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Volume Nr. 19, 8. Dezember 1971

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1971, 6. Wahlperiode, Band I, 1.-21. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
19. Sitzung vom 8. Dezember 1971 
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Meine Damen und Herren, gegen diesen Opportunismus 
kann man nur dadurch Vorgehen, daß man bekundet, daß 
wir ln einer kämpferischen Demokratie leben. Dieses Be- 
kentnis zur kämpferischen Demokratie muß von seiten der 
politisch Verantwortlichen in dieser Stadt etwas deutlicher 
ausgedrückt werden, und zwar in Konsequenz zu bestimm 
ten Fersonenkreisen. Darauf warten wir. 
(Beifall bei der CDU) 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete 
Schmitz. 
Schmitz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Herr Bürgermeister! Sie haben es sich leider — 
auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es ko 
ordinierende Maßnahmen geben soll, die abgesprochen 
werden — etwas zu einfach gemacht. Der Aufruf an die 
Solidarität aller Demokraten ist sicher richtig. Und genau 
so richtig ist es, und das können wir nur begrüßen, daß Sie 
hier den Grundsatz unterstreichen: Verfassungsfeinde ge 
hören nicht in die Verwaltung. Aber die Frage stellt sich 
doch aufgrund Ihrer Antwort, ob bei der Feststellung, die 
Sie hier getroffen haben, daß rund 85 Fälle von Ihnen 
bezeichnet werden können, indem im Öffentlichen Dienst 
Beamte oder Mitarbeiter tätig sind, deren Verfassungs 
loyalität in Frage zu stellen ist, nicht die Frage erlaubt 
ist: Was ist eigentlich mit diesen 85 Fällen im Laufe der 
Zeit geschehen? Ist da in irgendeinem einzigen Fall auch 
nur etwas gemacht worden? Die zweite Frage ist: Herr Bür 
germeister, können Sie diese Erklärung abgeben, wurde in 
dem letzten Jahr einer von diesen 85 Fällen in den Öffent 
lichen Dienst eingestellt, obwohl seine Verfassungsloyalität 
in Frage gestellt worden ist? In diesem Zusammenhang, 
Herr Bürgermeister, wäre auch die Frage zu stellen, ob 
Sie hier die Erklärung abgeben können, daß Sie von allen 
Dienstherren des Landes Berlin die notwendige Unter 
stützung bei solchen Aktionen hätten. Um ein Beispiel zu 
sagen: Würden Sie also, wenn Sie ganz konkret den 
Herrn Präsidenten der Freien Universität auf einen sol 
chen Fall hinweisen, mit dessen Hilfe rechnen können, 
wenn Sie den Betreffenden nicht einstellen wollen, wenn 
Sie vielleicht nur Tatsachen überprüfen wollen ? 
Und lassen Sie mich auch das sagen: Wenn hier gesagt 
wird: 85 Fälle — ich will gar nicht über die Fälle streiten, 
denn das ist eine reine Zahl, denn man muß die Per 
sonen sehen —, dann setzt das natürlich voraus, daß 
Ermittlungen betrieben werden. Denn Tatsachen kann 
man nur dann kennenlernen, wenn man sie irgendwie fest 
stellt. Diese Feststellungen laufen auf Ermittlungen hin 
aus, sofern es sich nicht dadurch ausdrückt, daß der Be 
treffende in aller Öffentlichkeit tätig wird, was nicht immer 
der Fall sein muß. 
Nun darf ich hier noch einmal die Ausführungen des 
Herrn Kollegen Baetge von der F.D.P. aufgreifen. Wissen 
Sie, Herr Kollege Baetge, Sie hätten sich vielleicht mit 
Ihren Länderinnenministern einmal in Verbindung setzen 
sollen, dann hätte man Sie etwas rechtskundiger gemacht. 
Ich habe hier ein Papier aus Düsseldorf vorliegen, das 
sehr präzise auf die Rechtsgrundsätze eingeht, auf die 
die Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung Band 19, Sei 
te 252, Seite 259 speziell hinweist, in der es heißt: 
Es genügt zur Ablehnung des Bewerbers zwar nicht 
eine haltlose Verdächtigung, wohl aber die auf zu 
treffend ermittelten Tatsachen fußende ernste Be 
sorgnis mangelnder Verfassungstreue. 
Ein nächster Satz 
(Zuruf von Bürgermeister Neubauer) 
— Sie haben es gesagt, Herr Bürgermeister, ich habe das 
verstanden, aber Ich wollte den Kollegen Baetge darauf hin- 
weisen, daß hier nicht von Gesinnungsschnüffelei die Rede 
ist, sondern davon, daß ein pflichtgemäßer Auftrag der 
Verfassung vorgetragen wird. Und eine weitere Fundstelle, 
damit Sie sich da rechtskundig machen können: 
Die Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung Band 18, 
Seite 276, Seite 280: 
Eine Gewähr der politischen Treuepflicht ist nicht 
mehr gegeben, wenn Umstände vor liegen, die nach 
Überzeugung der Behörde die künftige Erfüllung 
dieser Pflicht als zweifelhaft erscheinen lassen. 
Ich würde Ihnen empfehlen, das mal nachzusehen. 
Nun, Herr Bürgermeister, Sie haben das zwar als Prin 
zip durchaus akzeptiert und als Richtschnur Ihres Han 
delns hingestellt. Die Frage stellt sich nur für den Be 
trachter der Szene — und was hier in Berlin losgeht, 
kriegen wir jeden Tag schwarz auf weiß gedruckt; und 
Frau Dr. Besser wäre sicher in der Lage, falls Sie es nicht 
schon haben, Ihnen weitere Traktätchen aus den verschie 
densten Bereichen zu liefern —, in welcher Weise und 
welcher Intensität 
Präsident Sickert: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, 
Herr Abgeordneter Schmitz ? 
Schmitz (CDU): Bitte, ja. 
Präsident Sickert: Herr Abgeordneter Oxfort! 
Oxfort (F.D.P.): Herr Kollege Schmitz! Können Sie uns 
sagen, wie Sie sich konkret die Entfernung eines Beamten 
aus dem öffentlichen Dienst vorstellen, von dem feststeht, 
daß er beispielsweise Mitglied der SEW ist, oder von dem 
Sie glauben, daß er Verfassungsfeind sei ? 
Schmitz (CDU): Herr Kollege, dafür gibt es im Beamten 
recht — das ist hier bereits gesagt worden — ein genau 
vorgeschriebenes Verfahren. Und in diesem Verfahren ist 
durch eine Vorermittlung dann durch die entsprechenden 
Einleitungen usw. das Dienststrafverfahren anzuwenden, das 
mit der Entlassung enden kann. — Gar kein Zweifel. 
Präsident Sickert: Gestatten Sie eine weitere Zwischen 
frage ? 
Oxfort (P.D.P.); Darf ich aus Ihrer Antwort entneh 
men. daß Sie der Auffassung sind, daß die Entlassung 
eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis mit Rück 
sicht darauf, daß er Mitglied der SEW ist und ihm son 
stige Dienstpflichtwidrigkeiten nicht nachgewiesen werden 
können, vor den Verwaltungsgerichten Bestand hat ? 
Schmitz (CDU): Herr Kollege, wenn Sie vorhin genau 
zugehört hätten, dann hätten Sie festgestellt, daß ich 
gesagt habe, daß die Verwaltungsrechtsprechung diese 
einfache Feststellung als nicht ausreichend ansieht, was 
ich für bedenklich halte, und daß darüber hinaus von den 
Verwaltungsgerichten verlangt wird, daß weitere Tat 
sachen vorgetragen werden, die es wahrscheinlich sein 
lassen, daß seine Loyalität in Frage gestellt wird. Und 
genau das ist der Punkt, über den ich gerade hier spreche 
und den Bürgermeister eben fragen will: In welcher 
Richtung werden denn diese Ermittlungen nun mit der 
notwendigen Intensität geführt? Das liegt doch wohl auf 
der Hand, wenn jemand Mitglied der SEW ist und sich 
durch seine Mitgliedschaft zu einer im Sinne unserer De 
mokratie verfassungsfeindlichen Partei bekennt, daß man 
bei dem besonders genau hinzugucken hat, was er macht 
und was er tut. Ich will jetzt wissen: Hat der Senat hin 
geguckt, hat er das Mögliche getan, was ihm an Prüfungs 
möglichkeiten zur Verfügung steht, hat er insbesondere 
auch noch darüber hinaus die Unterstützung aller seiner 
kleinen Duodezfürsten, die er im Lande hat, also der ein 
zelnen Dienstherren, die ihm dabei helfen können, oder hat 
er sie nicht? — Das sind die Fragen, die uns hier be 
schäftigen, und ich meine, daß diese Fragen nicht damit 
beantwortet werden können, daß die uns bekannten 
Rechtsschwierigkeiten dargestellt werden, die ja doch nur
	        
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