Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
19. Sitzung vom 8. Dezember 1971
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Reform der konventionellen Referendar-Ausbildung und
zum zweiten ein Angebotsmodell über die einstufige Aus
bildung der Juristen in Berlin.
Bei der Reform der Referendar-Ausbildung bewegt uns
insbesondere die Tatsache, daß wir uns bemühen müssen,
mehr Praxis in die Ausbildung zu bringen. Die gegen
wärtige Ausbildung ist zu praxisfern, und es erscheint uns
notwendig, das Mehr an Praxis in die praktische Ausbil
dung zu bringen, indem wir halbe Dezernate zur Bearbei
tung anbieten. Das heißt, daß etwa die Hälfte der Ein
gänge des Tages von einem Referendar zu bearbeiten sein
wird. Ferner erscheint es uns notwendig, daß wir in
Zukunft zu einer relativ hohen eigenverantwortlichen
Tätigkeit der Referendare kommen. Der Referendar ist
selbstverständlich in der Ausbildung; er ist aber kein
bloßes Objekt der Ausbildung, er muß vielmehr zuneh
mend eigenverantwortlich an die Arbeit herangeführt
werden.
Weiterhin ist es notwendig, daß wir eine Ausbildungs
struktur schaffen, die praktikabel ist, und hier, Herr Sena
tor, habe ich Bedenken in bezug auf Vorstellungen, die Sie
haben mit der Vielfalt der Schwerpunkte. Ich glaube, es
kommt darauf an, Wahlmöglichkeiten als Schwerpunkte
sinnvoll zu verbinden mit der Notwendigkeit von Teilen
der gleichen Ausbildung aller Referendare, Eine zu große
Schwerpunktbildung scheint mir einfach nicht praktikabel
zu sein. Ich würde in der Sache bei einer zu großen
Zersplitterung auch Bedenken haben.
Wenn wir Schwerpunkte vorlegen, so taucht auch die
Frage auf, ob dadurch der Referendar vielleicht zu früh
in die Notwendigkeit gezwungen wird, seinerseits zu wäh
len. Ich glaube, daß diese Gefahr nicht besteht, daß er
nach unseren Vorstellungen zu früh zur Wahl gehen muß,
um eben seine Struktur zu wählen, sondern nach unseren
Vorstellungen ist eine Verbindung gefunden worden von
einer Grundausbildung und der sich anschließenden Schwer
punktausbildung. Wir werden über diese vielen Einzelheiten
im Ausschuß uns sehr eingehend unterhalten müssen.
Ich glaube aber, daß ich hier noch einen Gedanken zur
zweistufigen Ausbildung entwickeln muß. Es ist die Frage
der Prüfungen. Die Prüfungen werden heute vielfach in
einer Form vorgenommen, die völlig anders ist als die
Arbeit in der Praxis. Ich glaube sogar, daß die juristische
Prüfungsform gegenwärtig besonders fern der Arbeits
form der Juristen in der Praxis ist, und daraus ergibt sich
die Notwendigkeit, zur Änderung zu gelangen. Es gibt
hier partielle Übereinstimmungen. So soll die Hausarbeit
abgeschafft werden, was Herr Senator, nicht nur wegen
der Notwendigkeit der Verkürzung der Ausbildungszeit
erfolgen muß, sondern auch, weil wegen der Form, in der
Hausarbeiten weitläufig in Berlin geschrieben werden,
Grundanforderungen der Prüfungsgerechtigkeit einfach
nicht mehr bestehen.
Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur ein
stufigen Ausbildung machen. Ich glaube, daß wir in Berlin
eine solche einstufige Ausbildung brauchen. Natürlich weiß
ich auch, daß die Einführung einer einstufigen Ausbildung
einige Problematik Ausbildung jetzt ist, auf gar keinen
Fall bleiben kann, und ich hoffe, daß wir zum notwendigen
Zeitpunkt, den das deutsche Richtergesetz geschaffen hat,
möglichst geschlossen in der praktikabelsten Form eine
Ausbildungsstruktur anbieten können, die modernen Erfor
dernissen gerecht wird und die Juristen weiter Juristen
bleiben läßt; denn Gesellschaftsmechanisten - das darf ich
abschließend sehr deutlich noch sagen Gesellschafts
mechanisten anstelle von Juristen, wollen wir nicht.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Ich eröffne
die I. Lesung. Das Wort hat Herr Senator Korber!
Korber, Senator für Justiz; Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dem Gesetz
entwurf der CDU nur einige wenige Anmerkungen machen,
weil ich mit dem übereinstimme, was vor kurzem Herr
Abgeordneter Oxfort hier gesagt hat: daß allzuleicht die
Gefahr besteht, bei Plenumsdebatten über juristische Aus
bildung zu ermüden.
Ich räume ein, daß Ihr Entwurf durchaus einen kon
struktiven Beitrag zur Frage der Juristenausbildung dar
stellt, und diese Feststellung behält auch dann ihre Gültig
keit, wenn ich hinzufüge, daß es Ihnen bei der Formulie
rung der 82 Paragraphen wohl weniger auf die gesetzes
technische Feinheit als auf einige Grundvorstellungen an
kam, aber ich habe Ihren Entwurf denselben Stellen zur
Kenntnisnahme und Stellungnahme zugeleitet, denen ich
am 14. Oktober meinen Entwurf im offiziellen Anhörungs
verfahren zugeleitet habe.
Ich wollte hier eigentlich auf jede Polemik verzichten.
Aber in einem Punkt muß ich wirklich etwas entschieden
zurückweisen und muß Ihnen sogar sagen, daß Sie dies
wider besseres Wissen vorgetragen haben: Im Sommer
ist das Bundesgesetz, das eine Reduzierung des Vorberei
tungsdienstes auf 24 Monate bringt, erst in Kraft getreten,
und bereits noch vor oder auf der letzten Sitzung des Ab
geordnetenhauses habe ich schon die Grundsätze im Vor
verfahren versandt und habe — natürlich im Gegensatz zu
Ihnen, wozu Sie nicht verpflichtet sind — dann das An
hörungsverfahren durchgeführt, und gestern hat der Senat
bereits die Gesetzesvorlage verabschiedet. Damit habe ich
den Zeitplan eingehalten — schneller ging es wirklich
nicht —, den ich hier im Sommer verkündet habe. Das
Abgeordnetenhaus, konkreter gesagt, der Justizausschuß
wird also in der Lage sein, zu Beginn des Jahres beide
Entwürfe gemeinsam und noch rechtzeitig zu erörtern.
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Fielitz.
Fieiitz (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Ich will mich kurz fassen. Dafür, daß der Kollege Kunz
längere Ausführungen gemacht hat, habe ich durchaus
menschliches Verständnis aus der persönlichen Situation
des Kollegen.
(Heiterkeit bei der SPD — Zuruf)
Die Fraktion betrachtet die Vorlage, die uns hier ins Haus
gebracht wurde, als einen interessanten Beitrag zur Aus
bildung und zur Reform der Juristenausbildung; allerdings
kann oder soll hier angemerkt werden, daß — und darauf
hat der Senator Korber auch schon hingewiesen — ja dies
im Wissen darum geschah, daß in der ersten Sitzung des
neuen Jahres die Senatsvorlage zum gleichen Thema hier
dem Hause vorliegen wird. Ich darf mit Genehmigung des
Herrn Präsidenten aus dem Protokoll der zweiten Sitzung
des Justizausschusses vom 14. Oktober nur einen Satz
zitieren, daß Senator Korber mitteilt, er rechne weiterhin
damit, daß der Gesetzentwurf dem Plenum in seiner ersten
Sitzung im neuen Jahr vorliegen werde. Wie wir inzwischen
aus der Presse entnommen haben — und das begrüßt meine
Fraktion —, ist diese Vorlage im Senat bereits beschlossen,
so daß diese Terminzusage wohl in vollem Umfange ein
gehalten werden kann. Wir begrüßen es auch, daß Herr
Senator Korber die Vorlage, die Sie hier eingebracht haben,
meine Damen und Herren von der CDU, den Gremien zu
geleitet hat, denen er seine Gedanken zur Stellungnahme
zugeleitet hat, um hier an der Meßlatte der Betroffenen
und Interessierten auch Ihren Entwurf genauso auf seine
Substanz prüfen zu können, wie das hier in dem Entwurf
des Senats geschehen ist im Anhörungsverfahren.
Zur Sache selbst nur zwei Anmerkungen. Teilweise ist
die Vorlage ja deckungsgleich mit den Materialien, die
auch Ihnen seit einiger Zeit Vorgelegen haben, so daß in
soweit Anmerkungen entfallen können. Einen Punkt möchte
ich hier nur herausgreifen, Herr Kollege Kunz, das ist die
Frage der einstufigen Juristenausbildung. Hier darf ich
einmal darauf hinweisen, daß es Probleme gibt, die in der
Realisierung dieser Vorstellung liegen, die in der Situation
der Universität, der vorhandenen Juristen, des Bedarfs an
Juristen, der finanziellen Lage liegen, und hier wird es
sicher einige Probleme geben, über die wir uns werden
unterhalten müssen, wobei ich hier anmerken darf, Herr
Kollege Kunz, daß meines Erachtens Ihre Vorstellung —
man nennt sie ja wohl das Münchner Modell ln etwa, das
ist ja dasselbe — mir nicht die Idealvorstellung von der
einphasigen Juristenausblidung, sondern eher der Versuch