Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
20. Sitzung vom 9. Dezember 1971
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senfrequenzen in Berlin dann unter dem bundesdeutschen
Durchschnitt liegen, darf dennoch nicht vergessen werden,
daß sie noch keineswegs den optimalen pädagogischen Ge
boten genügen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend
noch das Problem der Lehrer an den Sonderschulen an
sprechen. Augenblicklich ist die Situation so, daß der gerin
gere Teil der dort tätigen Lehrer — man spricht von etwa
30 % — eine abgeschlossene Sonderschulausbildung besitzt.
Für alle übrigen dort zum Teil schon seit Jahren unter
richtenden Lehrer besteht ein Besoldungsgefälle, das unge
recht anmutet, denn: weniger Lohn bei gleicher Arbeitslei
stung. Diese Gründe erfordern die Einrichtung von Intensiv
kursen mit entsprechender Abschlußprüfung, damit diese
Gruppe den anderen in der Besoldung angeglichen werden
kann und wir auch endlich eine ausreichende Anzahl von
spezieU in dieser Fachrichtung ausgebildeten Lehrern haben.
Wir fordern — und das möchte ich zum Schluß noch einmal
wiederholen — die Vorlage einer umfassenden Planung für
den Bereich Sonderschulen, damit wir dann im Ausschuß
im einzelnen darüber beraten können.
(Beifan bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Diepgen.
Diepgen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Ich möchte doch auf einige Fragen eingehen, die hier
gesteht worden sind, zunächst einmal auf das, was der Herr
Kollege Hauff gefragt hat. Herr Kollege Hauff, ich empfehle
die Protokolle aus dem Hauptausschuß Ihrer Lektüre, die
die Argumente zu den beiden Punkten Personalstellenver
mehrung und Pädagogisches Zentrum behandeln. Wenn der
Herr Kollege Schwarz jetzt mit dem Finger zeigend bedeuten
will, daß wir hier in diesem Haus diese Diskussion führen
sollen, dann muß ich Sie doch darauf hinweisen, daß wir uns
bei der Öffentlichkeit von Ausschußsitzungen nach der neuen
Geschäftsordnung hüten müssen, auch um die Öffentlichkeit
nicht zu langweilen, daß wir alles wiederholen, was wir in
Öffentlichen Ausschußsitzungen schon bereits behandelt ha
ben. Ich jedenfalls tue das nicht.
(Abg. Stobbe: Das ist sehr gut!)
In dem Zusammenhang auch noch eine kurze Bemerkung zu
der Art, in der wir heute diskutieren müssen, nämlich
der zeitlichen Begrenzung. Ich halte das für eine Fehlent
scheidung, die mit der Geschäftsordnung getroffen wurde.
Wenn ich aber die Schlußfolgerung daraus ziehe, daß wir
jetzt hier besonders kurzgefaßt und vielleicht noch in dem
Sinne, wie Herr Kollege Stobbe es sagte, nur die Punkte
ansprechen dürfen oder sollen, die bereits im Hauptausschuß
angesprochen worden sind — zumindest in dem finanziellen
Hintergrund —, dann, meine Damen und Herren, führt das
dazu, daß wir im Hauptausschuß ausführliche politische
Debatten führen, die wir zumindest von der CDU-Fraktion
bisher bewußt nicht geführt haben. Ich muß Ihnen ge
stehen, Herr Kollege Schwarz, es hat bei Ihren Fraktions
kollegen — eine große Erleichterung war es vielleicht — auf
der anderen Seite auch Überraschung hervorgerufen, als ich
im Hauptausschuß erklärte, ich hätte keine Absicht, dort
eine Debatte über Schulkonzeptionen zu führen. Ich glaube
aber, diese Entscheidung war richtig. Das bedeutet also, daß
wir hier die politische Gesamtdebatte auch im Rahmen des
Haushalts nicht — wie mir vom Verständnis des Parlaments
her scheint — durch unzulässige Redezeitbegrenzung ein
schränken. Das zu dem, Herr Kollege Hauff.
Nun noch etwas zu der Frage der gesellschaftspolitischen
Grundlagen. Herr Kollege Hauff, ich kann Ihnen ein Ver
sprechen geben. Ich bin ganz sicher, daß Ihre Fraktion und
Ihre Partei uns Anlaß geben werden, im Rahmen einer
Großen Anfrage im Laufe des nächsten Jahres ausführlich
die gesellschaftspolitischenGrundlagen einzelner Entschei
dungen Ihrer Partei zu diskutieren. Das scheint mir dann
der richtige Zeitpunkt für die Aussprache zu sein. Wenn
ich jetzt definiere, wird es zu langwierig.
(Abg. Schwarz: Ohne Substanz!)
Der weitere Punkt, Herr Kollege Hauff,
(Abg. Hauff: Das sind ja finstere Drohungen!)
— ich nehme es mit Interesse zur Kenntnis, daß Sie das als
eine Drohung auffassen. Das zeigt, wie schwach Ihre Posi
tion offenbar ist.
(Beifall bei der CDU)
Was anderes soll ich daraus schlußfolgern ? —
Meine Damen und Herren! Ich stelle auch folgendes fest,
und zwar ausgehend von der Fragestellung des Herrn Kol
legen Schwarz, der sagte, er verstände das Nein meiner
Fraktion zu dem Schuletat nicht. Herr Kollege Schwarz, hier
ist mit keinem Wort bisher zu dem Haupteinwand, den ich
erhoben habe, der Frage, ob die Prioritätensetzung richtig
war, dem Antrag betr. 20 Millionen für den Schulbau bei
spielsweise, Stellung genommen worden. Hier ist von Ihrer
Fraktion mit keinem Wort Stellung genommen worden zu
dem Problem des Bildungsgefälles zwischen den Bezirken,
das immer dringender in dieser Stadt wird. Das allein reicht
schon neben den Einzelaspekten, die meine Kollegen vorge
tragen haben und die auch der Herr Kollege Kayser zum
Teil vorgetragen hat, aus zu einem klaren politischen Nein
meiner Fraktion zu diesem Schuletat.
Vielleicht noch eine ganz kurze abschließende Bemerkung.
Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Hauff, es wäre manch
mal sinnvoll, wenn Sie weniger davon argumentieren wür
den, wie interessant Sie es finden, daß wir Einzelalspekte
herausgreifen, um noch Kritik formulieren zu können. Wenn
man Grundsatzfragen der Verwirklichung der wichtigsten
büdungspolitischen Postulate und beispielsweise das Ver
hältnis zwischen den Bezirken — Ausgangsposition für die
Verwirklichung des Prinzips der Chancengleichheit — dar
stellt, dann sind das keine an den Haaren herbeigezogenen
einzelnen Punkte. Ich habe den Eindruck, Ihre Fraktion wird
sich daran gewöhnen müssen, daß man sich in diesem Hause
sehr intensiv und sehr detailliert kritisch zu Ihrer Schul
politik äußert, Sie sollten nicht mit einer gewissen Arroganz
— anders kann ich es nicht bezeichnen — darüber hinweg
zugehen suchen.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Senator Löffler.
Löffler, Senator für Schulwesen: Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Wenngleich ich mir vor
genommen habe, die Chance zu suchen, auch nicht wesentlich
länger als zehn Minuten, nämlich die Zeit, die den Abgeord
neten für Einzelbeiträge zugestanden ist, auszunutzen, so
kann ich jetzt es nicht mehr im Moment garantieren, denn
die letzten Bemerkungen veranlassen mich doch, einiges
deutlicher auszusprechen.
Ich hatte zunächst nach der ersten Runde der Fraktions-
Sprecher eigentlich die Vorstellung, mich bei aller Einzel
kritik bei den Fraktionen insgesamt zu bedanken, denn ein
Bildungssenator, ein Schulsenator kann nur zufrieden sein,
wenn von den Sprechern der Fraktionen Ermutigungen aus
gehen und Ermunterungen ausgesprochen werden, daß noch
mehr getan wird — werden soll für diesen Bereich. Ich er
innere mich der Debatten in diesem Hause, wo bei vergleich
barem Anlaß eben das bestritten worden ist. Beim Bildungs
wesen handelt es sich um einen Bereich, der zu Recht von
den Finanzpolitiken! als ein unersättlicher Bereich genannt
wird, weil neue Entwicklungen immer dazu führen, daß
modernere Formen des Lernens in moderneren Gebäuden
wünschenswert erscheinen und man insgesamt sehr schnell
an einen Punkt kommt, wo man feststellen muß, daß das
allgemein Wünschbare nicht in sehr kurzen Zeithorizonten
erfüllt werden kann, zumindest dann nicht, wenn der Her
aufsetzung des Wunschhorizontes nicht im gleichen Maße
die insgesamt zusätzliche Bereitstellung der Mittel seitens
des Bürgers stattfindet. Wir sollten hier nicht streiten über
die Punkte, über die es in der gesamten Bildungsdiskussion
im Geltungsbereich des Grundgesetzes keine Differenzen
gibt, daß in keinem Lande der Bundesrepublik die pädago
gisch erwünschte Durchschnittsfrequenz vorhanden ist, daß
in keinem Lande der Bundesrepublik der Anteil der vor-