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Volume Nr. 8, 10. Juni 1971

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1971, 6. Wahlperiode, Band I, 1.-21. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
&. Sitzung am 10. Juni 1971 
121 
Beier (SPD): Herr Senator, ist Ihnen bekannt, daß der 
Leiter des Postscheckamtes vor zwei Stunden in einem 
Rundfunkinterview erklärt hat, durch Überstunden am 
Sonnabend würden die Rückstände aufgearbeitet ? 
(Heiterkeit bei der CDU und P.D.P.) 
Präsident Sickert: Herr Senator Grabert! 
Grafoert, Senator für Bundesangelegenheiten: Ich weiß 
nicht, ob ich dieses Rundfunkinterview 
(Präsident Sickert: Sie dürfen danken für 
die Mitteilung!) 
Ich habe diese Sendung leider nicht hören können. — Ich 
bedanke mich. 
Präsident Sickert: Weitere Zusatzfragen? — Das ist 
nicht der Fall. 
Dann rufe ich auf die Anfrage Nr. 9 und erteile Herrn 
Abgeordneten Kittelmann das Wort zum Thema Wieland 
Deutsch. 
Kittelmann (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich frage den Senat: 
1. Kann der Senat aufgrund seiner engen politischen 
Verbindungen zur derzeitigen Bundesregierung Auskunft 
geben, ob der umstrittene Beitrag in der Zeitschrift 
„liberal“ über Berlin, der mit „Wieland Deutsch“ gezeich 
net war, von einem Sprecher oder Mitglied der Bundes 
regierung stammt ? 
2. Ist der Senat mit dem Herrn Bundesinnenminister 
Genscher der Meinung, daß dieser Artikel „nur schwer zu 
verantwortendes pseudojuristisches Gewäsch sei“ ? 
3. Hat der Senat festzustellen versucht, von welchem 
Autor der aufsehenerregende und berlinschädliche Artikel 
stammt ? 
4. Zu welchem Ergebnis haben diese Feststellungen ge 
führt? 
Präsident Sickert: Herr Regierender Bürgermeister zur 
Beantwortung! 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident! 
Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kittelmann! 
Zu 1: Der Senat hat aus der Antwort der Bundesregierung 
im Deutschen Bundestag ersehen, daß es sich bei dem 
nicht gekennzeichneten Artikel um eine Meinungsäußerung 
handelt, keinesfalls um eine Stellungnahme der Bundes 
regierung. 
Zu 2: Der Senat sieht keine Veranlassung, diese im 
Schutz der Anonymität abgegebene Äußerung zu bewerten. 
Zu 3: Nein! Damit entfällt die Antwort zu 4. 
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD) 
Präsident Sickert: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — 
Herr Abgeordneter Kittelmann! 
Kittelmann (CDU): Herr Regierender Bürgermeister, 
sind Sie mit mir der Meinung, daß die Berliner Bevölke 
rung einen Anspruch darauf hätte, daß der Senat von 
Berlin, vertreten durch den Regierenden Bürgermeister, 
zu diesem Artikel eine Äußerung abgibt, die weit über das 
hinausgeht, was Sie eben gesagt haben? 
(Beifall bei der CDU) 
Präsident Sickert: Herr Regierender Bürgermeister! 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Abgeordneter 
Kittelmann, ich bin nicht mit Ihnen dieser Auffassung. 
Diese Zeitung, von der hier che Rede ist, gehört nicht zur 
Pflichtlektüre des Regierenden Bürgermeisters, 
(Abg. Franke: Was ist denn Ihre Pflichtlektüre ?) 
und ich gedenke, sie auch nicht zur Pflichtlektüre zu ma 
chen. Ich glaube nicht, daß es Aufgabe des Senats ist, auch 
in Zukunft anonyme Artikel in derartigen Presseorganen 
in der Öffentlichkeit zu kommentieren und zu bewerten. 
(Beifall bei der SPD) 
Präsident Sickert: Noch eine Zusatzfrage? — Herr Ab 
geordneter Kittelmann! 
Kittelmann (CDU): Herr Regierender Bürgermeister, 
sind Sie auch dann dieser Meinung, wenn es sich, wie nie 
mand bestreitet, bei diesem Artikel um einen Versuchs 
ballon handelt, der zumindest — das wird nicht abge 
stritten — von einem Sprecher der Bundesregierung stam 
men soll, und wenn der Berliner, der diesen Artikel liest, 
dahinter mehr vermuten muß als das, was von Ihnen jetzt 
gesagt worden ist ? 
Präsident Sickert: Herr Regierender Bürgermeister! 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Abgeordneter 
Kittelmann, ich muß Sie verweisen auf die Debatten des 
Deutschen Bundestages von gestern und auf die Antworten, 
die die Bundesregierung gestern dazu gegeben hat. Ich 
kann deshalb die Unterstellung nicht im Raume stehen 
lassen, als ob es sich um einen Sprecher der Bundesregie 
rung handelt, der hier eine Erklärung abgegeben hat. Für 
mich ist es eine anonyme, nicht namentlich gekennzeichnete 
Stellungnahme eines Bürgers in einer Zeitung, die nicht zu 
den amtlichen Organen der Bundesrepublik Deutschland 
und des Senats von Berlin gehört. 
Präsident Sickert: Eine Zusatzfrage? — Herr Abge 
ordneter Luster! 
Luster (CDU): Herr Regierender Bürgermeister, fanden 
Sie in Ihrer Eigenschaft als Regierender Bürgermeister die 
ser Stadt die Auskünfte, die gestern von der Bundesregie 
rung zu dem in seiner Wichtigkeit nicht zu unterschätzen 
den Artikel gegeben wurden, auch für Sie als ausreichend ? 
Präsident Sickert: Herr Regierender Bürgermeister! 
Schütz, Regierender Bürgermeister: Ich empfand die 
Auskünfte, die die Bundesregierung gegeben hat, als aus 
reichend. 
Präsident Sickert: Eine weitere Zusatzfrage? — Herr 
Abgeordneter Wronski! 
Wronski (CDU): Herr Regierender Bürgermeister, wür 
den Sie für den Fall, daß weitere anonyme Artikel anderen 
Inhalts, die die unmittelbaren Interessen Berlins berühren 
wie dieser, 
(Abg. Hannemann: Gehört nicht zur Frage!) 
— Ich frage ja nicht Sie, meine Herren Kollegen — die 
gleiche Reserviertheit und Zurückhaltung bei Ihrer Kom 
mentierung solcher Artikel üben, wie Sie es jetzt tun?
	        
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