Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
19. Sitzung vom 8. Dezember 1971
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Zu 2 bis 4: Ich bitte nochmals um Verständnis dafür,
daß der Senat sich in der Beantwortung dieser drei Fra
gen unter den einleitend genannten Gesichtspunkten in
die gemeinsame Linie des Bundes und der Länder ein-
ordnen will. Nur eine Bemerkung zur Ergänzung: Schon
aus der Formulierung, daß der Beamte die Gewähr für
eine demokratische Grundhaltung bieten soll, ergibt sich,
daß es hierbei auf absolute Gewißheit weder im Positiven
noch im Negativen ankommen kann. Eine auf zutreffenden
und nachweisbaren Tatsachen fußende Besorgnis, daß der
Bewerber keine Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für
die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt,
reicht daher nach Auffassung des Senats aus, seine Be
werbung abzulehnen. Voraussetzung ist jedoch, daß die
Tatsachen gewichtig genug sind.
Zu 5: Daß öffentliche Bedienstete einschließlich der in
den Öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten oder
Stiftungen Beschäftigten, die nicht für die freiheitlich-
demokratische Grundordnung eintreten, aus dem öffent
lichen Dienst entlassen werden können, wird durch die
maßgeblichen dienstrechtlichen Vorschriften sichergestellt,
und zwar für Beamte durch § 18 Absatz 2 Landesbeamten
gesetz, für Angestellte und Arbeiter durch den Vorspruch
der Dienstvereinbarung über die Dienst- und Disziplinar
ordnung für die Angestellten und Arbeiter des Landes und
der Stadt Berlin vom August 1965 und für Angestellte
zusätzlich durch § 8 Absatz 1 Satz 2 BAT.
Ich darf daher für den Senat nochmals erklären: Im
Rahmen der rechtsstaatlichen Möglichkeiten und in einer
gemeinsamen Linie von Bund und Ländern werden wir alle
Möglichkeiten ausschöpfen, um Verfassungsfeinden den
Eintritt in den öffentlichen Dienst oder die Tätigkeit
in der Verwaltung zu verwehren. Der Senat wird so
wohl dem Sicherheits- als auch dem Innenausschuß
fortlaufend über den Gang der Beratungen der Innen
minister und Ministerpräsidenten berichten, und Sie kön
nen bitte davon ausgehen — damit auch darüber keine
Unklarheiten entstehen —, daß das, was das Ergebnis
der Beratungen der Innenminister und Ministerpräsidenten
sein wird, in diesem Lande so konsequent durchgeftihrt
werden wird, wie hoffentlich in allen anderen Ländern der
Bundesrepublik auch.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Kunz.
Kunz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Bürgermeister und Innensenator! Diese Große An
frage ist schon deshalb heute so notwendig, weil wir die
Zusammenkunft der Landesinnenminister haben werden
und dieses Haus auch in dieser Frage ein Recht darauf hat,
zu erfahren, wie sich das Bundesland Berlin entsprechend
verhalten wird. Das ist das erste.
Das zweite ist, daß wir in diesem Hause uns zwar nicht
haargenau mit derselben Problematik, aber immerhin mit
einer sehr ähnlichen Problematik befaßt haben, und zwar
mit den Roten Zellen. Der Grundtenor war damals von
seiten des Senats, daß beobachtet werden würde, daß man
Schlüsse zieht, und wir meinen heute, auf eine größere
Problematik bezogen, daß die Zeit des Beobachtens irgend
wann mal ein Ende haben und die Konsequenz hier einfach
einmal dargelegt werden muß.
(Beifall bei der CDU)
Sie haben, Herr Bürgermeister, ausgeführt, daß selbst
verständlich die Bindung an Verfassung und Recht die ent
sprechende Behandlung gewährleiste. Ich darf aber unbe
schadet der Richtigkeit dieser Aussage hinzufügen, daß
wir zum Beispiel bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit
und Verfassungswidrigkeit von Parteien auch das Problem
der Nachfolgeorganisationen haben, die ihre eigene Rechts
problematik haben und die entsprechend dem Spruch des
Bundesverfassungsgerichts und, damit allerdings nur be
dingt, hier auch Maßnahmen einleiten können.
Wir haben eine Reihe von Zahlen heute von Ihnen ge
hört. Ich möchte sagen, daß neben der Quantität - die ich
im übrigen persönlich etwas bezweifele - ich würde mich
aber freuen, wenn sie nicht höher liegt - natürlich auch
noch das Problem der Qualität zu nennen ist und mit wel
cher Verbissenheit, um nicht zu sagen Verbohrtheit, ge
wisse Einzelne krebsartig hier ihr Handwerk verrichten.
(Zuruf des Abg. Hitzigrath)
- Ja, es ist eine Qualität insofern, weil diese Leute beson
ders qualitativ wirken, um diese Grundordnung kaputtzu
machen. Da ist unsere Sorge, dies zu verhindern.
Ein nächstes: Wir glauben, Herr Bürgermeister, daß das
größte Problem darin liegt, daß wir uns fragen müssen:
Aufgrund weicher Erkenntnisse bekommen wir die zu
treffenden Tatsachen, die die Grundlage der rechtlichen —
(Bürgermeister Neubauer: Ich habe es doch
im einzelnen erzählt!)
- Nein, nein, das haben Sie nicht so erzählt, sondern Sie
sprachen davon, daß man selbstverständlich absolute Tat
sachen nicht voraussetzen könne. Dies freilich nicht. Aber
ich möchte meinen, daß man in dieser Frage, da es so
schwierig ist, die richtigen Tatsachen zu bekommen, auch
nicht Extremmaßstäbe, die an die Absolutheit heranreichen,
nehmen darf; und dies ist unser Problem.
Wir werden von Ihnen in Zukunft mehr verlangen müs
sen, als die Bekräftigung der Rechtsgrundsätze. Wir wer
den von Ihnen erwarten müssen, daß aus diesen Rechts
grundsätzen die Konsequenzen gezogen werden, und wir
können auch nicht ausschließen, daß unbeschadet der
gegenwärtigen Rechtsgrundsätze eine Überdenkung der
gegenwärtigen Rechtssituation erfolgen muß, um hier die
sem Problem mit der gebotenen Notwendigkeit und mit
der gebotenen Sorgfalt vollauf gerecht zu werden.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Baetge.
Baetge (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich stimme Herrn Bürgermeister Neubauer völlig
zu. Natürlich dürfen Verfassungsfeinde keinen Platz im
öffentlichen Dienst haben, und mit dieser Feststellung
stimme ich auch mit Herrn Bundesinnenminister Genscher
überein, der erklärt hat, im Öffentlichen Dienst hätten po
litische Extremisten keinen Platz. In der Praxis bedeutet
das, daß der hoheitliche Apparat stets in der Hand von
Beamten und Angestellten bleiben muß, die für die Freiheit
und Demokratie eintreten.
Wenn aber dieses Problem angesprochen wird, meine
Damen und Herren, so darf es nicht in einer derart pau
schalen Form gesehen werden, wie das hier in der Großen
Anfrage der CDU versucht wird. Hier werden ohne jede
Differenzierung — und so ergibt sich das jedenfalls aus
der Formulierung — Beamte, Angestellte und Arbeiter in
einen Topf geworfen, ohne zu beachten, daß es völlig
unterschiedliche Rechtsstellungen gibt.
Das Berliner LBG, § 18, ist von Ihnen bereits zitiert
worden, Herr Bürgermeister; der BAT — Bundesange-
stelltentarifvertrag — verlangt im § 6 vom Angestellten
ein Gelöbnis, in dem er sich verpflichtet, seine Dienst
obliegenheiten gewissenhaft zu erfüllen und das Grund
gesetz sowie die Gesetze zu wahren. Für Arbeiter im
öffentlichen Dienst gibt es keine vergleichbare Regelung.
Einen ganz besonderen Widerspruch in der Großen
Anfrage der CDU sehe ich aber in den Punkten 3 und 5.
In Punkt 3 wird die Auffassung vertreten, daß die Ein
stellung von Personen im öffentlichen Dienst nicht nur bei
Gewißheit, sondern auch dann abgelehnt werden darf,
wenn eine auf zutreffenden Tatsachen fußende ernste Be
sorgnis besteht, daß der Bewerber sich nicht jederzeit für
die freiheitlich demokratische Grundordnung einsetzen
wird. Hier muß doch in einem freien Parlament die Frage
gestellt werden, ob ein solches Verfahren die politische
Grenze des Schutzes der freien Entfaltung der Persönlich
keit und der freien Berufswahl nicht überschreitet. Schließ
lich bestimmt Artikel 33 GO, daß niemanden aus seiner