Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
18. Sitzung vom 25. November 1971
Präsident Sickert: Bitte, Herr Abgeordneter Schmitz.
Schmitz (CDU): Herr Kollege Haus, würden Sie zugeben,
daß diese Verzerrung, die Sie hier ansprechen, auch bundes
einheitlich ist, weil nur ein Teilaspekt der Besoldungsneu
regelung von Bundesseite her vorgelegt worden ist ?
Dr. Haus (SPD): Nein, das würde ich nicht zugeben. Die
Länder haben sich zurückgehalten! Ich darf sagen: Wenn
Sie nach Einheitlichkeit forschen, dann muß man wissen,
daß — abgesehen von Berlin — nach einer Zusammenstel
lung von gestern nicht weniger als neun von zehn Bundes
ländern auf den 1.1.1972, eventuell sogar auf ein späteres
Datum gehen. Hier die Liste: Baden-Württemberg, Bayern,
Bremen, Hamburg, zur Hälfte Hessen sowie Niedersachsen,
Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein. Nur,
wenn wir uns neben das reichste Bundesland stellen woll
ten — Nordrhein-Westfalen —, könnten wir die Rückwir
kung für alle Stellenverbesserungen per l.Juli 1971 be
schließen. Da können wir nicht mitgehen. Auch muß man
sich klarmachen: Es sind noch knappe fünf Wochen bis zum
1. Januar 1972. Man sollte eine im Hinblick auf Betroffene
auch etwas unbequeme Entscheidung von den Oppositions
parteien her nicht ablehnen und nicht durch diese Ände
rungsanträge zu umgehen versuchen. Es handelt sich um
rd. 1000 Justizvollzugsbeamte, die vom 1. Januar 1971 an
rückwirkend mit einer Stellenverbesserung bedacht werden
— dort ist auch Nachholbedarf — und um rd. 2000 Feuer
wehrleute; diese trifft diese Splittingvergünstigung rück
wirkend zum 1. Januar 1971.
Der Ausgabeeflfekt, wenn wir auf die Senatsvorlage und
den l.Juli 1971 für alle zurückschwenkten, würde annähernd
drei Millionen Mark mehr ausmachen. Aber das ist nicht
das Entscheidende.
Wir bitten Sie, meine Damen und Herren, den Abände
rungsanträgen der beiden Oppositionsparteien nicht zuzu
stimmen und die Vorlage so, wie sie vom Innenausschuß
und vom Hauptausschuß mit Empfehlungen ausgestattet
worden ist, hier zu verabschieden. — Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter
Hoppe.
Hoppe (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Ich habe viel Verständnis für sozialakzentuierte Lösun
gen, insbesondere dann, wenn sie — und darauf hat der Kol
lege Haus eben noch einmal hingewiesen — finanzielle Er
sparnisse für den Haushalt schaffen. Dennoch muß man
sagen dürfen, daß es im Bereich des öffentlichen Dienst
rechts natürlich so eine Problematik mit akzentuierten So
ziallösungen gibt. Wir sollten gerade im öffentlichen Dienst
recht gleiche Tatbestände auch gleichmäßig behandeln.
Aber, Herr Kollege Haus, was mich hier noch einmal
dazu verführt hat, auf die Tribüne zu gehen, war Ihre
Empfehlung, den Regelungen zu folgen, die von der über
wiegenden Mehrheit der Bundesländer getroffen wurden
und sich nicht an der Entscheidung des finanzkräftigsten
Bundeslandes Nordrhein-Westfalen zu orientieren. Hier muß
ich allerdings sagen: ich würde meinen Überlegungen lieber
die Finanzausstattung des Landes Berlin zugrunde legen,
üie von der Bundesregierung gerade für diese Maßnahme
bereitgestellt wurde. Und dazu liegt mir die Bundesrats
drucksache 484/71 vor, in der es heißt: „Unter Bezugnahme
auf § 37 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung unterrichte ich
Sie — und zwar den Präsidenten des Bundesrats — hiermit
von einer überplanmäßigen Ausgabe... des Bundeshaus
halts 1971.“ Und es wird dann weiter ausgeführt, daß der
Bund nach § 16 des Dritten Überleitungsgesetzes verpflichtet
sei, Berlin zur Deckung eines auf andere Weise nicht aus
zugleichenden Haushaltsfehlbetrages eine Bundeshilfe zu
gewähren. Und dann heißt es:
(Zuruf von Senator Striek)
— Ich komme gleich darauf; Herr Senator, ich zitiere be
stimmt korrekt, Sie können sich darauf verlassen. — „Die
hierfür im Jahre 1971 veranschlagte Bundeshilfe in Höhe
von 3110 Mio DM reicht aus folgenden Gründen nicht aus:“
und nun werden drei Tatbestände aufgeführt, und in der
Ziffer 2 dazu ausgeführt: „Die Besoldungserhöhung nach
dem Ersten Besoldungsvereinheitlichungs- und Neurege
lungsgesetz und die volle Auswirkung der Tarifverträge im
Öffentlichen Dienst ergeben für Berlin im Personalkosten
bereich 1971 einen Mehrbedarf von rd. 400 Millionen DM.“
In der Vorlage wird dann weiter gesagt: „Berlin kann den
hierfür notwendigen Deckungsbedarf nur teilweise auf
bringen. Der Bund muß sich bereiterklären, einen Teil
betrag von 300 Millionen DM gemäß § 16 Drittes Überlei
tungsgesetz zu übernehmen.“
(Zurufe von der SPD)
Ich entnehme Ihren Zurufen, daß wir bei derselben Vor
lage und damit bei derselben finanzpolitischen Entscheidung
sind. Nur weil Sie darauf so insistiert haben, Herr Kollege
Haus, muß ich jetzt doch fragen, ob die Finanzausstattung
Berlins für diese gesetzliche Aufgabe nicht so erfolgt ist,
daß wir unsere Entscheidung in Übereinstimmung mit der
gesetzlichen Regelung des Bundes auf den 1. Juli 1971 zu
terminieren haben. Deshalb meine Bedenken, auch wenn ich
sonst mit Ihnen für Sparsamkeit
(Abg. Voelker: Da weichen Sie aber auch ab!)
bin, Herr Kollege Haus. Es will mir so scheinen — und ich
sage es einmal so, Herr Kollege Voelker —, daß wir nicht
ganz nach der feinen Berliner Art handeln, wenn wir Bun
desmittel, die für einen bestimmten Zweck gegeben sind,
einsparen, um sie dann für andere Zwecke zu verwenden.
Diese Frage stellt sich wegen der eindeutigen Erläuterung
für die Bewilligung einer überplanmäßigen Ausgabe des
Bundesfinanzministers. Deshalb würden wir uns in besserer
Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzminister befinden,
wenn wir entsprechend den Änderungsanträgen von CDU
und F.D.P. verfahren würden.
(Beifall bei der F.D.P., vereinzelt bei der CDU)
Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Wortmel
dungen liegen mir nicht mehr vor, ich schließe die Aus
sprache.
Wir kommen zuerst zur Abstimmung über das Achte Lan
desbesoldungsrechtsänderungsgesetz. Ich verbinde hierbei
die Einzelabstimmungen mit der Schlußabstimmung.
Wer diesem Gesetz seine Zustimmung zu geben wünscht,
den bitte ich um das Handzeichen. — Danke, das ist so
beschlossen.
Ich komme nun zur Vorwegabstimmung über die beiden
Anträge, die zwar nicht im Wortlaut gleich, aber doch im
Sinne sich in Übereinstimmung befinden. Die CDU-Fraktion
beantragt Streichung, die F.D.P.-Fraktion Wiedereinsetzung
in den alten Stand. Ich glaube, der F.D.P.-Antrag sagt etwas
deutlicher, was man will, weil er wieder in den Paragraphen
einweist und so auch wieder verabschiedet werden könnte.
Ich glaube, ich kann, da die beiden Anträge im Sinn über
einstimmen, den F.D.P.-Antrag zur Abstimmung stellen.
(Abg. Schmitz:
Herr Hoppe hat wohl so gut gesprochen ? —
weitere Zurufe)
— Sie meinen, es ist gleich, welcher abgelehnt wird? —
(Zurufe)
Das habe ich nicht gemeint. —
Wer diesem Antrag der F.D.P.-Fraktion die Zustimmung
zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —
Ich bitte um die Gegenprobe ? — Das letztere ist die Mehr
heit, damit ist der Antrag abgelehnt — ich hoffe nicht, daß
Sie wünschen, daß ich hier zum Hammelsprung kommen
muß. Das Präsidium stellt fest: das war die Mehrheit.