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Volume Nr. 17 (82), 8. Oktober 1970

Full text: Stenographischer Bericht (Public Domain) Issue1970/71, V. Wahlperiode, Band IV, 66.-95. Sitzung (Public Domain)

83. Sitzung vom 8. Oktober 1970 
553 
Lowka 
Mit diesen wenigen Anmerkungen aus der Beratung 
des Hauptausschusses, meine Herren und Damen, 
möchte ich Sie bitten, dieser Vorlage Ihre Zustimmung 
zu geben. — Ich danke Ihnen! 
(Beifall bei der SPD.) 
Präsident Sickert: Ich eröffne die H. Lesung und 
schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen 
miteinander zu verbinden. Widerspruch — erfolgt nicht; 
demzufolge verfahren wir so. Ich rufe auf im Wortlaut 
der Vorlage, Drucksache 1284, die §§ 1 und 2, die Über 
schrift und die Einleitung. Wird das Wort gewünscht ? — 
Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Einzelberatung 
und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schluß 
abstimmung. Wer dem Zweiten Nachtragshaushalts 
gesetz 1970 im Wortlaut der Vorlage, Drucksache 1284, 
seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um 
das Handzeichen. — Danke, das ist so beschlossen. 
Ich rufe auf 
lfd. Nr. 7, Drucksache 1292: 
I. Lesung der Vorlage über Gesetz zur Ausfüh 
rung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt und zur 
Regelung der öffentlichen Jugend- und Familien 
hilfe (AGJWG) 
Das Wort zur Begründung hat Herr Senator Korber! 
Korber, Senator für Familie, Jugend und Sport: Herr 
Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senat legt 
Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Aus 
führung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt und zur 
Regelung der öffentlichen Jugend- und Familienhilfe 
vor. Ich hoffe, daß wir noch in dieser Legislaturperiode 
eine der wichtigsten Jugend- und familienpolitischen 
gesetzlichen Grundlagen auf Landesebene neu legen 
können. Ich habe diese Hoffnung nicht zuletzt deshalb, 
weil der Gesetzentwurf eingehend im Landesjugend 
wohlfahrtsausschuß vorberaten worden ist. Das Jugend 
wohlfahrtsrecht ist — wie Sie wissen — zu einem 
großen Teil Bundesrecht. Das Jugendwohlfahrtsgesetz 
regelt die Jugendhilfe jedoch nur unvollständig; auf vie 
len Gebieten werden Einzelheiten dem Landesrecht über 
lassen. Die einzelnen Länder sind also nicht nur be 
rechtigt, sondern verpflichtet, Lücken des Bundesrechts 
auszufüllen und ergänzende Regelungen zu treffen. 
Das noch geltende Berliner Ausführungsgesetz stammt 
aus dem Jahre 1958 und ist durch das Jugendwohl 
fahrtsgesetz in der Fassung von 1961 in weiten Teilen 
überholt. Da Jedoch grundlegende Bestimmungen des 
Jugendwohlfahrtsgesetzes, insbesondere über das Ver 
hältnis von öffentlicher Jugendhilfe zu freier Jugend 
hilfe verfassungsrechtlich umstritten waren, empfahl 
es sich, die Ausarbeitung eines Berliner Ausführungs 
gesetzes bis zur Entscheidung des Bundesverfassungs 
gerichts zurückzustellen. Nach dem Urteil des Bundes 
verfassungsgerichts vom Juli 1967 wurde dann das 
Ihnen Jetzt im Entwurf vorliegende neue Ausführungs 
gesetz in Angriff genommen. 
Der vorliegende Entwurf paßt das Berliner Landes- 
rec ht an das Jugendwohlfahrtsgesetz an und dient 
darüber hinaus der Fortentwicklung einer wirksamen 
Jugendhilfe, indem die Folgerungen aus der Erfahrung 
uei Anwendung des bisherigen Ausführungsgesetzes 
gezogen worden sind. In einem wichtigen Punkt geht 
aer Gesetzentwurf bewußt über den bloßen Rahmen 
eines Ausführungsgesetzes hinaus. Er verankert erst- 
S? als . die enge Beziehung zwischen Jugendhilfe und 
t amilienförderung gesetzlich. 
Ich möchte hier bei dieser I. Lesung davon absehen, 
wichtige Bestimmungen des Ihnen vorliegenden Ent 
wurfs im einzelnen zu erläutern. Gestatten Sie mir je 
doch, daß ich wenigstens auf zwei Bereiche kurz ein- 
oche; Zunächst auf die Bestimmungen über die Zu 
sammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Jugend 
hilfe und über deren Förderung. Im § 25 des Entwurfs 
ist gesetzlich festgelegt, daß die Organe der öffentlichen 
Jugendhilfe und die Träger der freien Jugendhilfe 
partnerschaftlich Zusammenarbeiten, und § 26 legt fest, 
daß die öffentlich anerkannten Träger der freien Ju 
gendhilfe vom Land Berlin nach Maßgabe der zur Ver 
fügung stehenden Mittel und unter Berücksichtigung 
der Bedeutung ihrer Einrichtungen und Veranstaltun 
gen für die Jugendwohlfahrt gefördert werden. Der 
hierin zum Ausdruck kommende Grundsatz ist nicht 
nur Programm; er ist bereits seit Jahren geübte Praxis; 
er ist erklärte und praktizierte Politik des Senats. 
Die Zusammenarbeit zwischen den Organen der öffent 
lichen Jugendhilfe und den Trägem der freien Jugend 
hilfe erstreckt sich nicht nur auf die praktische All 
tagsarbeit, sondern auch auf die Planung. Beide Partner 
müssen bei der mittelfristigen und langfristigen Finanz- 
und Bauplanung allein schon deshalb eng Zusammen 
arbeiten, damit die Mittel so sinnvoll und nutzbringend 
wie möglich eingesetzt werden können. 
In meinem Hause wird deshalb gemeinsam mit allen 
freien Trägern der Jugendhilfe eine Investitionspla 
nung für die kommenden zehn Jahre aufgestellt, deren 
erste Phase, die Datensammlung, bereits abgeschlossen 
ist. 
Der zweite Komplex, den ich hier kurz erwähnen und 
hervorheben möchte, ist die Tatsache, daß der Gesetz 
entwurf die Jugendwohlfahrtsbehörden zum Mittel 
punkt auch der Bestrebungen zur Förderung der Fa 
milien macht. 
Im Zusammenwirken mit anderen Stellen sollen sie 
Hilfestellung bei der Vorbereitung auf Ehe und Familie 
geben und die Voraussetzungen für eine gesunde Ent 
wicklung der Familien mit minderjährigen Kindern 
schaffen. 
Der Senat hat seinerseits bereits vor drei Jahren 
durch die Schaffung des Ressorts für Familie, Jugend 
und Sport die entsprechende Konsequenz aus den Er 
kenntnissen der modernen Sozialwissenschaften gezo 
gen und die Jugend- und Familienhilfe zusammenge 
legt. Das hat sich als richtig und zukunftweisend er 
wiesen. 
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, ab 
schließend . folgendes bemerken: Wer die Entwicklung 
auf dem Gebiete der Jugend- und Familienhilfe in den 
vergangenen Jahren beobachtete, wird feststellen, daß 
sie durch einen rasch wachsenden Erkenntnisstand ge 
kennzeichnet ist. 
Jahrelang als gesichert angesehene Methoden und 
auch Wertvorstellungen können nicht länger in vollem 
Umfange aufrechterhalten werden. Die Bundesregierung 
bereitet deshalb ein grundlegend neues Jugendhilfe 
recht vor. Es soll noch in dieser Legislaturperiode fer 
tiggestellt und der Öffentlichkeit unterbreitet werden. 
Danach soll es in der nächsten Legislaturperiode im 
Bundestag eingebracht und verabschiedet werden. 
Es gehört deshalb keine Prophetie dazu, um voraus 
zusagen zu körmen, daß auch das neue Berliner Aus 
führungsgesetz zum Jugendwohlfahrtsgesetz kaum eine 
längere Lebensdauer haben wird als das geltende aus 
dem Jahre 1958. 
Bis zur Verabschiedung eines neuen Jugendhilferechts 
im Bundestag wird und soll Jedoch das Ihnen heute 
vorgelegte Gesetz die Aufgabe erfüllen, eine brauchbare 
landesrechtliche Grundlage für eine wirksame Hilfe für 
unsere Jugend unf für die Familien mit minderjährigen 
Kindern zu sein. 
Ich hoffe, daß es uns dabei gelungen ist, den gegen 
wärtigen Erkenntnisstand soweit als irgend möglich 
zu berücksichtigen. Gerade die Jugend- und Familien 
hilfe bleibt eine ständige Aufgabe im Rahmen der 
inneren Reformen, denen wir unsere Gesellschaft stän 
dig unterziehen müssen. 
(Beifall bei der SPD.)
	        
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