Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
18. Sitzung am 88. September 1971
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den Herrn Sprecher der F.DJ?.-Fraktion, bei vielem Berech
tigtem, was er zu dem Komplex Einnahmeseite/Kreditmit
telaufnahme gesagt hat, doch zu beachten, daß das Land
Berlin in dieser Frage nun wirklich nicht allein dasteht
oder einen ganz besonderen Schritt tut, sondern sich in die
ser Frage einreiht, ja sogar erst viel später einreihen
mußte, würde ich sagen, dank der vernünftigen Haushalts
wirtschaft, in das was andere Städte auch und wie andere
Städte das längst getan haben.
Ich sagte, die konjunkturpolitische Sicht der Dinge
überlagert diese Diskussion. Wir wissen, daß die Hoch
konjunktur gebremst werden muß. Aber ich möchte doch
klarmachen, daß eines sich mittlerweile herumgesprochen
haben sollte, nämlich daß dieser Bremsvorgang nicht allein
im nationalen Rahmen und schon gar nicht auf regionaler
Ebene mit durchschlagender Wirkung auf die Konjunktur
allein geschehen kann, sondern daß hier andere wichtige,
gravierende Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen; ich nenne
nur den ganzen internationalen Bereich.
Auf der anderen Seite ist klar: Wir haben unseren kon
kreten Beitrag zu leisten, konkret der Bund, die Länder
und auch die Gemeinden, und ich möchte doch feststellen,
daß das Land Berlin bei diesen Bemühungen auch durch
den Etatentwurf 1972 mit einer zehnprozentigen Zuwachs
rate im Ausgabenbereich klar eingegliedert ist in die Be
mühungen, die die Bundesregierung als wesentlicher Fak
tor auf diesem Gebiet gesteckt hat, und ich verstehe des
halb manche Zweifel, die hier geäußert worden sind, in
diesem Zusammenhang nicht.
Natürlich haben diese konjunkturpolitischen Einflüsse,
die Notwendigkeit, antizyklische Haushaltspolitik zu be
treiben, ihre gravierenden Einflüsse auf die Haushalts
wirtschaft. Ich möchte aber doch meinen, daß, ob wir nun
mit gebremsten Ausgaben fahren oder ob bald eine Situa
tion — ich sage: hoffentlich — entsteht, daß wir die Aus
gabenseite etwas ausweiten können, um zu unseren kom
munalen Investitionen noch stärker zu kommen, eines wird
klar bleiben: An der Diskussion über die Einnahmeseite der
Haushalte kommen wir nicht vorbei. Ich erinnere daran,
daß der Hauptausschuß des Deutschen Städtetages, in dem
die Oberbürgermeister der großen Gemeinden versammelt
sind, unabhängig von ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit
dies einstimmig am vergangenen Donnerstag in dieser
Stadt beschlossen hat.
Wenn ich sage, daß es Probleme gibt, die gewissermaßen
zwischen Berlin, Hamburg, München und anderen Städten
austauschbar sind, mit ihren großen Auswirkungen auf un
sere Haushaltswirtschaft, so darf dabei dennoch nicht un
tergehen, daß neben diesen Problemen das Land Berlin
weiterhin in der Situation sein wird, besondere haushalts
mäßige Anstrengungen zu unternehmen - und nicht nur das
Land Berlin, auch der Bund um die in Berlin negativ
wirkenden Faktoren auszugleichen. Diese negativ wirken
den Faktoren - ich nenne nur zwei Beispiele: die politisch-
geographische Lage der Stadt und, im Innern, die un
günstige Altersstruktur — werden uns, das Land Berlin,
Senat und Abgeordnetenhaus, und den Bund, nach wie vor
zu besonderen, die Haushaltswirtschaft ebenfalls belasten
den Anstrengungen führen, um Nachteile auszugleichen
und Attraktivität der Stadt zu erhalten und auszu
bauen. Ich schließe mich der Forderung des Finanzsena
tors an: Das Berlinförderungsgesetz bleibt wichtigste
Grundlage hierfür, und ein Gerede, wie es leider an unsere
Fraktion z. B. in Form von konkreten Forderungen schon
herangetragen wurde und sicher auch an andere Fraktio
nen, über diese Frage sollte gar nicht erst entstehen. Und
es muß erhalten bleiben der direkte Zuschuß des Bundes zu
unserem Haushalt. Meine Damen und Herren, ich kenne
keine Aufsummierung von irgendwelchen Zahlenreihen, die
ein deutlicheres Bild wiederspiegelt als die auf Seite 6 des
Vorberichtes zum Haushalt aufgelisteten paar Zahlenreihen
über den Eigenbeitrag Berlins, also ohne Bundeshilfe und
ohne Kreditmittelaufnahme zum Haushalt des Landes
Berlin; ich kann jedem nur empfehlen, sich das noch ein-
nial genau anzugucken. Hier wird deutlich, in welchen
Gravitationszentren wir eigentlich haushaltswirtschaft-
uch stecken.
Zum Thema Bundeshilfe, die wir weiter benötigen, möch
te ich bei dieser Gelegenheit noch einen ausdrücklichen
Dank an den Bundeskanzler sagen für seine Erklärung, die
er in der Sondersitzung des Senats nach dem 3. Septem
ber unter Bezugnahme auf § 16 des Dritten Überleitungs
gesetzes abgegeben hat; ich möchte auch Herrn Kollegen
Mendel auf diese Erklärung des Bundeskanzlers hinweisen.
Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt — mit der
FJD.P.; Herr Kollege Hoppe hat das ausdrücklich gesagt
—, daß sich unsere allgemeine Situation durch die von den
drei Westmächten gemeinsam mit der Bundesregierung
und dem Berliner Senat betriebene Politik der Entspan
nung, die zum Viermächteabkommen geführt hat, ent
scheidend und positiv auf die Entwicklung der Stadt im
Sinne einer Vermehrung der Sicherheit und Stabilität der
allgemeinen Verhältnisse und in ihrem Gefolge in einer
Stärkung der Wirtschaftskraft und der Attraktivität der
Stadt auswirken muß und auswirken wird. Wir haben die
große Chance, durch vermehrte Anstrengungen — auch im
Bereich der Haushaltswirtschaft — den Gang der Dinge
in diese Richtung zu treiben. Und aus dem großen Kranz
der Möglichkeiten möchte ich ein Beispiel nennen, das hier
von den beiden Herren Vorrednern ebenfalls schon zitiert
worden ist; wir kommen aber zu anderen Ergebnissen.
Das Beispiel Kongreßzentrum: Die bisher über das Kon
greßzentrum geführte Debatte hatte erkennen lassen, daß
im Grunde alle Fraktionen dieser Idee — ich will mich
vorsichtig ausdrücken — nicht ablehnend gegenüberstan
den und daß, parlamentarisch gesehen, lediglich ein Streit
über Größenordnung und Finanzierbarkeit bestand.
Ich möchte heute an dieser Stelle zwei Argumente nen
nen — das sage ich ausdrücklich an die beiden Oppositions
fraktionen —, die, wie mir scheint, ein neues Licht auf das
geplante Projekt werfen und seine zukünftige Bedeu
tung nur erhöhen.
Erstens: Die ungeteilt positive deutsche und ausländi
sche Resonanz über den Ablauf und die Ergebnisse der In
ternationalen Funkausstellung, die wir doch in unsere Ar
gumente bei der Debatte über das Kongreßzentrum mit-
einbeziehen müssen. Da hat doch jeder von uns gesehen,
welch suggestive, positive Kraft von solchen und ähnli
chen Veranstaltungen in der Stadt zum Nutzen Berlins aus
geht. Wir müssen etwas in diesem Bereich tun; es ist eine
Chance für Berlin.
Und noch wichtiger: Die sich aus dem Viermächteabkom
men ergebende, ungeheuer wichtige Chance für die Stadt,
in unserer Stadt ungestört und unbehindert nationale und
internationale Ausstellungen und Kongresse abhalten zu
können, ist das zweite Argument, das ich anführe. Meine
Damen und Herren, Berlin muß diese Chance nutzen, wenn
es sich selbst etwas wert ist, und es ist völlig zwecklos, die
Debatte über das Kongreßzentrum jetzt im Auflistungs
verfahren gegen andere Bereiche zu führen. Damit werden
wir jener Größenordnung nicht gerecht, die wir brauchen,
um eine kommunale Großinvestition vorzunehmen, die für
diese Stadt von entscheidender Bedeutung sein kann.
(Beifall bei der SPD)
Ich behaupte, durch das Viermächteabkommen in diesem
Punkt — und ich weise auch noch ausdrücklich darauf
hin, daß dieser Punkt in den jetzt weiterlaufenden deut
schen Verhandlungen nicht berührt wird — und in den Pla
nungen des Senats, immer nur in diesem Sektor gemeint,
— hat sich die Richtigkeit der Einschätzung der Regie
rungsfraktion und des Senats über diese kommunale Groß
investition bewiesen. Wir werden während der Ausschuß
beratung und heute auch die Frage an die anderen Frak
tionen richten, ob sie ihre Zustimmung zur Zukunftsent
wicklung der Stadt in diesem Sektor und ln diesem Bereich
wirklich versagen wollen.
Aber ich frage noch weiter, ob angesichts dieser neuen
Situation sich die Berliner Wirtschaft und auch die Bun
desregierung sich nicht dazu verstehen könnten, einen Bei
trag zu dieser kommunalen Groß Investition zu leisten:
Wie man hört, ist einiges in diesem Bereich auch bereits im
Busch. Ich würde mich freuen, wenn das geht; vielleicht
könnte auch das geeignet sein, die Haltung der anderen
Fraktionen zu beeinflussen.
Meine Fraktion begrüßt es, daß der Senat die vor der
Sommerpause geführte Diskussion um die Einnahmeseite
unseres Etats aufgenommen und dem Hohen Hause mit