Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
20. Sitzung vom 9. Dezember 1971
516
rückgehen. Bei aller Diskussion um die Frage der Verschul
dung muß gesagt werden: Wenn man diese nicht wünscht,
muß dazu eine entsprechende Alternative geboten werden.
Im Hauptausschuß ist in diesem Zusammenhang deutlich
gemacht worden — von allen Fraktionen —, wie wichtig
für die Bewältigung der öffentlichen Aufgaben — wenn die
Verschuldung nicht weiter anwachsen soll — die Erhöhung
der Steuerlastquote ist.
Die Bundeshilfe wird einschließlich des Bundesdarlehens
1972 3,998 Milliarden DM betragen. Von 1971 zu 1972 ist
damit ein Zuwachs von 17 % erreicht worden. Erstmalig
konnte schon während der Etatberatung hier in Berlin
eine feste Zusage der Bundeshilfe entgegengenommen wer
den. Früher war dieser Posten bei der Etatverabschiedung
immer noch offen. In diesem Jahr hat der Haushaltsaus
schuß des Bundestages hier in Berlin die Bundeshilfe be
reits beschlossen. Ich glaube, daß wir hier noch einmal aus
drücklich den Dank dieses Parlaments und der Berliner
Bevölkerung feststellen sollten.
(Beifall)
Die Struktur der Bundeshilfe hat allerdings eine Änderung
erfahren insoweit, als der variable Bundeszuschuß ab 1972
wegfallen soll.
Hinsichtlich der veranschlagten Steuereinnahmen konnte
während der Hauptausschußberatung ebenfalls noch eine
Änderung im Sinne einer Verbesserung der Einnahme-
Seite vorgenommen werden. Der Landesantexi der Umsatz
steuer, der noch vom Senat mit 30 vom Hundert veran
schlagt war, kann nun auf 33 vom Hundert, das macht
30 Millionen DM für den Haushalt aus, erhöht werden. Die
endgültige Höhe des Landesanteils der Umsatzsteuer steht
zwar noch nicht fest, aber von 33 % kann mit Sicherheit
ausgegangen werden. Ein Teil dieser 30 Millionen muß
jedoch zum Ausgleich der entgegen der Erwartung des
Senats nicht eintretenden Erhöhung der Zinseinnahmen
für Darlehen der Wohnungsbauprogramme 1960 bis 1968
verwendet werden. Der darauf entfallende Anteil beträgt
23 Millionen DM.
In der ersten Lesung dieses Haushaltsplanentwurfs hat
besonders die Notwendigkeit der Verbesserung der Ein
nahmeseite im Vordergrund der Debatte gestanden. Neben
der Erhöhung einer Vielzahl von Verwaltungseinnahmen
hat der Senat — soweit es in seiner Zuständigkeit liegt
— auch Entscheidungen getroffen, die zur Verbesserung
der Steuereinnahmen führen sollen. Davon betroffen ist die
Hundesteuer — die Erhöhung dieser Steuer ist vom Haupt
ausschuß mit Mehrheit beschlossen worden —, die Grund
steuer — deren Hebesatz von 300 auf 330 % erhöht werden
soll — und die neu einzuführende Bootsmotorensteuer.
Über die Bootsmotorensteuer hat der Ausschuß noch keine
Entscheidung fällen können, weil noch die Entscheidung
der übrigen Ausschüsse aussteht. Wir werden voraussicht
lich diese Frage erst im nächsten Jahr in diesem Hause
behandeln können.
Der Haushalt gilt in der Öffentlichkeit als „ein Buch mit
sieben Siegeln“. Der Hauptausschuß hat diesen Haushalts
plan fast durchweg vor der Öffentlichkeit erörtert. Ledig
lich die Ausgaben für die Bevorratung, die Förderung der
Industrie- und Gewerbeansiedlung, die Verbesserung der
Wirtschaftsstruktur, die Darlehensaufnahmen und der da
mit verbundene Schuldendienst wurden wegen der Berüh
rung der Interessen außerhalb der Verwaltung Stehender
in nichtöffentlichen Sitzungen beraten. Der Hauptausschuß
glaubt, einen Beitrag zur Transparenz dieses wichtigen
Arbeitsinstrumentes der Regierung geleistet und auch seine
eigenen Entscheidungen in der Öffentlichkeit damit verdeut
licht zu haben.
Lassen Sie mich zum Schluß allen danken, die dazu bei
getragen haben, daß die Beratungen im Hauptausschuß so
zügig abgewickelt werden konnten — insbesondere den
Mitarbeitern in der Senatsverwaltung für Finanzen. Lassen
Sie mich aber auch allen Kollegen im Hauptausschuß Dank
sagen für die gute Atmosphäre, in der wir arbeiten konnten.
In der Schlußabstimmung über den Haushaltsplan ent
hielt sich die CDU-Fraktion der Stimme, die F.D.P. stimmte
dagegen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Be
schlußempfehlungen des Hauptausschusses vom 16. Novem
ber 1971 — Drucksache 6/249 und Drucksache 6/250 — Ihre
Zustimmung zu geben. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Meine Damen und Herren, Sie haben
die ausführliche Berichterstattung entgegengenommen. Ich
eröffne nunmehr die allgemeine Beratung.
Der Ältestenrat empfiehlt, die Redezeitbeschränkung auf
zuheben. — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so be
schlossen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mendel.
Mendel (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Als am 23. September dieses Jahres der Haushaltsplan
1972 in erster Lesung beraten wurde, hat der Herr Senator
für Finanzen 4 Punkte herausgestellt, nach denen der Ent
wurf des Senates geprägt war:
1. Der Verlauf der gegenwärtigen Haushalts Wirtschaft.
2. Die sich aus dem Konjunkturablauf ergebenden Erfor
dernisse.
3. Die weitgehende Berücksichtigung der kommunalen
Gesichtspunkte.
4. Die Gewährleistung gesellschaftspolitischer Vorstel
lungen.
Hierzu wurde gesagt, und das ist das Wichtige, daß das
Programm, Berlin als Modell einer modernen Großstadt
auszubauen, finanziell gesichert sei auf der Basis der Finanz
planung. Es wurde aber auch gesagt, daß eine drastische
Volumenkürzung aus der Konjunkturlage heraus notwendig
gewesen war entgegen den ersten Veranschlagungen, da der
Finanzbeirat noch Mitte dieses Jahres entsprechende Be
schlüsse gefaßt hatte.
Hier zeigt sich die ganze Schwäche der amtlichen Kon
junkturpolitik in der Bundesrepublik. Wir haben wohl in
diesem Jahr die letzten Maßnahmen des Konjunkturpro
grammes aus dem Jahre 1968 abgeschlossen, d. h. wir haben
der Wirtschaft immer noch Pinanzspritzen zur Expansion
gegeben, als amtlich schon wieder gebremst werden müßte,
da der „Aufschwung nach Maß“ von Herrn Professor Schil
ler eben nicht funktioniert hat.
Der Senat bereitet für März 1972 ein neues Konjunktur
programm — also etwas ähnliches wie einen Eventualhaus
halt — vor auf Veranlassung der Bundesregierung — und
das wenige Monate nach der Kürzung des Etatvolumens aus
konjunkturellen Gründen.
Wer soll da eigentlich noch herausfinden, welche Wirt
schaftspolitik in Deutschland betrieben wird; wer wundert
sich, wenn in einem solchen Tohuwabohu die Preise weg
laufen, weil weder die Wirtschaft noch die Tarifpartner
irgendwo eine Leitlinie finden, die mehrere Monate lang
Gültigkeit hat.
Wenn die Etatsumme 1972 um 10 % steigt und die drei
großen Blöcke — Personalkosten, Sachausgaben, Investitio
nen — etwa gleichmäßig um denselben Betrag steigen, be
deutet das, daß die Steigerung bei den Investitionen fast
ausschließlich die Preissteigerungen ausgleicht, daß aber das
tatsächliche Investitionsvolumen nicht steigt — ein schlech
ter Weg, um ein Großstadtmodell zu entwickeln. Erheblich
ist allerdings, was nun noch an Investitionen außerhalb
des Haushalts hinzukommt. Das ist vor allem das Ober-
schulbauprogramm, eine dringende kommunale Aufgabe,
aber kein Modellversuch — ein Programm, das wir selbst
verständlich mittragen. Was wir von dem anderen geplanten
Großobjekt aus Kapitalmitteln — der Kongreßhalle —-
halten, werden wir an anderer Stelle sagen.
Ich will hier nicht um die Prozente streiten, die als zu
künftige Belastung des Haushalts für Kapitaldienst genannt
worden sind — ob man Zinsen oder auch Tilgung rechnen
muß —, sondern ich möchte nur darauf hinweisen, daß die
Mittelfristige Finanzplanung, die wir in diesem Jahr be
kommen, die dann bis 1976 gehen wird und die die Be-