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67. Sitzung vom 12. Februar 1970
Von Kekule
Stande gekommen zwischen dem Senat und der Arbeits
gemeinschaft. Ist damals ein Einvernehmen erzielt
worden oder nicht? Woran hat es gelegen, daß diese
Frage so gestellt werden muß, daß man sie überhaupt
nicht genau übersehen kann? Schließlich, meine Damen
und Herren, kommt der interessanteste Punkt, der uns
am nächsten liegt. Am 29.1. dieses Jahres haben im
Hause des Senators für Wirtschaft Verhandlungen
stattgefunden. In denen ist ein neues Angebot seitens
der Arbeitsgemeinschaft gemacht worden, nämlich
rückwirkender Verzicht auf die gesamte Mankogeld
regelung und Neuregelung für das Lagergeld und die
Regiekosten, nämlich eine Senkung auf 32 Pfennig für
Lagergeld und Regie von bisher zusammen 38 Pfennig.
Das Gegenangebot des Senats bei diesem Vorschlag lag
bei 30 Pfennig. Die Vertragspartner sind auseinander
gegangen mit der Verabredung, daß die Arbeits
gemeinschaft fünf Tage Bedenkzeit habe, um über
dieses Angebot zu befinden. Wenn man weiß, daß das
ja nicht einer ist, sondern daß das mehrere sind, ist es
vielleicht angemessen, fünf Tage dafür als Bedenkzeit
zu haben. Meine Damen und Herren! Einen Tag später,
am 30.1.1970, hat dann der Senat, man kann ruhig
sagen, unter Berücksichtigung dieser Hintergründe,
völlig überraschend den Vertrag gekündigt. Kein
Mensch kann erkennen, warum diese plötzliche Kündi
gung erfolgt, wenn man so intensiv miteinander spricht
und es möglich ist, ohne einen derartig dramatischen
Schritt, der offensichtlich nur für die Öffentlichkeit be
stimmt ist, zu einer Einigung zu kommen. Wir haben
den Eindruck, meine Damen und Herren, daß diese
Aktivität darauf zurückzuführen ist, daß wir am
19. Januar dem Hause unseren Antrag vorgelegt haben,
in dem wir um zweierlei gebeten haben, nämlich einmal,
daß über die Braunkohlenversorgung im Sommer be
richtet werden möge, über die Braunkohlenversorgung,
die uns im nächsten Winter bevorsteht, damit diese
Kalamität, die wir jetzt erleben mußten, nicht wieder
vorkommt, und insbesondere nun zu dem in Rede stehen
den Vertrag, daß diese Verhandlungen und auch auf der
anderen Seite die dramatisch gewählte und uns un
gerechtfertigt erscheinende Form der Kündigung eben
falls auf den Absatz 2 unseres Antrages zurückzuführen
ist, mit dem wir ursprünglich dem Senat Rücken
deckung geben wollten, damit er überhaupt zu einer
solchen Aktion schreiten kann. Er hat dieses in einer
Form benutzt, die wir in Anbetracht der Verhandlun
gen, die er geführt hat, allerdings nicht für gerecht
fertigt halten können. — Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU.)
Präsident Sickert; Das Wort zur Begründung des
SPD-Antrages hat der Abgeordnete Wetzel!
Wetzel (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Als um die Jahreswende die ersten Meldungen
über Schwierigkeiten bei der Kohleversorgung der
Haushalte bekannt wurden, konnte man angesichts der
riesigen Kohlenbestände in Berlin nur erstaunt sein.
Das Rätsel löste sich leider erst nach und nach, vor
allem, als nähere Einzelheiten des Vertrages aus dem
Jahre 1951 zwischen Senat und der Arbeitsgemeinschaft
Kohle bekannt wurden. Ich will hier nicht näher auf
die Hintergründe des damaligen Vertragsabschlusses
eingehen. Angesichts der Erfahrungen in der Blockade
zeit und der besonderen politischen Situation Berlins
war und ist es eine richtige Maßnahme, für besondere
politisch bedingte Notfälle derartige Reserven in Berlin
anzulegen.
Inzwischen hat sich jedoch vieles geändert. Seit
Jahren beziehen wir die Braunkohlenbriketts aus der
DDR. "über die Lieferungen sind sowohl in quantitativer,
terminlicher als auch qualitativer Hinsicht keine Klagen
zu führen, wenn man von geringfügigen Beanstandun
gen absieht, und das, obwohl immer wieder Versor-
gungs- und Transportschwierigkeiten in der DDR be
kannt werden, Schwierigkeiten, unter denen die Be
völkerung der DDR besonders zu leiden hat. Soweit ich
sehe — und das bestätigen auch Teile der Ausführun
gen des Herrn Kollegen Kekule — ist das Haus über
einstimmend darin einig, daß dieser Vertrag zumindest
den heutigen Bedingungen angepaßt werden muß. Vor
allem jedoch sind die vereinbarten Vertragsbedingungen
hinsichtlich der Regie- und Lagerhaltungskosten und
der Mankomengen völlig überholt. Die durch die in
zwischen erfolgte Vertragskündigung durch den Senat
sichtbar gewordene Tendenz neuer Grundlagen wird
von meiner Fraktion nachträglich unterstützt. In
zwischen, meine Damen und Herren, dürfte klargewor
den sein: Der AGK stehen seit Jahren ausreichende
Mengen zur freien Disposition zur Verfügung. Zu Kla
gen über zu späte oder zögernde Freigabe durch den
Senat kann also überhaupt kein Anlaß sein.
(Abg. Jannicke: Sehr gut!)
Die AGK selbst ist für die Schwierigkeiten, die sich bei
der Ausgabe in organisatorischer und terminlicher Hin
sicht ergeben haben, voll verantwortlich. Hier sind
völlig unzureichende Vorbereitungen getroffen worden,
um die Ausgabe zügig und terminlich günstig zu ge
stalten, so günstig, daß auch der Einzelkohlenhändler
hier kostensparend diese Arbeiten durchführen kann.
Und das, obwohl eine großzügigere Regelung hinsicht
lich der Regiekosten mit dem Senat bestand.
Zweitens: Die Kohlenlager, die in Verkennung der
Tatsachen im alltäglichen Sprachgebrauch als Senats
kohlenlager bezeichnet werden, sind tatsächlich Kohlen
lager der AGK. Das gilt im übrigen auch für die preis
liche Gestaltung. Bei den bisher gültigen Mankorege
lungen hätte man erwarten müssen, daß die AGK die
durch den Senat festgesetzten Höchstpreise nicht in
Anspruch genommen hätte. Sie hätte unter Berück
sichtigung des geringeren Gebrauchswertes dieser Alt
kohle-Bestände im Verhältnis zu neuer Kohle erheblich
größere Preisnachlässe für den Einzelhändler gewähren
müssen, damit diese in der Lage sind, auch dem End
verbraucher billigere Kohle zu liefern.
(Abg. Stobbe: Sehr gut!)
Drittens; Im übrigen möchte ich betonen, daß sich
der Handel darüber im klaren sein muß, daß die wegen
der besonderen politischen Situation angelegten Reser
ven eben auch politisch zu betrachtende Reserven sind
und keine Bestände gleichsam als kostenlose oder
kostensparende Lagerpolster für den Handel selbst in
Hinsicht auf Lieferungsschwierigkeiten, ungünstige
Witterungseinflüsse oder gar eigene Versäumnisse. Für
die Versorgung der Berliner Wirtschaft und der Be
völkerung ist insofern in erster Linie der Handel ver
antwortlich. Er muß auch entsprechende eigene Lager
bestände laufend unterhalten. Sollten sich immer wie
der Versorgungsschwierigkeiten nicht nur bei der Kohle
ergeben, so müssen ernsthafte Überlegungen über an
dere — etwa gemeinwirtschaftliche — Versorgungs
einrichtungen angestellt werden.
Es kann, meine Damen und Herren, kein Zweifel
darüber bestehen, daß angesichts dieser Situation die
Kohleversorgung in Berlin grundsätzlich gesichert ist.
Besondere Schwierigkeiten haben sich jedoch vor allem
in jenen Gebieten gezeigt, in denen eine Reihe un
günstiger Momente vereint Zusammentreffen. Das be
zieht sich vor allem auf Gebiete der Bezirke Neukölln,
Wedding und Kreuzberg. Dabei spielen ungünstige Vor
aussetzungen für die private Lagerhaltung
(Frau Abg. Dr. Barowsky: Sehr richtig!)
und traditionelle Einkaufsgewohnheiten eine Rolle. Ich
möchte daher hier auch meinen Appell an die Bevölke
rung richten, von sich aus rechtzeitig Überlegungen
hinsichtlich ihrer Einkaufsdispositionen und ihrer Mög
lichkeiten zu treffen, und zwar auch unter Berücksichti
gung etwa kurzfristig auftretender Lieferungsverzöge
rungen durch den Einzelhandel. Das ist selbstverständ
lich gerade für unsere sozialschwächergestellten und
älteren Bürger nicht immer einfach. Die geplante noch
rechtzeitigere Ausgabe der Kohlengutscheine durch die