89. Sitzung- vom 10. Dezember 1970
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Klein
oder unter Umständen die Einschränkung der Ausbil
dungszahl dadurch zu riskieren.
(Zuruf des Abg. Hannemann.)
überhaupt ist die Behandlung der Privatschulen, für
die ja eine neue Regelung ergangen ist, so, daß wir Sie
bitten möchten, in der Handhabung der bestehenden
Abmachungen nicht kleinlich zu sein; denn es besteht ja
ein gewisser Spielraum in den Vorschriften, die eine
Auslegung im engeren wie im weiteren Sinne ermög
lichen. Ich glaube, wir können es uns bei unserer Schul
situation nicht leisten, engherzig zu sein, und darum
wird hier von mir die Bitte vorgeträgen, großzügiger zu
verfahren, als das in der Vergangenheit der Fall gewe
sen ist.
Meine Damen und Herren! Dieses sind einige Anmer
kungen, die sich auf den Haushaltsplan beziehen. Ich
hatte Ihnen ja eingangs gesagt, daß wir nicht eine all
gemeine — womöglich noch pädagogische — Debatte
hier entfachen wollen. Aber Sie werden verstehen, daß
wir unter der Bewertung — zunächst hat Herr Senator
Löffler mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die er aus der
Amtsübernahme von seinem Vorgänger übernommen
hat — ablehnend sind. Wir haben aber festgestellt, daß
auch unter seiner Verwaltung nicht befriedigende
Lösungen zustande gekommen sind.
Aus diesem Grunde verhalten wir uns ablehnend zu
Ihrem Etat.
(Abg. Hannemann: Sie machen mir wirklich Spaß!
— Weitere Zurufe von Abg. Hannemann. —
Beifall bei der CDU.)
Stellv. Präsident Dr. Keif: Das Wort hat Herr Ab
geordneter Schwarz.
Schwarz (SPD); Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Es besteht wohl kein Zweifel an der Feststel
lung, daß die Beratung des Einzeletats für das Schulwe
sen in diesem Jahr ein besonderes Interesse der Öffent
lichkeit findet. War doch dieses Jahr durch eine Reihe
von Ereignissen gekennzeichnet, die gerade diesen Be
reich in den Mittelpunkt der Diskussion rückten. Herr
Klein und Frau Schneider haben uns hier soeben einen
Spaziergang durch den pädagogischen Garten vorgeführt
und haben da und dort haltgemacht, sind über einen
Stein gestolpert und dabei ist Herr Klein allerdings ein
bißchen ausgerutscht und ist mit einem Fuß in die
Jauchegrube getreten, nämlich in dem Augenblick, in
dem er von „Schulslums“ gesprochen hat. Diese Schul
slums in Berlin, Herr Klein, die sollten Sie uns mal
zeigen. Vielleicht hätten Sie ein paar Beispiele nennen
sollen. Das wird die Öffentlichkeit sehr interessieren, wo
in Berlin ein Schulslum besteht.
Ich weiß nicht, was Sie sich darunter vorstellen. Aber
vielleicht haben Sie nachher Gelegenheit, uns ein paar
Beispiele zu geben. Wir werden uns bemühen. Ihnen zu
antworten.
Stellv. Präsident Dr. Reif: Gestatten Sie eine Zwi
schenfrage ?
Schwarz (SPD): Ja bitte.
Stellv. Präsident Dr. Reif: Das Wort zu einer Zwi
schenfrage hat Herr Abgeordneter Klein.
Klein (CDU): Herr Schwarz, haben Sie überhört, daß
ich gesagt habe, es sollte verhindert werden, daß diese
Di nge entstehen, also in die Zukunft projiziert? Und
zweitens habe ich gesagt, daß ich weiß, daß dies ein
etwas harter Ausdruck ist, der aber eine bestimmte
Entwicklung kennzeichnen soll.
Schwarz (SPD): Soweit Sie uns Sozialdemokraten in
unserer Schulpolitik kennen, ist diese Frage doch völlig
überflüssig. Sie wissen doch, daß es bei uns sowas nie
geben wird, Herr Klein.
(Beifall bei der SPD.)
Nun, ich sagte, daß eine Reihe von Ereignissen im
letzten Jahr gerade den Schulbereich in den Mittel
punkt der Diskussion gerückt haben. Der Wechsel im
Amt des Senators fiel nun in eine Zeit, in der sich über
den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus eine
breite Öffentlichkeit für die Fragen der Erziehung und
für den Ausbau unseres Schulwesens besonders inter
essierte.
Und wenige Monate zuvor hatte eine neue, diesmal
sozialdemokratisch geführte, Bundesregierung in ihrem
Programm erstmalig in der Geschichte der Bundesrepu
blik Deutschland dem Bildungswesen eine hohe Priori
tät zuerkannt.
Wir wissen, daß damit Impulse freigesetzt wurden, die
sich in zunehmendem Maße auf alle Träger und Partner
im Erziehungsbereich auszuwirken begannen.
Wesentliche Vorarbeit hierzu war gerade in Berlin
geleistet worden. Und es ist nicht zuletzt auch das Ver
dienst des damaligen Senators Evers, die theoretischen
Grundlagen für eine Neuorientierung im Bildungswesen
gelegt zu haben. Begriffe wie „Gesamtschule“, „Kompen
satorische Erziehung“, „Fachoberschule“, „Fachhoch
schule“ und nicht zuletzt auch die „Vorklasse“ haben in
Berlin den Status von Denkmodellen bereits verloren
und befinden sich in der Phase der Realisierung.
Natürlich ist das Umsetzen solcher umfassenden Auf
gabenstellungen in die Wirklichkeit mit Schwierigkeiten
und Problemen verbunden. Solche Schwierigkeiten sind
aber kein Berliner Spezifikum. In anderen Bundeslän
dern standen und stehen die gleichen Fragen zur Lösung
an.
Nur war dort teilweise noch ein erheblicher Nachhol
bedarf aufzuarbeiten, den wir in Berlin längst ad acta
gelegt hatten. Während sich da und dort die Gemüter
erregten über die Einführung des neunten Schuljahres,
über die Einführung einer nicht nach Konfessionen und
Geschlechtern getrennten Schule und über die Beseiti
gung von Zwergschulen, standen wir bereits vor der
Frage, welche abschließenden praktischen Schritte in
welcher Zeit und mit welchem personellen und mate
riellen Aufwand unternommen werden müssen, um
unser Ziel zu erreichen, allen Kindern, unabhängig vom
sozialen Status der Eltern, die gleichen Bildungschan
cen zu geben.
Nun, meine Damen und Herren, ein beachtliches Stück
dieses Weges liegt hinter uns. Ich erinnere hier noch
einmal an die Einrichtung von Fachoberschulen, an die
Überleitung der Akademien in die Fachhochschulen, an
die Einbeziehung der Gesamtschulen in den Kreis der
Regelschule und an den zügigen Ausbau der Vorklasse.
Ich frage Sie: Wo finden wir heute in einem anderen
Bundesland einen Satz von 65 Prozent an Schülern, die
nach Abschluß der neunten Klasse ein freiwilliges zehn
tes Schuljahr absolvieren? Welches Bundesland ist mit
der Einrichtung von Vorklassen und Vermittlungsgrup
pen auch nur annähernd so weit vorangekommen wie
Berlin ?
An dieser Stelle ist es uns ein Bedürfnis, den Lehrern
und Erziehern der Berliner Schule im Namen der SPD-
Fraktion, besonders den an der Gesamtschule tätigen
Lehrern, herzlich zu danken.
(Beifall bei der SPD.)
Sie haben oft eine Hingabe an ihren Erziehungsauf
trag bewiesen, die weit über das normale Maß hinaus
geht. Nun wissen wir alle, daß besonders im Bildung»
wesen Stillstand gleich Rückschritt ist.