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Volume Nr. 19, 8. Dezember 1971

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1971, 6. Wahlperiode, Band I, 1.-21. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
19. Sitzung vom 8. Dezember 1971 
493 
Reform der konventionellen Referendar-Ausbildung und 
zum zweiten ein Angebotsmodell über die einstufige Aus 
bildung der Juristen in Berlin. 
Bei der Reform der Referendar-Ausbildung bewegt uns 
insbesondere die Tatsache, daß wir uns bemühen müssen, 
mehr Praxis in die Ausbildung zu bringen. Die gegen 
wärtige Ausbildung ist zu praxisfern, und es erscheint uns 
notwendig, das Mehr an Praxis in die praktische Ausbil 
dung zu bringen, indem wir halbe Dezernate zur Bearbei 
tung anbieten. Das heißt, daß etwa die Hälfte der Ein 
gänge des Tages von einem Referendar zu bearbeiten sein 
wird. Ferner erscheint es uns notwendig, daß wir in 
Zukunft zu einer relativ hohen eigenverantwortlichen 
Tätigkeit der Referendare kommen. Der Referendar ist 
selbstverständlich in der Ausbildung; er ist aber kein 
bloßes Objekt der Ausbildung, er muß vielmehr zuneh 
mend eigenverantwortlich an die Arbeit herangeführt 
werden. 
Weiterhin ist es notwendig, daß wir eine Ausbildungs 
struktur schaffen, die praktikabel ist, und hier, Herr Sena 
tor, habe ich Bedenken in bezug auf Vorstellungen, die Sie 
haben mit der Vielfalt der Schwerpunkte. Ich glaube, es 
kommt darauf an, Wahlmöglichkeiten als Schwerpunkte 
sinnvoll zu verbinden mit der Notwendigkeit von Teilen 
der gleichen Ausbildung aller Referendare, Eine zu große 
Schwerpunktbildung scheint mir einfach nicht praktikabel 
zu sein. Ich würde in der Sache bei einer zu großen 
Zersplitterung auch Bedenken haben. 
Wenn wir Schwerpunkte vorlegen, so taucht auch die 
Frage auf, ob dadurch der Referendar vielleicht zu früh 
in die Notwendigkeit gezwungen wird, seinerseits zu wäh 
len. Ich glaube, daß diese Gefahr nicht besteht, daß er 
nach unseren Vorstellungen zu früh zur Wahl gehen muß, 
um eben seine Struktur zu wählen, sondern nach unseren 
Vorstellungen ist eine Verbindung gefunden worden von 
einer Grundausbildung und der sich anschließenden Schwer 
punktausbildung. Wir werden über diese vielen Einzelheiten 
im Ausschuß uns sehr eingehend unterhalten müssen. 
Ich glaube aber, daß ich hier noch einen Gedanken zur 
zweistufigen Ausbildung entwickeln muß. Es ist die Frage 
der Prüfungen. Die Prüfungen werden heute vielfach in 
einer Form vorgenommen, die völlig anders ist als die 
Arbeit in der Praxis. Ich glaube sogar, daß die juristische 
Prüfungsform gegenwärtig besonders fern der Arbeits 
form der Juristen in der Praxis ist, und daraus ergibt sich 
die Notwendigkeit, zur Änderung zu gelangen. Es gibt 
hier partielle Übereinstimmungen. So soll die Hausarbeit 
abgeschafft werden, was Herr Senator, nicht nur wegen 
der Notwendigkeit der Verkürzung der Ausbildungszeit 
erfolgen muß, sondern auch, weil wegen der Form, in der 
Hausarbeiten weitläufig in Berlin geschrieben werden, 
Grundanforderungen der Prüfungsgerechtigkeit einfach 
nicht mehr bestehen. 
Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur ein 
stufigen Ausbildung machen. Ich glaube, daß wir in Berlin 
eine solche einstufige Ausbildung brauchen. Natürlich weiß 
ich auch, daß die Einführung einer einstufigen Ausbildung 
einige Problematik Ausbildung jetzt ist, auf gar keinen 
Fall bleiben kann, und ich hoffe, daß wir zum notwendigen 
Zeitpunkt, den das deutsche Richtergesetz geschaffen hat, 
möglichst geschlossen in der praktikabelsten Form eine 
Ausbildungsstruktur anbieten können, die modernen Erfor 
dernissen gerecht wird und die Juristen weiter Juristen 
bleiben läßt; denn Gesellschaftsmechanisten - das darf ich 
abschließend sehr deutlich noch sagen Gesellschafts 
mechanisten anstelle von Juristen, wollen wir nicht. 
(Beifall bei der CDU) 
Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Ich eröffne 
die I. Lesung. Das Wort hat Herr Senator Korber! 
Korber, Senator für Justiz; Herr Präsident! Meine sehr 
verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dem Gesetz 
entwurf der CDU nur einige wenige Anmerkungen machen, 
weil ich mit dem übereinstimme, was vor kurzem Herr 
Abgeordneter Oxfort hier gesagt hat: daß allzuleicht die 
Gefahr besteht, bei Plenumsdebatten über juristische Aus 
bildung zu ermüden. 
Ich räume ein, daß Ihr Entwurf durchaus einen kon 
struktiven Beitrag zur Frage der Juristenausbildung dar 
stellt, und diese Feststellung behält auch dann ihre Gültig 
keit, wenn ich hinzufüge, daß es Ihnen bei der Formulie 
rung der 82 Paragraphen wohl weniger auf die gesetzes 
technische Feinheit als auf einige Grundvorstellungen an 
kam, aber ich habe Ihren Entwurf denselben Stellen zur 
Kenntnisnahme und Stellungnahme zugeleitet, denen ich 
am 14. Oktober meinen Entwurf im offiziellen Anhörungs 
verfahren zugeleitet habe. 
Ich wollte hier eigentlich auf jede Polemik verzichten. 
Aber in einem Punkt muß ich wirklich etwas entschieden 
zurückweisen und muß Ihnen sogar sagen, daß Sie dies 
wider besseres Wissen vorgetragen haben: Im Sommer 
ist das Bundesgesetz, das eine Reduzierung des Vorberei 
tungsdienstes auf 24 Monate bringt, erst in Kraft getreten, 
und bereits noch vor oder auf der letzten Sitzung des Ab 
geordnetenhauses habe ich schon die Grundsätze im Vor 
verfahren versandt und habe — natürlich im Gegensatz zu 
Ihnen, wozu Sie nicht verpflichtet sind — dann das An 
hörungsverfahren durchgeführt, und gestern hat der Senat 
bereits die Gesetzesvorlage verabschiedet. Damit habe ich 
den Zeitplan eingehalten — schneller ging es wirklich 
nicht —, den ich hier im Sommer verkündet habe. Das 
Abgeordnetenhaus, konkreter gesagt, der Justizausschuß 
wird also in der Lage sein, zu Beginn des Jahres beide 
Entwürfe gemeinsam und noch rechtzeitig zu erörtern. 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Fielitz. 
Fieiitz (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Ich will mich kurz fassen. Dafür, daß der Kollege Kunz 
längere Ausführungen gemacht hat, habe ich durchaus 
menschliches Verständnis aus der persönlichen Situation 
des Kollegen. 
(Heiterkeit bei der SPD — Zuruf) 
Die Fraktion betrachtet die Vorlage, die uns hier ins Haus 
gebracht wurde, als einen interessanten Beitrag zur Aus 
bildung und zur Reform der Juristenausbildung; allerdings 
kann oder soll hier angemerkt werden, daß — und darauf 
hat der Senator Korber auch schon hingewiesen — ja dies 
im Wissen darum geschah, daß in der ersten Sitzung des 
neuen Jahres die Senatsvorlage zum gleichen Thema hier 
dem Hause vorliegen wird. Ich darf mit Genehmigung des 
Herrn Präsidenten aus dem Protokoll der zweiten Sitzung 
des Justizausschusses vom 14. Oktober nur einen Satz 
zitieren, daß Senator Korber mitteilt, er rechne weiterhin 
damit, daß der Gesetzentwurf dem Plenum in seiner ersten 
Sitzung im neuen Jahr vorliegen werde. Wie wir inzwischen 
aus der Presse entnommen haben — und das begrüßt meine 
Fraktion —, ist diese Vorlage im Senat bereits beschlossen, 
so daß diese Terminzusage wohl in vollem Umfange ein 
gehalten werden kann. Wir begrüßen es auch, daß Herr 
Senator Korber die Vorlage, die Sie hier eingebracht haben, 
meine Damen und Herren von der CDU, den Gremien zu 
geleitet hat, denen er seine Gedanken zur Stellungnahme 
zugeleitet hat, um hier an der Meßlatte der Betroffenen 
und Interessierten auch Ihren Entwurf genauso auf seine 
Substanz prüfen zu können, wie das hier in dem Entwurf 
des Senats geschehen ist im Anhörungsverfahren. 
Zur Sache selbst nur zwei Anmerkungen. Teilweise ist 
die Vorlage ja deckungsgleich mit den Materialien, die 
auch Ihnen seit einiger Zeit Vorgelegen haben, so daß in 
soweit Anmerkungen entfallen können. Einen Punkt möchte 
ich hier nur herausgreifen, Herr Kollege Kunz, das ist die 
Frage der einstufigen Juristenausbildung. Hier darf ich 
einmal darauf hinweisen, daß es Probleme gibt, die in der 
Realisierung dieser Vorstellung liegen, die in der Situation 
der Universität, der vorhandenen Juristen, des Bedarfs an 
Juristen, der finanziellen Lage liegen, und hier wird es 
sicher einige Probleme geben, über die wir uns werden 
unterhalten müssen, wobei ich hier anmerken darf, Herr 
Kollege Kunz, daß meines Erachtens Ihre Vorstellung — 
man nennt sie ja wohl das Münchner Modell ln etwa, das 
ist ja dasselbe — mir nicht die Idealvorstellung von der 
einphasigen Juristenausblidung, sondern eher der Versuch
	        
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