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87. Sitzung vom 2G. November 1970
Senator Löffler
Blick auf finanzpolitische Debatten zwischen den Län
dern und dem Bund.
Das letzte Zitat, Frau Kollegin Schneider, das Sie
brachten, ist für den Senat eine Verpflichtung, das zu
tun, was in seinen Grenzen möglich ist. Und ich glaube,
daß auch die Bezirke sich diesem Ziel verpflichtet
wissen.
Insgesamt darf ich aber namens des Senates den
Vorwurf, der in Ihrer Großen Anfrage steckt, als ver
letzten wir die Fürsorgepfiicht, entschieden zurückwei
sen. Es geht um die Frage, etwas, was noch nicht voll
befriedigt, besser zu tun und auch dafür Mittel lang
fristig zur Verfügung zu stellen.
Insgesamt ist eine Katastrophe in diesem Bereich
nicht vorhanden, selbst wenn auch in manchen Punkten
Ihre Beschreibung zutreffend war. Ich bedaure, eine
weitergehende und noch positivere Aussage zu diesem
Komplex heute nicht machen zu können. Vielen Dank.
(Beifall bei den Koalititionsparteien.)
Stellv. Präsident Dr. Reif: Ich eröffne die Besprechung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Padberg.
Padberg (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Herr Senator! Wir sind Ihnen zunächst grund
sätzlich dankbar, daß Sie die faktischen Feststellungen
nicht in Abrede gestellt haben und selbst zugeben, daß
hier Verhältnisse vorliegen, die dringend einer Verbesse
rung oder Änderung bedürfen.
Wenn wir in den Zahlen zum Teil nach Ihrer Meinung
nicht die richtigen Angaben gebracht haben, so spricht
das zunächst mal nicht gegen die grundlegende Tendenz
unserer Anfrage. Denn wir sind ja nicht so an der
Quelle, um uns über die Zahlen zu informieren wie Sie.
Und wir sind auf Informationen angewiesen, die nicht
in dem gleichen Umfange und so vollständig fließen wie
bei Ihnen.
Dazu möchte ich zunächst eine konkrete Frage an Sie
richten, die uns auch aus den Informationen zugegan
gen ist. Da ist nämlich gesagt worden, daß die Höchst
frequenz 15 erst vor wenigen Jahren, vor etwa zwei
bis drei Jahren, überhaupt eingeführt worden sei, nach
dem sie vorher bei 13 gelegen habe. Eine interessante
Frage, die ich gerne von Ihnen beantwortet hätte.
Zweitens; Die Situation, die hier an dieser Rein
felderschule in Charlottenburg entstanden ist, hat ja
doch eine besondere Ursache in der Tatsache, daß Sie
eine Verlegung dieser Schule von Wedding nach Char
lottenburg vorgenommen haben, wobei gerade vorher
an der Schule in Wedding — man muß schon sagen —
ausgezeichnete besondere Möglichkeiten für die Be
schulung der Schwerhörigen durch den Einbau sehr
kostspieliger Einrichtungen geschaffen wurden.
Und man hat den Eltern dieser Kinder, und das möch
ten wir doch mal ganz deutlich feststellen, die ja doch
hart geschlagen sind, Kinder zu haben, die ihnen der
artige Sorgen machen, versprochen und zugesagt, mit
dem Umzug der Schule würden sich die Dinge erheblich
verbessern.
Tatsache ist, daß sich die äußeren Bedingungen, bau
lich und einrichtungsmäßig, bei dem Umzug verschlech
tert haben. Hinzu kommt, daß hier ein Zuwachs von
Schülern entstanden ist — es ist ja die einzige Schule
dieser Art, die es in Berlin gibt —, den man auch nicht
direkt vorhersehen konnte.
Alles zusammen ist meines Erachtens doch Grund
genug, um auch eine Prioritätenliste zu überprüfen.
Die Prioritätenliste, die 1968 aufgestellt wurde und an
73. Stelle den Neubau dieser Schule vorsieht, ist doch
bei Gott keine heilige Kuh, die nun auf ewige Zeiten
nicht verändert werden kann.
Und Sie selbst haben ja in der Praxis aus dieser
Prioritätenliste, die ja seinerzeit fast 200 Objekte hatte,
eine ganze Reihe von Objekten herausgepickt und sie
dann vorher verwirklicht. Sie sind ja gar nicht in der
Praxis nach dieser Prioritätenliste gegangen und haben
nicht der Reihe nach die Objekte durchgeführt. Die
Prioritätenliste ist doch im Grunde genommen kein
Hindernis, an einer Stelle etwas zu tun, wo es dringend
nötig ist.
Und zum anderen, Herr Senator, auch die mittel
fristige Finanzplanung, die jetzt bis 1975 diesen Schul
bau nicht vorsieht, ist doch auch kein Gesetz, sondern
legt zunächst nur die Absichten für die nächsten fünf
Jahre fest.
Und bereits im nächsten Jahr sieht sich der Senat vor
die Situation gestellt, eine neue mittelfristige Finanz
planung vorzulegen, die bis 1976 reicht. Und wir haben
es bisher jedesmal erlebt, daß diese Vorplanungen ge
wisser Revisionen einfach aus der Notwendigkeit der
Ereignisse heraus bedürfen.
Und es würde uns sehr gedient haben, wenn Sie
gesagt hätten, daß Sie sich bei der Aufstellung der
nächsten mittelfristigen Finanzplanung ernsthaft über
legen würden, diesen besonderen Bau nicht vielleicht
doch noch hineinzunehmen.
Das wäre ein klares Wort in dieser Angelegenheit
gewesen. Und das gleiche gilt eigentlich auch für den
Schachtelunterricht. Der Schachtelunterricht beruht ja
in erster Linie darauf, daß man mit den Räumen oder
mit den Lehrkräften nicht auskommt. Sie hätten doch
hier die Versicherung abgeben können: Durch Verlage
rung der Grundschulklassen wird der Schachtelunter
richt zu einem bestimmten Zeitpunkt, sagen wir mal zu
Beginn des nächsten Schuljahres, aufhören.
(Zuruf von der SPD: Das hat der Senator gesagt!)
— Nein, das hat der Senator nicht gesagt, er hat nur
festgestellt, daß wir leider den Schachtelunterricht
haben. Er hat zwar davon gesprochen, daß zwei Grund
schulklassen aus dem Gebäude verlegt werden sollen.
Ich hätte gerne deutlich das Wort gehört; Der Schachtel
unterricht wird umgehend beseitigt. Das wäre ein sehr
schönes und klares Wort gewesen.
Meine Damen und Herren! Hier geht es doch um ein
Anliegen, das eigentlich ein gemeinsames Anliegen des
Hauses sein sollte: nämlich einer Minderheit, einer
relativ kleinen Minderheit von Berliner Kindern und
deren Eltern schulische Bedingungen zu schaffen, die
im Gesamtauftrag unseres Bildungswesens erträglich
sind. Und das wäre doch ein wenig positiver beantwort
bar gewesen, als es hier eben durch den Herrn Senator
erfolgte. — Ich danke!
(Beifall bei der CDU.)
Stellv. Präsident Dr. Reif: Das Wort in der Bespre
chung hat Herr Abgeordneter Schwarz.
Schwarz (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der Text dieser Großen Anfrage deutet eigent
lich darauf hin, daß alle diese Fragen in einer Kleinen
Anfrage der Fraktion hätten beantwortet werden
können.
(Frau Abg. Schneider; Wieso!)
Was mich stutzig gemacht hat, ist in der Tat die Über
schrift. Da sprechen Sie also von der Verletzung der
Fürsorgepflicht für behinderte Kinder durch die Schul
verwaltung. Und Sie haben auch in den letzten Sätzen
Ihrer Ausführungen, Frau Schneider, dann allgemein
von behinderten Kindern, geistig behinderten Kindern
usw., gesprochen, und das ist — glaube ich — einer der
Kernpunkte, der Ihre Anfrage ausgelöst hat. Ich glaube,
Sie waren schlecht beraten oder Sie haben sich schlecht
beraten lassen, als Sie diese Überschrift für die Große
Anfrage gewählt haben, denn Sie wissen ganz genau,