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Volume Nr. 13, 23. September 1971

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1971, 6. Wahlperiode, Band I, 1.-21. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
18. Sitzung am 88. September 1971 
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den Herrn Sprecher der F.DJ?.-Fraktion, bei vielem Berech 
tigtem, was er zu dem Komplex Einnahmeseite/Kreditmit 
telaufnahme gesagt hat, doch zu beachten, daß das Land 
Berlin in dieser Frage nun wirklich nicht allein dasteht 
oder einen ganz besonderen Schritt tut, sondern sich in die 
ser Frage einreiht, ja sogar erst viel später einreihen 
mußte, würde ich sagen, dank der vernünftigen Haushalts 
wirtschaft, in das was andere Städte auch und wie andere 
Städte das längst getan haben. 
Ich sagte, die konjunkturpolitische Sicht der Dinge 
überlagert diese Diskussion. Wir wissen, daß die Hoch 
konjunktur gebremst werden muß. Aber ich möchte doch 
klarmachen, daß eines sich mittlerweile herumgesprochen 
haben sollte, nämlich daß dieser Bremsvorgang nicht allein 
im nationalen Rahmen und schon gar nicht auf regionaler 
Ebene mit durchschlagender Wirkung auf die Konjunktur 
allein geschehen kann, sondern daß hier andere wichtige, 
gravierende Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen; ich nenne 
nur den ganzen internationalen Bereich. 
Auf der anderen Seite ist klar: Wir haben unseren kon 
kreten Beitrag zu leisten, konkret der Bund, die Länder 
und auch die Gemeinden, und ich möchte doch feststellen, 
daß das Land Berlin bei diesen Bemühungen auch durch 
den Etatentwurf 1972 mit einer zehnprozentigen Zuwachs 
rate im Ausgabenbereich klar eingegliedert ist in die Be 
mühungen, die die Bundesregierung als wesentlicher Fak 
tor auf diesem Gebiet gesteckt hat, und ich verstehe des 
halb manche Zweifel, die hier geäußert worden sind, in 
diesem Zusammenhang nicht. 
Natürlich haben diese konjunkturpolitischen Einflüsse, 
die Notwendigkeit, antizyklische Haushaltspolitik zu be 
treiben, ihre gravierenden Einflüsse auf die Haushalts 
wirtschaft. Ich möchte aber doch meinen, daß, ob wir nun 
mit gebremsten Ausgaben fahren oder ob bald eine Situa 
tion — ich sage: hoffentlich — entsteht, daß wir die Aus 
gabenseite etwas ausweiten können, um zu unseren kom 
munalen Investitionen noch stärker zu kommen, eines wird 
klar bleiben: An der Diskussion über die Einnahmeseite der 
Haushalte kommen wir nicht vorbei. Ich erinnere daran, 
daß der Hauptausschuß des Deutschen Städtetages, in dem 
die Oberbürgermeister der großen Gemeinden versammelt 
sind, unabhängig von ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit 
dies einstimmig am vergangenen Donnerstag in dieser 
Stadt beschlossen hat. 
Wenn ich sage, daß es Probleme gibt, die gewissermaßen 
zwischen Berlin, Hamburg, München und anderen Städten 
austauschbar sind, mit ihren großen Auswirkungen auf un 
sere Haushaltswirtschaft, so darf dabei dennoch nicht un 
tergehen, daß neben diesen Problemen das Land Berlin 
weiterhin in der Situation sein wird, besondere haushalts 
mäßige Anstrengungen zu unternehmen - und nicht nur das 
Land Berlin, auch der Bund um die in Berlin negativ 
wirkenden Faktoren auszugleichen. Diese negativ wirken 
den Faktoren - ich nenne nur zwei Beispiele: die politisch- 
geographische Lage der Stadt und, im Innern, die un 
günstige Altersstruktur — werden uns, das Land Berlin, 
Senat und Abgeordnetenhaus, und den Bund, nach wie vor 
zu besonderen, die Haushaltswirtschaft ebenfalls belasten 
den Anstrengungen führen, um Nachteile auszugleichen 
und Attraktivität der Stadt zu erhalten und auszu 
bauen. Ich schließe mich der Forderung des Finanzsena 
tors an: Das Berlinförderungsgesetz bleibt wichtigste 
Grundlage hierfür, und ein Gerede, wie es leider an unsere 
Fraktion z. B. in Form von konkreten Forderungen schon 
herangetragen wurde und sicher auch an andere Fraktio 
nen, über diese Frage sollte gar nicht erst entstehen. Und 
es muß erhalten bleiben der direkte Zuschuß des Bundes zu 
unserem Haushalt. Meine Damen und Herren, ich kenne 
keine Aufsummierung von irgendwelchen Zahlenreihen, die 
ein deutlicheres Bild wiederspiegelt als die auf Seite 6 des 
Vorberichtes zum Haushalt aufgelisteten paar Zahlenreihen 
über den Eigenbeitrag Berlins, also ohne Bundeshilfe und 
ohne Kreditmittelaufnahme zum Haushalt des Landes 
Berlin; ich kann jedem nur empfehlen, sich das noch ein- 
nial genau anzugucken. Hier wird deutlich, in welchen 
Gravitationszentren wir eigentlich haushaltswirtschaft- 
uch stecken. 
Zum Thema Bundeshilfe, die wir weiter benötigen, möch 
te ich bei dieser Gelegenheit noch einen ausdrücklichen 
Dank an den Bundeskanzler sagen für seine Erklärung, die 
er in der Sondersitzung des Senats nach dem 3. Septem 
ber unter Bezugnahme auf § 16 des Dritten Überleitungs 
gesetzes abgegeben hat; ich möchte auch Herrn Kollegen 
Mendel auf diese Erklärung des Bundeskanzlers hinweisen. 
Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt — mit der 
FJD.P.; Herr Kollege Hoppe hat das ausdrücklich gesagt 
—, daß sich unsere allgemeine Situation durch die von den 
drei Westmächten gemeinsam mit der Bundesregierung 
und dem Berliner Senat betriebene Politik der Entspan 
nung, die zum Viermächteabkommen geführt hat, ent 
scheidend und positiv auf die Entwicklung der Stadt im 
Sinne einer Vermehrung der Sicherheit und Stabilität der 
allgemeinen Verhältnisse und in ihrem Gefolge in einer 
Stärkung der Wirtschaftskraft und der Attraktivität der 
Stadt auswirken muß und auswirken wird. Wir haben die 
große Chance, durch vermehrte Anstrengungen — auch im 
Bereich der Haushaltswirtschaft — den Gang der Dinge 
in diese Richtung zu treiben. Und aus dem großen Kranz 
der Möglichkeiten möchte ich ein Beispiel nennen, das hier 
von den beiden Herren Vorrednern ebenfalls schon zitiert 
worden ist; wir kommen aber zu anderen Ergebnissen. 
Das Beispiel Kongreßzentrum: Die bisher über das Kon 
greßzentrum geführte Debatte hatte erkennen lassen, daß 
im Grunde alle Fraktionen dieser Idee — ich will mich 
vorsichtig ausdrücken — nicht ablehnend gegenüberstan 
den und daß, parlamentarisch gesehen, lediglich ein Streit 
über Größenordnung und Finanzierbarkeit bestand. 
Ich möchte heute an dieser Stelle zwei Argumente nen 
nen — das sage ich ausdrücklich an die beiden Oppositions 
fraktionen —, die, wie mir scheint, ein neues Licht auf das 
geplante Projekt werfen und seine zukünftige Bedeu 
tung nur erhöhen. 
Erstens: Die ungeteilt positive deutsche und ausländi 
sche Resonanz über den Ablauf und die Ergebnisse der In 
ternationalen Funkausstellung, die wir doch in unsere Ar 
gumente bei der Debatte über das Kongreßzentrum mit- 
einbeziehen müssen. Da hat doch jeder von uns gesehen, 
welch suggestive, positive Kraft von solchen und ähnli 
chen Veranstaltungen in der Stadt zum Nutzen Berlins aus 
geht. Wir müssen etwas in diesem Bereich tun; es ist eine 
Chance für Berlin. 
Und noch wichtiger: Die sich aus dem Viermächteabkom 
men ergebende, ungeheuer wichtige Chance für die Stadt, 
in unserer Stadt ungestört und unbehindert nationale und 
internationale Ausstellungen und Kongresse abhalten zu 
können, ist das zweite Argument, das ich anführe. Meine 
Damen und Herren, Berlin muß diese Chance nutzen, wenn 
es sich selbst etwas wert ist, und es ist völlig zwecklos, die 
Debatte über das Kongreßzentrum jetzt im Auflistungs 
verfahren gegen andere Bereiche zu führen. Damit werden 
wir jener Größenordnung nicht gerecht, die wir brauchen, 
um eine kommunale Großinvestition vorzunehmen, die für 
diese Stadt von entscheidender Bedeutung sein kann. 
(Beifall bei der SPD) 
Ich behaupte, durch das Viermächteabkommen in diesem 
Punkt — und ich weise auch noch ausdrücklich darauf 
hin, daß dieser Punkt in den jetzt weiterlaufenden deut 
schen Verhandlungen nicht berührt wird — und in den Pla 
nungen des Senats, immer nur in diesem Sektor gemeint, 
— hat sich die Richtigkeit der Einschätzung der Regie 
rungsfraktion und des Senats über diese kommunale Groß 
investition bewiesen. Wir werden während der Ausschuß 
beratung und heute auch die Frage an die anderen Frak 
tionen richten, ob sie ihre Zustimmung zur Zukunftsent 
wicklung der Stadt in diesem Sektor und ln diesem Bereich 
wirklich versagen wollen. 
Aber ich frage noch weiter, ob angesichts dieser neuen 
Situation sich die Berliner Wirtschaft und auch die Bun 
desregierung sich nicht dazu verstehen könnten, einen Bei 
trag zu dieser kommunalen Groß Investition zu leisten: 
Wie man hört, ist einiges in diesem Bereich auch bereits im 
Busch. Ich würde mich freuen, wenn das geht; vielleicht 
könnte auch das geeignet sein, die Haltung der anderen 
Fraktionen zu beeinflussen. 
Meine Fraktion begrüßt es, daß der Senat die vor der 
Sommerpause geführte Diskussion um die Einnahmeseite 
unseres Etats aufgenommen und dem Hohen Hause mit
	        
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