifall bei der CDU) 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Regierende Bür 
germeister Schütz! 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident! 
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den 
Versuch machen — sicherlich können es im Augenblick nur
	        
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