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Full text: Stenographischer Bericht (Public Domain) Issue1970/71, V. Wahlperiode, Band IV, 66.-95. Sitzung (Public Domain)

89. Sitzung- vom 10. Dezember 1970 
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Klein 
oder unter Umständen die Einschränkung der Ausbil 
dungszahl dadurch zu riskieren. 
(Zuruf des Abg. Hannemann.) 
überhaupt ist die Behandlung der Privatschulen, für 
die ja eine neue Regelung ergangen ist, so, daß wir Sie 
bitten möchten, in der Handhabung der bestehenden 
Abmachungen nicht kleinlich zu sein; denn es besteht ja 
ein gewisser Spielraum in den Vorschriften, die eine 
Auslegung im engeren wie im weiteren Sinne ermög 
lichen. Ich glaube, wir können es uns bei unserer Schul 
situation nicht leisten, engherzig zu sein, und darum 
wird hier von mir die Bitte vorgeträgen, großzügiger zu 
verfahren, als das in der Vergangenheit der Fall gewe 
sen ist. 
Meine Damen und Herren! Dieses sind einige Anmer 
kungen, die sich auf den Haushaltsplan beziehen. Ich 
hatte Ihnen ja eingangs gesagt, daß wir nicht eine all 
gemeine — womöglich noch pädagogische — Debatte 
hier entfachen wollen. Aber Sie werden verstehen, daß 
wir unter der Bewertung — zunächst hat Herr Senator 
Löffler mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die er aus der 
Amtsübernahme von seinem Vorgänger übernommen 
hat — ablehnend sind. Wir haben aber festgestellt, daß 
auch unter seiner Verwaltung nicht befriedigende 
Lösungen zustande gekommen sind. 
Aus diesem Grunde verhalten wir uns ablehnend zu 
Ihrem Etat. 
(Abg. Hannemann: Sie machen mir wirklich Spaß! 
— Weitere Zurufe von Abg. Hannemann. — 
Beifall bei der CDU.) 
Stellv. Präsident Dr. Keif: Das Wort hat Herr Ab 
geordneter Schwarz. 
Schwarz (SPD); Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Es besteht wohl kein Zweifel an der Feststel 
lung, daß die Beratung des Einzeletats für das Schulwe 
sen in diesem Jahr ein besonderes Interesse der Öffent 
lichkeit findet. War doch dieses Jahr durch eine Reihe 
von Ereignissen gekennzeichnet, die gerade diesen Be 
reich in den Mittelpunkt der Diskussion rückten. Herr 
Klein und Frau Schneider haben uns hier soeben einen 
Spaziergang durch den pädagogischen Garten vorgeführt 
und haben da und dort haltgemacht, sind über einen 
Stein gestolpert und dabei ist Herr Klein allerdings ein 
bißchen ausgerutscht und ist mit einem Fuß in die 
Jauchegrube getreten, nämlich in dem Augenblick, in 
dem er von „Schulslums“ gesprochen hat. Diese Schul 
slums in Berlin, Herr Klein, die sollten Sie uns mal 
zeigen. Vielleicht hätten Sie ein paar Beispiele nennen 
sollen. Das wird die Öffentlichkeit sehr interessieren, wo 
in Berlin ein Schulslum besteht. 
Ich weiß nicht, was Sie sich darunter vorstellen. Aber 
vielleicht haben Sie nachher Gelegenheit, uns ein paar 
Beispiele zu geben. Wir werden uns bemühen. Ihnen zu 
antworten. 
Stellv. Präsident Dr. Reif: Gestatten Sie eine Zwi 
schenfrage ? 
Schwarz (SPD): Ja bitte. 
Stellv. Präsident Dr. Reif: Das Wort zu einer Zwi 
schenfrage hat Herr Abgeordneter Klein. 
Klein (CDU): Herr Schwarz, haben Sie überhört, daß 
ich gesagt habe, es sollte verhindert werden, daß diese 
Di nge entstehen, also in die Zukunft projiziert? Und 
zweitens habe ich gesagt, daß ich weiß, daß dies ein 
etwas harter Ausdruck ist, der aber eine bestimmte 
Entwicklung kennzeichnen soll. 
Schwarz (SPD): Soweit Sie uns Sozialdemokraten in 
unserer Schulpolitik kennen, ist diese Frage doch völlig 
überflüssig. Sie wissen doch, daß es bei uns sowas nie 
geben wird, Herr Klein. 
(Beifall bei der SPD.) 
Nun, ich sagte, daß eine Reihe von Ereignissen im 
letzten Jahr gerade den Schulbereich in den Mittel 
punkt der Diskussion gerückt haben. Der Wechsel im 
Amt des Senators fiel nun in eine Zeit, in der sich über 
den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus eine 
breite Öffentlichkeit für die Fragen der Erziehung und 
für den Ausbau unseres Schulwesens besonders inter 
essierte. 
Und wenige Monate zuvor hatte eine neue, diesmal 
sozialdemokratisch geführte, Bundesregierung in ihrem 
Programm erstmalig in der Geschichte der Bundesrepu 
blik Deutschland dem Bildungswesen eine hohe Priori 
tät zuerkannt. 
Wir wissen, daß damit Impulse freigesetzt wurden, die 
sich in zunehmendem Maße auf alle Träger und Partner 
im Erziehungsbereich auszuwirken begannen. 
Wesentliche Vorarbeit hierzu war gerade in Berlin 
geleistet worden. Und es ist nicht zuletzt auch das Ver 
dienst des damaligen Senators Evers, die theoretischen 
Grundlagen für eine Neuorientierung im Bildungswesen 
gelegt zu haben. Begriffe wie „Gesamtschule“, „Kompen 
satorische Erziehung“, „Fachoberschule“, „Fachhoch 
schule“ und nicht zuletzt auch die „Vorklasse“ haben in 
Berlin den Status von Denkmodellen bereits verloren 
und befinden sich in der Phase der Realisierung. 
Natürlich ist das Umsetzen solcher umfassenden Auf 
gabenstellungen in die Wirklichkeit mit Schwierigkeiten 
und Problemen verbunden. Solche Schwierigkeiten sind 
aber kein Berliner Spezifikum. In anderen Bundeslän 
dern standen und stehen die gleichen Fragen zur Lösung 
an. 
Nur war dort teilweise noch ein erheblicher Nachhol 
bedarf aufzuarbeiten, den wir in Berlin längst ad acta 
gelegt hatten. Während sich da und dort die Gemüter 
erregten über die Einführung des neunten Schuljahres, 
über die Einführung einer nicht nach Konfessionen und 
Geschlechtern getrennten Schule und über die Beseiti 
gung von Zwergschulen, standen wir bereits vor der 
Frage, welche abschließenden praktischen Schritte in 
welcher Zeit und mit welchem personellen und mate 
riellen Aufwand unternommen werden müssen, um 
unser Ziel zu erreichen, allen Kindern, unabhängig vom 
sozialen Status der Eltern, die gleichen Bildungschan 
cen zu geben. 
Nun, meine Damen und Herren, ein beachtliches Stück 
dieses Weges liegt hinter uns. Ich erinnere hier noch 
einmal an die Einrichtung von Fachoberschulen, an die 
Überleitung der Akademien in die Fachhochschulen, an 
die Einbeziehung der Gesamtschulen in den Kreis der 
Regelschule und an den zügigen Ausbau der Vorklasse. 
Ich frage Sie: Wo finden wir heute in einem anderen 
Bundesland einen Satz von 65 Prozent an Schülern, die 
nach Abschluß der neunten Klasse ein freiwilliges zehn 
tes Schuljahr absolvieren? Welches Bundesland ist mit 
der Einrichtung von Vorklassen und Vermittlungsgrup 
pen auch nur annähernd so weit vorangekommen wie 
Berlin ? 
An dieser Stelle ist es uns ein Bedürfnis, den Lehrern 
und Erziehern der Berliner Schule im Namen der SPD- 
Fraktion, besonders den an der Gesamtschule tätigen 
Lehrern, herzlich zu danken. 
(Beifall bei der SPD.) 
Sie haben oft eine Hingabe an ihren Erziehungsauf 
trag bewiesen, die weit über das normale Maß hinaus 
geht. Nun wissen wir alle, daß besonders im Bildung» 
wesen Stillstand gleich Rückschritt ist.
	        
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