Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
8. Sitzung am 10. Juni 1071
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wehre mich hiermit gegen Diskriminierung der Universität“.
Wer hat hier die Universität diskriminiert ?
(Zuruf der CDU; Sehr richtig»)
Der Präsident einer Universität, der — wohl wissend, daß
es sich um eine Fälschung handelt —, ohne die Genehmigung
zur Veröffentlichung eines privaten Briefes zu besitzen, die
sen in die Öffentlichkeit laufen läßt; denn er ist ja anwesend
gewesen bei der Veranstaltung des Fachbereichsrats XI im
Audimax. Er hätte also auch dort eingreifen müssen und
diesen Brief nicht nach draußen gehen lassen dürfen. Daß
das nicht exakt war, muß ihm selbst bewußt gewesen sein;
denn er hat ja auf der anderen Seite die Dokumentation des
Fachbereichsrats XI angehalten eben wegen dieses Briefes,
weil er meinte, sie dürfe so nicht weiterlaufen und so nicht
veröffentlicht werden. Wie kann er dann diesen Brief — noch
dazu die Fälschung —, wenn es zutrifft, daß der Vizepräsi
dent tatsächlich den Text kannte — irgend jemand in der
Universität muß ihn ja haben, er muß ja dort irgendwo geblie
ben sein, sonst wäre man zu dem Fälschungstext nicht ge
kommen, der deutlich bestimmte Grundakkorde des Simson-
Briefes aufnimmt, wenn er sie auch gröblich verfälscht —, wie
kann er dann eine solche Veröffentlichung dieses Briefes —,
der das Kernstück dessen war, was die Veröffentlichung der
Dokumentation hinderte —, zulassen und kann ihn selbst
nachher der Presse übergeben? Ich halte das für einen
außerordentlich schwerwiegenden Vorgang, der noch nicht
abgeschlossen ist, und den ich an das Ende stelle, weil ich
meine, daß er vieles von dem beleuchtet in der Universität,
was uns beunruhigt und weil er andererseits — eben da er
so schwerwiegend und so aktuell ist — einer dringenden
Klärung bedarf und deshalb hier heute behandelt und gleich
zeitig vom Senator für Wissenschaft und Kunst mit an
gesprochen werden sollte. Ich bin der Auffassung, daß in
diesem Verhalten ein wissentlicher Verstoß gegen die Pflich
ten des Universitätspräsidenten liegt, den wir nicht dulden
und nicht hinnehmen dürfen.
Es gibt eine Presse-Erklärung der TU und der PH zu
dieser Debatte, die heute durch die Zeitungen gelaufen ist,
worin steht: „Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung“.
Meine Frage: Welcher Entwicklung, wenn man dies alles
weiß und berücksichtigt ? — Recht schönen Dank.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung hat Herr
Senator Dr. Stein.
Dr. Stein, Senator für Wissenschaft und Kunst: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Große
Anfrage der CDU hiermit beantworte, möchte ich damit
beginnen, daß ich mir sehr wohl bewußt bin, daß wir
unsere Hochschulen — selbstverständlich dann auch ge
rade die Freie Universität — auf ihrem sehr schwierigen
Weg zu einer neuen Form sehr kritisch auf das beobachten
müssen, was in ihnen vor sich geht, und daß dabei der
Universitätspräsident eine ganz besondere Aufmerksam
keit verdient, weil ihm eben das Gesetz ein großes Ausmaß
an Rechten und Pflichten gibt, er die Universität insoweit
vertritt und das, was dort geschieht, verantwortet. Trotz
dem sehe ich mich nicht in der Lage, die Große Anfrage
der CDU in diesem Sinne als einen besonders wertvollen
Beitrag dieser kritischen Beobachtung zu werten. Ich
werde in meinen Ausführungen noch darauf eingehen,
warum. Mir scheint, daß doch bei aller Bedeutung des
Universitätspräsidenten hier eine zu vereinfachte Prügel-
knaben-Politik betrieben wird.
(Abg. Lummer: Wir können Sie ja einbeziehen!)
— Sicherlich, Herr Abgeordneter, aber ich wollte Sie sogar
darauf aufmerksam machen, daß ich mich einbezogen
fühle, daß ich ganz genau weiß, daß hier ein gut Stück
der Verantwortung bei mir liegt. Sie brauchen mir das also
gar nicht erst bewußt zu machen, wir kennen uns ja lange
genug, daß ich also merke, wenn ich auch im Moment
nicht in Ihrer Schußlinie gestanden habe, ich sicherlich
glaube, mit meinen Ausführungen auch noch in Ihre Schuß
linie hineinzulaufen, davon bin ich fest überzeugt. Aber
es ist auch meine Pflicht, mich dort zu stellen, wo ich mich
stellen muß. -— Ich halte also solche Prügelknaben-Politik
nicht für richtig. Sie ist zu einseitig und ich habe die Be
fürchtung — aber bitte, das dürfte ja eigentlich nicht
meine, oder sollte nicht meine Sorge sein —, daß die CDU
mit einer derartigen einseitigen Kritik an den Vorgängen
in der Universität ihrem hochschulpolltischen Prestige
nicht gerade nutzt. Ich sage: das sollte nicht meine Sorge
sein und doch ist es auch meine Sorge, weil ich glaube,
daß gerade in hochschulpolitischen Dingen nur durch ein
Zusammenwirken des ganzen Hauses schließlich etwas her
auskommen kann, was Bestand haben kann. Wir haben
es auch beim vorigen Universitätsgesetz gehabt, daß wir
gar nicht auf der ganzen Linie weit auseinander waren,
daß Gedanken zwischen den Fraktionen hin- und her-
gingen, daß es, wenn auch das endgültige Gesetz nachher
nicht die Zustimmung der CDU gefunden hat, doch von den
Vorstellungen der CDU nicht so weit entfernt war, daß
ich sagen konnte: auch sie hat ganz wesentlich dazu bei
getragen.
(Zurufe von der CDU)
Und auch insofern ist jede Schwächung der hochschul
politischen Potenz dieses Hauses in meinen Augen be
dauerlich und ich bedaure es.
(Abg. Tromp: Legendenbildung!)
Nun, meine Damen und Herren, merkt man der An
frage an, daß die CDU ihrer Sache selbst nicht sicher ist.
(Abg. Schulze; Richtig!)
Das kommt durch das Wort „gegebenenfalls“ zum Aus
druck, hinter dem eine ganz schwere, die schwerste Maß
nahme gegen den Universitätspräsidenten gesetzt wird, die
überhaupt infrage kommt, abgeschirmt durch das Wort
„gegebenenfalls“, das heißt: sie weiß nicht, ob dieser
Fall gegeben ist. Und es kommt darin zum Ausdruck, daß
unsere Tagesordnung zwar heute um einen Punkt ver
kürzt wurde — nämlich die Einsetzung eines Untersu
chungsausschusses. Wenn ich aber recht unterrichtet
bin, soll das ja in 14 Tagen nachgeholt werden; und wenn
ich recht unterrichtet bin — jedenfalls entnahm ich das
dem ursprünglichen Thema des Untersuchungsausschus
ses —, soll der Untersuchungsausschuß gerade das unter
suchen, was in dieser Großen Anfrage als Behauptung
unterstellt wird.
(Zurufe von der CDU)
— Genau das untersucht wird, was hier unterstellt wird! —
Meine Damen und Herren! Ich weiß, ein Untersuchungs
ausschuß ist kein Gericht, wenn er auch mit gerichtlichen
Mitteln arbeitet und es sehr gut wäre, wenn jeder parla
mentarische Untersuchungsausschuß sich durch das Niveau
seiner Arbeit der objektiven Arbeitsweise eines Gerichts
möglichst anpassen könnte. Aber ich weiß, er ist kein
Gericht. Wenn er ein Gericht wäre, müßte man die CDU-
Mitglieder in diesem Untersuchungsausschuß wegen Be
fangenheit zurückweisen, weil sie ein Urteil schon hatten,
bevor der Untersuchungsausschuß zu arbeiten begann.
(Beifall bei der SPD)
Nun zum Präsidenten der Freien Universität, auf den
ja hier — ganz ausdrücklich — die Große Anfrage der
CDU zielt, darf man doch erst einmal folgendes feststellen:
Dieser Universitätspräsident gehört zu den am stärksten
kontrollierten Personen in unserer Gesellschaft. Es gibt
wohl kein Amt, das einer derartigen öffentlichen Kontrolle
von vielen Seiten so stark unterworfen ist, wie das Amt des
Universitätspräsidenten. Er wird von diesem Hause kon
trolliert, wie ja auch diese Große Anfrage zeigt. Er wird
vom Senator für Wissenschaften und Kunst kontrolliert,
wie auch Zitate von Frau Dr. Besser gezeigt haben,
(Zurufe von der CDU)
vom Kuratorium, vom Akademischen Senat, vom Konzil,
von der Presse, vom Rundfunk und von jedem Mitglied der
Universität, das in Form der Rechtsaufsichtsbeschwerde