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Volume Nr. 20, 9. Dezember 1971

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1971, 6. Wahlperiode, Band I, 1.-21. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
20. Sitzung vom 9. Dezember 1971 
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rückgehen. Bei aller Diskussion um die Frage der Verschul 
dung muß gesagt werden: Wenn man diese nicht wünscht, 
muß dazu eine entsprechende Alternative geboten werden. 
Im Hauptausschuß ist in diesem Zusammenhang deutlich 
gemacht worden — von allen Fraktionen —, wie wichtig 
für die Bewältigung der öffentlichen Aufgaben — wenn die 
Verschuldung nicht weiter anwachsen soll — die Erhöhung 
der Steuerlastquote ist. 
Die Bundeshilfe wird einschließlich des Bundesdarlehens 
1972 3,998 Milliarden DM betragen. Von 1971 zu 1972 ist 
damit ein Zuwachs von 17 % erreicht worden. Erstmalig 
konnte schon während der Etatberatung hier in Berlin 
eine feste Zusage der Bundeshilfe entgegengenommen wer 
den. Früher war dieser Posten bei der Etatverabschiedung 
immer noch offen. In diesem Jahr hat der Haushaltsaus 
schuß des Bundestages hier in Berlin die Bundeshilfe be 
reits beschlossen. Ich glaube, daß wir hier noch einmal aus 
drücklich den Dank dieses Parlaments und der Berliner 
Bevölkerung feststellen sollten. 
(Beifall) 
Die Struktur der Bundeshilfe hat allerdings eine Änderung 
erfahren insoweit, als der variable Bundeszuschuß ab 1972 
wegfallen soll. 
Hinsichtlich der veranschlagten Steuereinnahmen konnte 
während der Hauptausschußberatung ebenfalls noch eine 
Änderung im Sinne einer Verbesserung der Einnahme- 
Seite vorgenommen werden. Der Landesantexi der Umsatz 
steuer, der noch vom Senat mit 30 vom Hundert veran 
schlagt war, kann nun auf 33 vom Hundert, das macht 
30 Millionen DM für den Haushalt aus, erhöht werden. Die 
endgültige Höhe des Landesanteils der Umsatzsteuer steht 
zwar noch nicht fest, aber von 33 % kann mit Sicherheit 
ausgegangen werden. Ein Teil dieser 30 Millionen muß 
jedoch zum Ausgleich der entgegen der Erwartung des 
Senats nicht eintretenden Erhöhung der Zinseinnahmen 
für Darlehen der Wohnungsbauprogramme 1960 bis 1968 
verwendet werden. Der darauf entfallende Anteil beträgt 
23 Millionen DM. 
In der ersten Lesung dieses Haushaltsplanentwurfs hat 
besonders die Notwendigkeit der Verbesserung der Ein 
nahmeseite im Vordergrund der Debatte gestanden. Neben 
der Erhöhung einer Vielzahl von Verwaltungseinnahmen 
hat der Senat — soweit es in seiner Zuständigkeit liegt 
— auch Entscheidungen getroffen, die zur Verbesserung 
der Steuereinnahmen führen sollen. Davon betroffen ist die 
Hundesteuer — die Erhöhung dieser Steuer ist vom Haupt 
ausschuß mit Mehrheit beschlossen worden —, die Grund 
steuer — deren Hebesatz von 300 auf 330 % erhöht werden 
soll — und die neu einzuführende Bootsmotorensteuer. 
Über die Bootsmotorensteuer hat der Ausschuß noch keine 
Entscheidung fällen können, weil noch die Entscheidung 
der übrigen Ausschüsse aussteht. Wir werden voraussicht 
lich diese Frage erst im nächsten Jahr in diesem Hause 
behandeln können. 
Der Haushalt gilt in der Öffentlichkeit als „ein Buch mit 
sieben Siegeln“. Der Hauptausschuß hat diesen Haushalts 
plan fast durchweg vor der Öffentlichkeit erörtert. Ledig 
lich die Ausgaben für die Bevorratung, die Förderung der 
Industrie- und Gewerbeansiedlung, die Verbesserung der 
Wirtschaftsstruktur, die Darlehensaufnahmen und der da 
mit verbundene Schuldendienst wurden wegen der Berüh 
rung der Interessen außerhalb der Verwaltung Stehender 
in nichtöffentlichen Sitzungen beraten. Der Hauptausschuß 
glaubt, einen Beitrag zur Transparenz dieses wichtigen 
Arbeitsinstrumentes der Regierung geleistet und auch seine 
eigenen Entscheidungen in der Öffentlichkeit damit verdeut 
licht zu haben. 
Lassen Sie mich zum Schluß allen danken, die dazu bei 
getragen haben, daß die Beratungen im Hauptausschuß so 
zügig abgewickelt werden konnten — insbesondere den 
Mitarbeitern in der Senatsverwaltung für Finanzen. Lassen 
Sie mich aber auch allen Kollegen im Hauptausschuß Dank 
sagen für die gute Atmosphäre, in der wir arbeiten konnten. 
In der Schlußabstimmung über den Haushaltsplan ent 
hielt sich die CDU-Fraktion der Stimme, die F.D.P. stimmte 
dagegen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Be 
schlußempfehlungen des Hauptausschusses vom 16. Novem 
ber 1971 — Drucksache 6/249 und Drucksache 6/250 — Ihre 
Zustimmung zu geben. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. 
(Beifall bei der SPD) 
Präsident Sickert: Meine Damen und Herren, Sie haben 
die ausführliche Berichterstattung entgegengenommen. Ich 
eröffne nunmehr die allgemeine Beratung. 
Der Ältestenrat empfiehlt, die Redezeitbeschränkung auf 
zuheben. — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so be 
schlossen. 
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mendel. 
Mendel (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Als am 23. September dieses Jahres der Haushaltsplan 
1972 in erster Lesung beraten wurde, hat der Herr Senator 
für Finanzen 4 Punkte herausgestellt, nach denen der Ent 
wurf des Senates geprägt war: 
1. Der Verlauf der gegenwärtigen Haushalts Wirtschaft. 
2. Die sich aus dem Konjunkturablauf ergebenden Erfor 
dernisse. 
3. Die weitgehende Berücksichtigung der kommunalen 
Gesichtspunkte. 
4. Die Gewährleistung gesellschaftspolitischer Vorstel 
lungen. 
Hierzu wurde gesagt, und das ist das Wichtige, daß das 
Programm, Berlin als Modell einer modernen Großstadt 
auszubauen, finanziell gesichert sei auf der Basis der Finanz 
planung. Es wurde aber auch gesagt, daß eine drastische 
Volumenkürzung aus der Konjunkturlage heraus notwendig 
gewesen war entgegen den ersten Veranschlagungen, da der 
Finanzbeirat noch Mitte dieses Jahres entsprechende Be 
schlüsse gefaßt hatte. 
Hier zeigt sich die ganze Schwäche der amtlichen Kon 
junkturpolitik in der Bundesrepublik. Wir haben wohl in 
diesem Jahr die letzten Maßnahmen des Konjunkturpro 
grammes aus dem Jahre 1968 abgeschlossen, d. h. wir haben 
der Wirtschaft immer noch Pinanzspritzen zur Expansion 
gegeben, als amtlich schon wieder gebremst werden müßte, 
da der „Aufschwung nach Maß“ von Herrn Professor Schil 
ler eben nicht funktioniert hat. 
Der Senat bereitet für März 1972 ein neues Konjunktur 
programm — also etwas ähnliches wie einen Eventualhaus 
halt — vor auf Veranlassung der Bundesregierung — und 
das wenige Monate nach der Kürzung des Etatvolumens aus 
konjunkturellen Gründen. 
Wer soll da eigentlich noch herausfinden, welche Wirt 
schaftspolitik in Deutschland betrieben wird; wer wundert 
sich, wenn in einem solchen Tohuwabohu die Preise weg 
laufen, weil weder die Wirtschaft noch die Tarifpartner 
irgendwo eine Leitlinie finden, die mehrere Monate lang 
Gültigkeit hat. 
Wenn die Etatsumme 1972 um 10 % steigt und die drei 
großen Blöcke — Personalkosten, Sachausgaben, Investitio 
nen — etwa gleichmäßig um denselben Betrag steigen, be 
deutet das, daß die Steigerung bei den Investitionen fast 
ausschließlich die Preissteigerungen ausgleicht, daß aber das 
tatsächliche Investitionsvolumen nicht steigt — ein schlech 
ter Weg, um ein Großstadtmodell zu entwickeln. Erheblich 
ist allerdings, was nun noch an Investitionen außerhalb 
des Haushalts hinzukommt. Das ist vor allem das Ober- 
schulbauprogramm, eine dringende kommunale Aufgabe, 
aber kein Modellversuch — ein Programm, das wir selbst 
verständlich mittragen. Was wir von dem anderen geplanten 
Großobjekt aus Kapitalmitteln — der Kongreßhalle —- 
halten, werden wir an anderer Stelle sagen. 
Ich will hier nicht um die Prozente streiten, die als zu 
künftige Belastung des Haushalts für Kapitaldienst genannt 
worden sind — ob man Zinsen oder auch Tilgung rechnen 
muß —, sondern ich möchte nur darauf hinweisen, daß die 
Mittelfristige Finanzplanung, die wir in diesem Jahr be 
kommen, die dann bis 1976 gehen wird und die die Be-
	        
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