67. Sitzung vom 12. Februar 1970
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Lernmer
— Ja, nun, Sie wollen ja selber die Preise senken, Herr
Jannicke, das haben Sie doch offensichtlich hier vor
geschlagen. Aber das ist ein Stück Verantwortung der
öffentlichen Hand, das kann sie nicht von sich weisen.
Die zweite Frage ist die der Höchstpreise. Wenn es
eine reine freie Marktwirtschaft ist, können Sie keine
Höchstpreise festsetzen. Auch da ist eine Eingriffs
möglichkeit vorhanden, die man doch immer in An
spruch nimmt, um bestimmte Lenkungen zu erreichen.
Sie können auch eine Verantwortung dahingehend
sehen, daß ja ein Teil dieser Schwierigkeiten durch
gesetzgeberische Maßnahmen entstand, etwa die
Schlechtwetterversorgung hat sich hier ausgewirkt, und
wir müssen darüber nachdenken: Was kann man tun,
um die Konsequenzen auf diesem Bereich zu vermeiden,
denn möglicherweise ist es ja für einen Bauarbeiter
oder auch für einen anderen auf dem freien Arbeits
markt allzu schwierig, Kohlen zu tragen; das ist offen
sichtlich gar nicht so einfach, daß sie vielleicht lieber
gehen, um Schnee zu schippen, wenn andere öffentliche
Betriebe Arbeitskräfte benötigen. Diese Mangelsituation
spielt darüber hinaus eine Rolle.
Und der Senat selbst hat ja auch in der schon zitierten
Erklärung die Bezirksämter zur Nachbarschaftshilfe
aufgerufen oder zu dem Versuch, hier unmittelbar ein
zugreifen.
Das — glaube ich — muß man jedenfalls feststellen:
Die öffentliche Hand ist aus der Verantwortung nicht
entlassen. Hier gibt es eine ganze Reihe von Problemen,
und wir haben eigentlich mit diesem Antrag nur die
Absicht verfolgen wollen, in nächsten Jahr solche
Schwierigkeiten zu vermeiden. Es hat sich heraus
gestellt — Kohlen waren ausreichend vorhanden, das
hat ja wohl auch niemand bestritten —, daß diejenigen,
die sie benötigten, nicht immer in den Besitz dieser
Kohlen kamen. Und da müssen wir uns etwas einfallen
lassen. Da müssen wir zum Beispiel einen Überblick
haben über die Entwicklung im Kohleneinzelhandel und
über das Lagerungsproblem, das hier zitiert wurde. In
einigen Bezirken, Wedding vor allen Dingen, gibt es
keine ausreichenden Lagerungen in den Wohnungen,
aber wir haben auch bei unseren Rundgängen feststel
len können, daß viele Einzelhändler keine ausreichende
Lagerungsmöglichkeit haben, auch die leben von der
Hand in den Mund, auch die haben aus dem Waggon
gelebt. Was nützt es denn denen, wenn wir in einer
schwierigen Situation ohne weiteres auf die Lager des
Senats verweisen, wenn die Witterungsverhältnisse, die
wir nicht zu verantworten haben, so eingetreten sind?
Da gibt es eine ganze Reihe von Problemen, die man
hier aufzählen könnte, die bei den verantwortlichen
Behörden ein Stück Überlegung veranlassen müssen,
damit im nächsten Jahr solche Schwierigkeiten nicht
wieder eintreten. Darauf, meine Damen und Herren,
kommt es in dieser Situation an und nicht darauf, wer
den größeren Teil oder die größere Hälfte der Schuld
zu vertreten hat. Wir möchten, daß sich der Senat und
wir alle uns verantwortlich fühlen für diese Situation
und daß im nächsten Jahr diese Schwierigkeiten ver
mieden werden.
(Beifall bei der CDU.)
Stellv. Präsident Lorenz; Weitere Wortmeldungen
liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Ältesten
rat empfiehlt, beide Anträge an den Ausschuß für Wirt
schaft zu überweisen. Wer für diese Überweisung ist,
den bitte ich um das Handzeichen. — Danke, das ist die
Mehrheit, damit ist so beschlossen.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 20, Drucksache 1033:
Antrag der Fraktion der CDU über
betriebswirtschaftliches Studium
an der Wirtschaftsakademie
Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:
Der Senat wird beauftragt, an der Wirtschafts
akademie ungeachtet künftiger Regelung schon
jetzt die Voraussetzungen für die Einrichtung
eines betriebswirtschaftlichen Studiums zur Er
gänzung für graduierte Ingenieure zu schaffen.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Klein.
Klein (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Den Antrag der CDU will ich mit — im wesent
lichen — vier Gründen versehen und ich hoffe dabei,
daß Sie sich diesen Gründen anschließen und dem
Antrag zustimmen können.
Zunächst: Es besteht ein Bedarf in der Industrie für
volkswirtschaftlich ausgebildete Ingenieure. Da liegt
nicht nur ein Bedürfnis der Industrie vor; da liegt dar
über hinaus — und das ist das zweite — auch eine
sinnvolle Verbindung zweier Studiengänge vor. Es ist
also nicht so, daß jemand etwas gewissermaßen nur zu
seiner geistigen Bereicherung tut, sondern er verbindet
hier zwei Studiengänge, deren Ergebnis sich letzten
Endes auf eine Steigerung unserer Produktivität aus
wirken kann und äuswirken wird.
Als dritten Grund habe ich Ihnen etwas anzugeben,
was uns Berlinern sehr naheliegen sollte, nämlich wir
haben alles zu tun, was nur irgend möglich ist und in
unseren Kräften liegt, um zu verhindern, daß Berlin
hinter dem Ausbildungsniveau und dem wissenschaft
lichen Niveau vergleichbarer Einrichtungen anderer
Bundesländer zurückbleibt. Dieses um so mehr, als
sonst die Gefahr besteht, daß Ingenieure, die zur Aus
bildung in Wirtschaftswissenschaften in die Bundes
republik gehen, dann, weil sie dort entsprechende Ver
bindungen anknüpfen, möglicherweise nicht mehr nach
Berlin zurückkehren. Außerdem ist es ja mit unnötigen
Kesten auch für die einzelnen Absolventen verbunden,
wenn sie ihre ganze Lebensführung, ihren Haushalt
und alles übrige für einige Zeit in ein anderes Bundes
land verlegen müßten.
Wir haben erfahren, daß es einmal schon hieß: Ein
solcher Ausbildungsgang ist in Berlin zugelassen, und
wir wissen auch, daß sich eine Reüie von Bewerbern
dafür gemeldet hatte, daß sie angenommen worden
waren und daß man dann schließlich diese Ausbildung
doch nicht durchgeführt hat. Dieses ist schon eine
ungute Sache gewesen, und wir sollten verhindern, daß
sich daraus weitere negative Entwicklungen anbahnen.
Als vierten Grund für diesen Antrag gebe ich aber
etwas an, was den Bildungspolitikern sehr am Herzen
liegen müßte. Wenn wir davorstehen — und das ist ja
der Fall —, daß wir aus den Akademien in Kürze Fach
hochschulen machen wollen, dann müssen wir auch die
sen Ausbildungsgang schaffen, einmal aus den Gründen
der Durchlässigkeit, zum zweiten aber, weil ja hinter
diesem Umwandlungsprozeß letzten Endes eine wie
immer geartete Hochschulverbindung stehen wird, ob
nun eine Gesamthochschule oder ein Hochschulgesamt
bereich, soll zunächst offenbleiben, aber irgendein Wei
terstudium an der Universität wird auf alle Fälle da
hinterstehen müssen, und so haben wir schon heute
die Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit, vergleich
bare Studiengänge zu schaffen.
Selbstverständlich sind mit solchen Neueinrichtungen
Kosten verbunden, und es wird natürlich auch vom
Senat aus die Frage gestellt werden: Woher soll das
Geld kommen, und in welchem Umfang werden Kosten
auf uns zukommen? Ich kann diese letzte Frage selbst
nicht beantworten; es ist auch nicht meine Aufgabe.
Ich kann aber folgendes dazu sagen; Wenn wir eine
Umwandlung unseres gesamten Bildungssystems vor
nehmen, so werden ohne Frage große Kosten auf uns
zukommen. Dann sollten uns solche relativ kleinen
Kosten — gemessen am Gesamtumfang — nicht ab-