Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
5. Sitzung am 6. Mai 1971
42
sind wir gerne bereit, mit einem Antrag etwas nachzuhelfen.
Die organisatorische Verankerung des Problemkreises in
einem Ressort ist sicher richtig; hier gelten nur zwei
Vorbehalte: es darf eben nicht nur bei dieser Bezeichnung
bleiben, das heißt, es muß organisatorisch das Erforder
liche getan werden, um dieses Ressort tatsächlich mit Leben
zu erfüllen und ihm die Mittel an die Hand zu geben, die
es ermöglichen, diese schwierigen Probleme überhaupt
anzupacken. Und zweitens: Die Behandlung dieser Pro
bleme darf, auch wenn sie beim Gesundheitswesen res-
sortiert — und das sage ich als Gesundheitspolitiker —,
nicht einseitig unter einem gesundheitspolitischen Aspekt
stehen, wenn auch einzuräumen ist, daß dieser Seite ein
Vorrang in der Beurteilung der Probleme gebührt. Der
Senat gibt selbst zu, daß es sich um einen ersten Schritt
zur administrativen Problembewältigung handelt, das be
deutet indirekt eine Bankrotterklärung für den alten Senat
und das Eingeständnis, daß man diese Probleme bisher hat
schleifen lassen.
(Beifall bei der CDU)
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Bereich
Gesundheitswesen noch einige Anmerkungen machen. Die
CDU-Fraktion nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, daß
das Gesundheitsressort wieder verselbständigt worden ist.
Damit geht eine nachhaltige Forderung der CDU in Erfül
lung. Hoffen wir, daß Sacherkenntnis zu diesem Schritt ge
führt hat und nicht das übliche personelle Wechselspiel bei
Senatsbildungen. Wir sind zur Skepsis berechtigt nach dem,
was wir seit den Zeiten des Herrn Albertz gerade auf die
sem Gebiet erlebt haben. Meine Damen und Herren! Es ist
aber nicht nur eine Verselbständigung der Senatsabteilung
für Gesundheitswesen zu verzeichnen, sondern es hat in
dem Zusammenhang auch ein peinliches Gerangel um die
Besetzung von Senatsdirektorenstellen gegeben.
Meine Damen und Herren! Nicht nur hier, auch andere
Ressorts betrifft das. Aber was interessiert das die Mehr
heitsfraktion, ob ein Fachmann gehen muß und ob der
Steuerzahler einmal mehr zur Kasse gebeten wird? Wenn
es darum geht, einen fragwürdigen Kompromiß zwischen
dem rechten und linken Flügel zu schließen und dem linken
Flügel gegenüber gewisse personelle Konzessionen mm in
die Tat umzusetzen, dann sind alle guten Vorsätze plötz
lich vergessen und dann haben wir dieses beschämende
Bild, daß Leute in Pension geschickt werden, deren fach
liches Vermögen außer Zweifel steht.
(Beifall bei der CDU)
Meine Damen und Herren! Es ist übrigens das erstemal in
der Nachkriegsgeschichte der Senats Verwaltung für Ge
sundheitswesen, daß der Posten des Senatsdirektors nicht
mit einem Arzt besetzt wird. Bisher war es eine jeweils
von den Parteien getragene stillschweigende Vereinbarung,
daß der Senatsdirektor zugleich der leitende Medizinal
beamte des Landes ist. Gegen diesen Grundsatz hat der
neue Senat verstoßen.
Nun, meine Damen und Herren, im Gesundheitswesen hat
zweifelsohne das Krankenhauswesen einen besonderen
Schwerpunkt. Das Krankenhaus bedeutet für die Gesund
heitspolitik nicht alles. Aber für uns hier in Berlin ist
Krankenhauspolitik mm einmal ein besonderer Problem
kreis, und die Probleme, die da einer Lösung harren, sind
besonders schwerwiegend. Wenn es in den Ausführungen
des Regierenden Bürgermeisters heißt, daß man sich weiter
wie bisher um den Ausbau der Krankenhäuser kümmern
will, so ist diese Formulierung „wie bisher“ reichlich be
scheiden oder unzulänglich. Ich glaube, daß man auf dem
Gebiete des Krankenhauswesens nicht vorankommen kann,
wenn man es bei dem „wie bisher“ beläßt.
Was die Frage der Reorganisation im Krankenhauswesen
angeht, so ist vieles, was in den Materialien zur Regierungs
erklärung steht, auch von der CDU-Fraktion zu tragen. Es
entspricht in Teilen durchaus dem, was Sie auch im CDU-
Programm nachlesen können zum Beispiel in bezug auf Ver
kleinerung der Fachabteilungen oder Verstärkung der Ra
tionalisierung. Und wenn jetzt der neue Senat in Aussicht
stellt, ein Krankenhausgesetz einzubringen, so werden wir
diese Vorlage in Ruhe abwarten und dann unser Urteil zu
fällen haben. Manche der in dieses Krankenhausgesetz ein
zubringenden Gesichtspunkte werden sicher auch von uns
getragen werden. Freilich, eine solche Formulierung, wie
sie sich hier in den Materialien findet, von dem Mitbestim
mungsmodell und von der Mitverantwortung und -betei-
ligung des Krankenhauspersonals an den sie betreffenden
Entscheidungsprozessen, läßt viele Deutungsmöglichkeiten
zu und liegt noch zu sehr im Nebel, um eine endgültige Be
urteilung dessen, was hier gemeint ist oder gemeint sein
soll, zuzulassen. Aber, die Formulierung ist immerhin so
gehalten, daß sie im Zusammenhang mit einer anderen For
mulierung in Absatz 61 doch Anlaß dazu gibt, gewisse Be
denken zu äußern. Im Absatz 61 heißt es, daß bei allen
Planungen und Realisierung von Strukturänderungen im
Krankenhauswesen eine Ähnlichkeit der Grundstrukturen
in den Universitätskliniken und den Krankenhäusern im
außeruniversitären Bereich gewahrt bleiben soll. Meine
Damen und Herren! s. Konzept-Reformen ja. Wir würden
aber ein entschiedenes Nein sagen müssen zu einem et
waigen Versuch, nach den Universitäten nun auch die
Krankenhäuser als einen weiteren Hebel zum Umsturz un
serer jetzigen Gesellschaftsordnung zu benutzen.
(Beifall bei der CDU)
Wir würden nichts davon halten, wenn das mit den For
mulierungen in den Materialien gemeint sein sollte, von
Sozialisierunsexperimenten, die nur durchgeftihrt werden,
um bestimmten politischen Vorstellungen zum Durchbruch
zu helfen, die aber letzendlich, gemessen an den Belan
gen der Patientenversorgung, keine Vorteile, sondern eher
Nachteile bringen.
Lassen Sie mich auch noch ein Wort sagen zum Thema
der Verweildauer. Dieses Thema ist hier im Abgeordneten
haus schon oft behandelt worden. Es ist sicherlich sehr
bedeutsam. Ich möchte aber davor warnen, die Einführung
einer prästationären Diagnostik nun als das Allheilmittel
zur Abkürzung einer Verweildauer ansehen zu wollen. Zu
nächst einmal ist hierzu festzustellen, daß andere Themen
kreise, wie beispielsweise die Rationalisierungsmaßnahmen,
die Kommunikation zwischen den einzelnen Organen, die
Beratung über die Einführung des Schichtdienstes, minde
stens ebenso wichtig sind wie die Frage einer prästatio
nären Diagnostik. Über diese Frage werden wir mit dem
Senat sprechen. Wir möchten aber schon jetzt klarstellen,
daß wir keinesfalls eine Aushöhlung des Bundeskassen
arztrechts, also geltenden Bundesrechtes, wünschen und zu
lassen wollen. Wir wünschen auch keine Verwendung von
Senatsgeldern für Zwecke, die dem Grundsatz dieses Bun
desrechts widersprechen. Und nach dem Grundsatz: Bun
desrecht bricht Landesrecht, würden wir jeder Lösung ent
gegenstehen, die zum Inhalt hat, dieses Bundesrecht zu um
gehen. Wenn also der Senat die Absicht haben sollte,
Polikliniken einzurichten, sie aus städtischen Mitteln zu
finanzieren, also die Krankenkassen draußen zu lassen,
weil das nach dem geltenden Recht nicht geht, so würden
wir hierin eine Umgehung bundesrechtlicher Bestimmun
gen sehen. Wenn auch der Gesetzgeber nicht expressis ver-
bis die Gemeinden im Bundeskassenarztrecht angesprochen
hat, würde doch eine derartige Regelung dem Sinn des
Bundesrechtes widersprechen. Auch erscheint es mir zwei
felhaft, daß der Senat berechtigt sein soll, Bundesmittel
in dieser zweckentfremdenden Weise zu verwenden.
Meine Damen und Herren! Das waren einige kritische
Anmerkungen. Wir wollen dem neuen Senat den Start nicht
erschweren. Aber es ist zuviel Unwägbares, das noch einer
Klärung bedarf. Unwägbar und undurchsichtig, teilweise
aber auch zu primitiv ist die Formulierung zu Ziffer 8 der
Vorlage zur Beschlußfassung. Wir sehen uns deshalb nicht
in der Lage, dieser Ziffer die Zustimmung zu geben.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Regierende Bür
germeister Schütz!
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den
Versuch machen — sicherlich können es im Augenblick nur