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Volume Nr. 19, 8. Dezember 1971

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1971, 6. Wahlperiode, Band I, 1.-21. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
19. Sitzung vom 8. Dezember 1971 
483 
Zu 2 bis 4: Ich bitte nochmals um Verständnis dafür, 
daß der Senat sich in der Beantwortung dieser drei Fra 
gen unter den einleitend genannten Gesichtspunkten in 
die gemeinsame Linie des Bundes und der Länder ein- 
ordnen will. Nur eine Bemerkung zur Ergänzung: Schon 
aus der Formulierung, daß der Beamte die Gewähr für 
eine demokratische Grundhaltung bieten soll, ergibt sich, 
daß es hierbei auf absolute Gewißheit weder im Positiven 
noch im Negativen ankommen kann. Eine auf zutreffenden 
und nachweisbaren Tatsachen fußende Besorgnis, daß der 
Bewerber keine Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für 
die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt, 
reicht daher nach Auffassung des Senats aus, seine Be 
werbung abzulehnen. Voraussetzung ist jedoch, daß die 
Tatsachen gewichtig genug sind. 
Zu 5: Daß öffentliche Bedienstete einschließlich der in 
den Öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten oder 
Stiftungen Beschäftigten, die nicht für die freiheitlich- 
demokratische Grundordnung eintreten, aus dem öffent 
lichen Dienst entlassen werden können, wird durch die 
maßgeblichen dienstrechtlichen Vorschriften sichergestellt, 
und zwar für Beamte durch § 18 Absatz 2 Landesbeamten 
gesetz, für Angestellte und Arbeiter durch den Vorspruch 
der Dienstvereinbarung über die Dienst- und Disziplinar 
ordnung für die Angestellten und Arbeiter des Landes und 
der Stadt Berlin vom August 1965 und für Angestellte 
zusätzlich durch § 8 Absatz 1 Satz 2 BAT. 
Ich darf daher für den Senat nochmals erklären: Im 
Rahmen der rechtsstaatlichen Möglichkeiten und in einer 
gemeinsamen Linie von Bund und Ländern werden wir alle 
Möglichkeiten ausschöpfen, um Verfassungsfeinden den 
Eintritt in den öffentlichen Dienst oder die Tätigkeit 
in der Verwaltung zu verwehren. Der Senat wird so 
wohl dem Sicherheits- als auch dem Innenausschuß 
fortlaufend über den Gang der Beratungen der Innen 
minister und Ministerpräsidenten berichten, und Sie kön 
nen bitte davon ausgehen — damit auch darüber keine 
Unklarheiten entstehen —, daß das, was das Ergebnis 
der Beratungen der Innenminister und Ministerpräsidenten 
sein wird, in diesem Lande so konsequent durchgeftihrt 
werden wird, wie hoffentlich in allen anderen Ländern der 
Bundesrepublik auch. 
(Beifall bei der SPD) 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete 
Kunz. 
Kunz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Herr Bürgermeister und Innensenator! Diese Große An 
frage ist schon deshalb heute so notwendig, weil wir die 
Zusammenkunft der Landesinnenminister haben werden 
und dieses Haus auch in dieser Frage ein Recht darauf hat, 
zu erfahren, wie sich das Bundesland Berlin entsprechend 
verhalten wird. Das ist das erste. 
Das zweite ist, daß wir in diesem Hause uns zwar nicht 
haargenau mit derselben Problematik, aber immerhin mit 
einer sehr ähnlichen Problematik befaßt haben, und zwar 
mit den Roten Zellen. Der Grundtenor war damals von 
seiten des Senats, daß beobachtet werden würde, daß man 
Schlüsse zieht, und wir meinen heute, auf eine größere 
Problematik bezogen, daß die Zeit des Beobachtens irgend 
wann mal ein Ende haben und die Konsequenz hier einfach 
einmal dargelegt werden muß. 
(Beifall bei der CDU) 
Sie haben, Herr Bürgermeister, ausgeführt, daß selbst 
verständlich die Bindung an Verfassung und Recht die ent 
sprechende Behandlung gewährleiste. Ich darf aber unbe 
schadet der Richtigkeit dieser Aussage hinzufügen, daß 
wir zum Beispiel bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit 
und Verfassungswidrigkeit von Parteien auch das Problem 
der Nachfolgeorganisationen haben, die ihre eigene Rechts 
problematik haben und die entsprechend dem Spruch des 
Bundesverfassungsgerichts und, damit allerdings nur be 
dingt, hier auch Maßnahmen einleiten können. 
Wir haben eine Reihe von Zahlen heute von Ihnen ge 
hört. Ich möchte sagen, daß neben der Quantität - die ich 
im übrigen persönlich etwas bezweifele - ich würde mich 
aber freuen, wenn sie nicht höher liegt - natürlich auch 
noch das Problem der Qualität zu nennen ist und mit wel 
cher Verbissenheit, um nicht zu sagen Verbohrtheit, ge 
wisse Einzelne krebsartig hier ihr Handwerk verrichten. 
(Zuruf des Abg. Hitzigrath) 
- Ja, es ist eine Qualität insofern, weil diese Leute beson 
ders qualitativ wirken, um diese Grundordnung kaputtzu 
machen. Da ist unsere Sorge, dies zu verhindern. 
Ein nächstes: Wir glauben, Herr Bürgermeister, daß das 
größte Problem darin liegt, daß wir uns fragen müssen: 
Aufgrund weicher Erkenntnisse bekommen wir die zu 
treffenden Tatsachen, die die Grundlage der rechtlichen — 
(Bürgermeister Neubauer: Ich habe es doch 
im einzelnen erzählt!) 
- Nein, nein, das haben Sie nicht so erzählt, sondern Sie 
sprachen davon, daß man selbstverständlich absolute Tat 
sachen nicht voraussetzen könne. Dies freilich nicht. Aber 
ich möchte meinen, daß man in dieser Frage, da es so 
schwierig ist, die richtigen Tatsachen zu bekommen, auch 
nicht Extremmaßstäbe, die an die Absolutheit heranreichen, 
nehmen darf; und dies ist unser Problem. 
Wir werden von Ihnen in Zukunft mehr verlangen müs 
sen, als die Bekräftigung der Rechtsgrundsätze. Wir wer 
den von Ihnen erwarten müssen, daß aus diesen Rechts 
grundsätzen die Konsequenzen gezogen werden, und wir 
können auch nicht ausschließen, daß unbeschadet der 
gegenwärtigen Rechtsgrundsätze eine Überdenkung der 
gegenwärtigen Rechtssituation erfolgen muß, um hier die 
sem Problem mit der gebotenen Notwendigkeit und mit 
der gebotenen Sorgfalt vollauf gerecht zu werden. 
(Beifall bei der CDU) 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Baetge. 
Baetge (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich stimme Herrn Bürgermeister Neubauer völlig 
zu. Natürlich dürfen Verfassungsfeinde keinen Platz im 
öffentlichen Dienst haben, und mit dieser Feststellung 
stimme ich auch mit Herrn Bundesinnenminister Genscher 
überein, der erklärt hat, im Öffentlichen Dienst hätten po 
litische Extremisten keinen Platz. In der Praxis bedeutet 
das, daß der hoheitliche Apparat stets in der Hand von 
Beamten und Angestellten bleiben muß, die für die Freiheit 
und Demokratie eintreten. 
Wenn aber dieses Problem angesprochen wird, meine 
Damen und Herren, so darf es nicht in einer derart pau 
schalen Form gesehen werden, wie das hier in der Großen 
Anfrage der CDU versucht wird. Hier werden ohne jede 
Differenzierung — und so ergibt sich das jedenfalls aus 
der Formulierung — Beamte, Angestellte und Arbeiter in 
einen Topf geworfen, ohne zu beachten, daß es völlig 
unterschiedliche Rechtsstellungen gibt. 
Das Berliner LBG, § 18, ist von Ihnen bereits zitiert 
worden, Herr Bürgermeister; der BAT — Bundesange- 
stelltentarifvertrag — verlangt im § 6 vom Angestellten 
ein Gelöbnis, in dem er sich verpflichtet, seine Dienst 
obliegenheiten gewissenhaft zu erfüllen und das Grund 
gesetz sowie die Gesetze zu wahren. Für Arbeiter im 
öffentlichen Dienst gibt es keine vergleichbare Regelung. 
Einen ganz besonderen Widerspruch in der Großen 
Anfrage der CDU sehe ich aber in den Punkten 3 und 5. 
In Punkt 3 wird die Auffassung vertreten, daß die Ein 
stellung von Personen im öffentlichen Dienst nicht nur bei 
Gewißheit, sondern auch dann abgelehnt werden darf, 
wenn eine auf zutreffenden Tatsachen fußende ernste Be 
sorgnis besteht, daß der Bewerber sich nicht jederzeit für 
die freiheitlich demokratische Grundordnung einsetzen 
wird. Hier muß doch in einem freien Parlament die Frage 
gestellt werden, ob ein solches Verfahren die politische 
Grenze des Schutzes der freien Entfaltung der Persönlich 
keit und der freien Berufswahl nicht überschreitet. Schließ 
lich bestimmt Artikel 33 GO, daß niemanden aus seiner
	        
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