Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
14. Sitzung am 14. Oktober 1971
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Und, auch dies sei gesagt. Wenn der Senat vor der par
lamentarischen Beratung entscheidet, dann muß er auch
das volle politische Risiko dieser Entscheidung tragen.
Er muß selbst wissen, was es bedeutet, wenn das Haus
ihm bei einer Bestätigung von beschlossenen Tariferhöhun
gen nicht folgt.
Im übrigen bin ich mit Herrn Kollegen Heubaum der
Meinung, daß es schon nicht sehr glücklich war, daß der
Finanzsenator bei der Begründung des Haushaltsplan
entwurfes 1972 einen so konzentrierten Hinweis auf mög
liche Mietpreiserhöhungen gegeben hat, weil in dieser Stadt
überhaupt erst dadurch die Pferde scheu gemacht worden
sind. Aber, nachdem über diese imglückliche Geschichte
nach ausführlicher Beratung und korrigierenden Hinweisen
des Senators im Hauptausschuß inzwischen Gras gewachsen
war, war es nun auch kein Gianzstück, dieses Gras wieder
abzuräumen.
Bei allen sollte darüber Klarheit bestehen, daß „Tarif
erhöhungen“ ein ernstes Thema in dieser Stadt sind und
auch für 1972 bleiben werden. Daher erwarten wir vom
Senat — und hier in Übereinstimmung mit der anfragenden
Fraktion —, daß er uns dazu befriedigende und erschöp
fende Auskunft gibt.
(Beifall bei der F.D.P.)
Präsident Sickert; Das Wort hat der Abgeordnete
Wronski.
Wronski (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Die Neuartigkeit dieser Debatte hier hat doch
ihren Grund, Herr Senator, ln der Tatsache, daß wir es
in dieser Phase des öffentlichen Lebens in einer Breite,
in einer Intensität mit Preissteigerungen zu tim haben,
wie wir sie in den letzten Jahren in Deutschland über
haupt nicht gekannt haben.
Das ist die Ausgangssituation unserer gesamten Betrach
tung, und das ist der politische Ansatzpunkt für unsere
Anfrage.
Wenn die Situation sich heute vergleichsweise darstellen
würde mit der vergangener Jahre — es muß ja nicht im
mer unbedingt der Vergleich 1965 oder 1955 gezogen wer
den, es gab ja auch im vorigen Jahr noch andere Situa
tionen, das will ich ja fairerweise sagen —, dann hätten
wir diese Debatte zu diesem Zeitpunkt der Tarifentwick
lung hier nicht entfesselt.
Aber wir halten es für sinnvoll in Anbetracht dieser
auf uns, auf diese Stadt zukommende Preisentwicklung im
richtigen Augenblick das zu tun, das zu sagen und das
tun anzuregen, was möglicherweise noch, auch von
Ihnen, von Seiten des Senats, zu machen ist.
Herr Senator, Sie haben sich bei der Beantwortung
unserer Frage auf Formalismen beschränkt.
Immerhin haben Sie selbst bei dieser Art von Beant-
wortung eingeräumt, daß die Entscheidung über Tarif
erhöhungen in öffentlichen Betrieben letztlich dem Senat
Vorbehalten ist. Der von Ihnen zitierte § 7 des Eigenbe-
riebsgesetzes sagt aus, daß die letzte Entscheidung vom
beuat vorzunehmen und zu vertreten ist.
in -^betracht der Tatsache, daß Sie in der näch-
■rf Woche im Senat über bereits in Eigenbetrieben be-
cniossene Tariferhöhungen entscheiden werden, halten
ir es für ratsam und sinnvoll, Ihnen heute schon den
zu S eben » daß Sie bei dieser Entscheidung bitte
nr zurückhaltend praktizieren mögen. Denn nach dem
der unsere Fraktion zu eigen ist im Au
llpw xr haben wir allerhöchste Zweifel, ob die von
srhi Verwal tungsräten einiger Eigenbetriebe bereits be-
HrM° SSenen Tariferhöhungen in dieser Form und in dieser
ne zu rechtfertigen und erforderlich sind.
Mein Kollege Thies hat bereits vorhin darauf hingewiesen,
daß er beispielsweise im Etat der Wasserwerke Positionen
entdeckt hat, die unterschiedliche Betrachtungen ermög
lichen. Er hat verwiesen auf die zwar rechtlich vorgeschrie
bene Ausgleichsabgabe, die aber, wenn ich richtig infor
miert bin, in den zurückliegenden Jahren nicht immer
erhoben wurde.
Ich darf, was den Etat der Wasserwerke betrifft, an
fügen, warum, als Frage zunächst einmal, wird ausgerech
net im Jahre 1972 ein Darlehen, das die Stadt Berlin für
die Übernahme der Städtischen Wasserwerke Charlotten
burg gegeben hat, ausgerechnet im nächsten Jahr mit der
beträchtlichen Summe von 10 Millionen zurückerstattet
werden? Warum soll das im nächsten Jahr ausgerechnet
passieren, wo doch die Laufzeit dieses Darlehens, wenn ich
hier richtig den Wirtschaftsplan der Wasserwerke lese,
über einen Zeitraum von 100 Jahren veranschlagt wird.
(Frau Abg. Renner: 100 Jahre?)
— Dieses steht hier drin. 1 % sind 100 Jahre.
(Heiterkeit)
— Stimmt das nicht? — Dies alles ist der Grund, warum
wir zu diesem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit des Senats
vor Beschlußfassung über die Tarife auf diese Einzel
heiten in den Wirtschaftsplänen, in den so beschlossenen
Plänen der einzelnen Eigenbetriebe lenken wollen.
Das sagt nicht, mein Kollege Mendel hat das in einer
zurückliegenden Haushaltsrede ja bereits angedeutet, daß
die CDU sich begründeten Tariferhöhungen im Prinzip
widersetzt. Das hat damit überhaupt nichts zu tun.
Wir möchten nur, daß aber auch hier in den Eigenbe
trieben der Stadt Berlin jede Tariferhöhung auf den Pfen
nig genau ausgewiesen und kalkuliert sein soll.
Und nun zu unserer Frage zurückkommend, wir er
warten noch die Antwort auf unsere Frage, ob der Senat
bereit ist, in den entsprechenden Ausschüssen diese Tarif
erhöhungen im einzelnen detailliert zu begründen.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert; Das Wort hat der Abgeordnete
Stobbe.
Stobbe (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Ais der Kollege Boehm gesprochen hat, fing ich an,
so langsam zu begreifen, was denn nun hinter dieser
Anfrage steckt; aber ich gebe zu, oder muß Ihnen ge
stehen, daß das, was eben vom Herrn Kollegen Wronski
gesagt wurde, dieses Bild wieder völlig erschüttert hat.
Darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß die Große
Anfrage der CDU, die Große Dringlichkeitsanfrage, doch
Im Grunde genommen eine Anfrage ist, die rein formalen
und verfahrensmäßigen Charakter hat.
Sie enthält nämlich die Frage, ob der Senat bereit ist,
vor seiner Beschlußfassung usw. im einzelnen zu begrün
den. Vor seiner Beschlußfassung!
Nun ist darauf geantwortet worden: In den zuständigen
Ausschüssen. Ich darf feststellen, daß mir nicht bekannt
ist, daß die CDU-Fraktion den Antrag hier gestellt hat,
beispielsweise die Anlage Nr. 6 des Haushalts außer in
den Hauptausschuß auch noch in andere Ausschüsse zu
überweisen. Das ist damals nicht geschehen.
Aber es steht Ihnen ja nach der Parlamentsreform
jederzeit frei, das in den Ausschüssen auf die Tagesord
nung zu setzen. Warum ist das noch nicht geschehen? Das
interessiert mich einfach mal. Darauf wollte ich hin-
weisen.