Path:
Volume Nr. 1 (66), 15. Januar 1970

Full text: Stenographischer Bericht (Public Domain) Issue1970/71, V. Wahlperiode, Band IV, 66.-95. Sitzung (Public Domain)

66. Sitzung vom 15. Januar 1970 
17 
Dr. Hennicke 
Baugrund zu verlangen, es sei außerdem ein Wasser 
anschluß zu verlangen, einmal aus dem Grunde der 
Bewältigung der Transportprobleme, der Öltransport 
— der Herantransport der sogenannten Primärenergie 
ist am wirtschaftlichsten über das Wasser möglich —, 
außerdem ist der Wasseranschluß nach diesem Vortrag 
nötig wegen der Kühlwasserbedürfnisse eines Kraft 
werkes, nicht nur zur Entnahme des Kühlwassers, son 
dern auch zur Abgabe des Kühlwassers. Außerdem sei 
die Kombination von Strom- und Wärmeerzeugung zur 
Wirtschaftlichkeit des Standortes zu berücksichtigen. 
Bei diesem Standort am Bamackufer sei die Möglich 
keit dieser Kombinationen gegeben, da man an die Freie 
Universität und die Umgebung Heizwärme liefern 
könne. Jeder andere denkbare Standort 
— aus den fünf, die ich vorhin erwähnte — 
erfülle diese Voraussetzungen nicht. Der Lichterfelder 
Stichkanal, das Gelände in der Nähe der Telefunken- 
fabrik, der jetzigen amerikanischen Kaserne an der 
Goerzallee, habe einen schlechten Baugrund, der eine 
ungewöhnlich kostspielige und nicht sichere Fundamen 
tierung für den Kraftwerksbau nötig mache. Es sei das 
Gelände eines abgelaufenen Sees. Dieser Standort am 
Stichkanal würde im übrigen außer den Baugrund 
problemen den anderen Anforderungen genügen, aber 
der Baugrund lasse die Errichtung nicht zu. 
Das Gelände am Griebnitzsee oder der Jagen 72, 
— oder wie es auch immer genannt worden ist, also 
jedenfalls jenseits des Kleinen Wannsees, südlich der 
Königsallee zwischen Golfplatz und Griebnitzsee — 
war bereits einmal Gegenstand einer vorsorglichen Pla 
nung für die Errichtung eines Atomkraftwerkes in Ber 
lin, die aus einer Reihe von Gründen nicht weiterver 
folgt wurde und zurZeit nicht auf genommen wird. Dieser 
Standort bringe Transportprobleme für die Primär 
energie, bringe Probleme für den Abtransport des Kühl 
wassers, bringe Probleme für den Transport der Heiz 
wärme zu den Verbrauchern. Der Standort sei im übri 
gen seinerzeit gewählt worden für das Atomkraftwerk, 
weil man aus den damals noch ungenügenden Erfahrun 
gen mit Atomkraftwerken möglichst weit außerhalb 
einer Stadt bleiben mußte und deshalb in dieser Gegend 
damals plante. Der Standort Dischingerbrücke, also in 
der Spandauer Gegend, 
— ich glaube, es ist sogar im Gebiet der Republik Span 
dau ■— 
(Abg. Ehrke: Das ist das dritte Kraftwerk in Spandau, 
bloß weil Lichterfelde nicht eins haben will!) 
— Ich muß eine schlechte Mitteilung für Sie jetzt brin 
gen— 
dieser Standort bleibt als Planung erhalten; er wird 
für sehr geeignet gehalten, er ist nur in der Vorberei 
tung nicht so weit gediehen, daß man mit einem Bau 
bei diesem Standort den Strombedarf im Jahreswechsel 
1972/73 befriedigen kann. Der Zeitraum der Planung 
müsse mit fünf Jahren angenommen werden. 
Die Verstärkung — die vierte Gruppe der möglichen 
Standorte — von einem oder mehreren der sechs in Ber 
lin vorhandenen Kraftwerke wurde abgelehnt mit dem 
Hinweis auf die Kapazität des Stromverbundnetzes, 
dieses HO 000 Volt Verbundnetzes, das nicht leistungs 
fähig genug ist zum Transport von elektrischer Ener 
gie. Eine Verstärkung von Kraftwerken , 
— sagen wir in der Mitte oder im Norden der Stadt — 
würde deshalb ungeeignet sein. Eine Änderung dieses 
Netzes, also eine Umstellung auf 380 000 Volt ist ge 
genwärtig zwar angestrebt, aber ist zur Zeit nicht 
Gegenstand oder Grundlage einer konkreten Baupla 
nung, weil man für Erdkabel solche Leistungen noch 
nicht verwenden könne. Freileitungen, die in anderen 
Großstädten außerhalb der Stadt geführt werden, wür 
den hier in Berlin nicht möglich sein, weil sie bestimmte 
Sicherheitsvorschriften, etwa von Schneisen und sonsti 
gen Abstandsvorschriften bedingen, die innerhalb einer 
Stadt nicht erreichbar und nicht durchführbar sind. Es 
bliebe also der fünfte Standort, das Bamackufer, als 
der geeignetste unter diesen fünf Standorten oder 
Standortgruppen. 
Die Vertreter des Bezirksamtes und der Bezirksver 
ordnetenversammlung trugen dem Ausschuß insbeson 
dere die Motive ihrer Fragestellung vor, sie wollten sich 
nicht vor einer Verantwortung der Entscheidung auf 
Bezirksebene drücken, sondern sie wollten das Abge 
ordnetenhaus als Landesinstitution anrufen, um von 
ihm eine Klärung von Fragen auch außerhalb des Be 
zirks zu erhalten. Anläßlich dieser Erörterungen wurde 
im Ausschuß deutlich, daß im Bezirk eine Reihe von 
Beanstandungen über den Informationsfluß in den Gre 
mien des Bezirks vorhanden Ist, die sich sicherlich sehr 
störend auf den Beratungsgang dieses Fragenkomplexes 
im Bezirk ausgewirkt haben. 
Die Bürgerinitative trug insbesondere vor, daß dieser 
Teil der Stadt, also insbesondere die Umgebung des 
Barnackufers, einen Schaden erleiden würde, wenn man 
in dieses Wohngebiet einen so großen Industriebau, wie 
es ein Kraftwerk darstellt, hineinverlegt. Man sehe zwar 
ein, daß das unmittelbare Gelände um den Hafen herum 
als für gewerbliche Nutzung ausgewiesen in den Pla 
nungen der Stadt verzeichnet ist. Ein solches Gebäude 
würde aber eine starke Beeinträchtigung, ja eine Ver 
änderung dieser Gegend herbeiführen. Sie trugen weiter 
vor, es sei nicht überzeugend dargetan, daß an anderer 
Stelle nicht das gleiche Bedürfnis befriedigt werden 
könne, und wandten sich entschieden gegen die Beein 
trächtigungen, die sowohl der Bau wie auch der spätere 
Betrieb des Kraftwerkes für die Umgegend bringen 
würde. 
Der Ausschuß hat dann in einem Unterausschuß, der 
eingesetzt war zur Prüfung der Frage, ob weitere Sach 
verständige zur Klärung von Fachfragen zu hören 
wären, einen Katalog erarbeitet über weitere Fragen 
komplexe, die eventuell durch weitere Anhörungen zu 
klären wären. Hierzu waren die von mir vorhin vorge 
tragenen Argumente der Bewag und des Senates gegen 
die anderen Standorte Gegenstand der Wünsche nach 
einem weiteren, unabhängigen Sachverständigen. Es 
handelt sich dabei insbesondere um Probleme des Trans 
portes von Primärenergie, den Abtransport von Energie, 
also Fragen der Leistungsfähigkeit von jetzt vorhande 
nen Kabeln, und Fragen des Kühlwassertransportes so 
wie Fragen der wirtschaftlichen Transportmöglichkeit 
von Heizwärme. 
Nach der Aufstellung dieses Fragenkomplexes in dem 
Unterausschuß brachte die Mehrheitsfraktion zunächst 
im Unterausschuß und dann im Plenum des Ausschusses 
einen Antrag ein, der auf einen Abschluß der Beratun 
gen zielte. Im Plenum des Ausschusses wurde dann zu 
nächst ein Antrag der Minderheitsfraktion, der CDU- 
Fraktion, gestellt, der folgenden Wortlaut hatte: 
Der Ausschuß möge einen unabhängigen Sachver 
ständigen mit der Klärung der Fragen beauftragen. 
Der Sachverständige soll über das Ergebnis seiner 
Prüfung im Ausschuß mündlich berichten. 
Der Senator für Bau- und Wohnungswesen sollte ge 
beten werden, hierfür Sachverständige zu benennen. 
Demgegenüber stand der Antrag der Mehrheitsfraktion, 
der SPD-Fraktion, der folgenden Wortlaut hat — mit 
Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich es ver 
lesen —; 
Der Ausschuß hat sich dem Wunsch der Bezirks 
verordnetenversammlung Steglitz entsprechend in 
drei öffentlichen Informationssitzungen mit der 
Frage des Standortes für das geplante Bewag- 
Kraftwerk beschäftigt. Der Ausschuß hat zu seiner 
Meinungsbildung als Sachverständige Vertreter der 
Bewag, der Senatsverwaltung für Bau- und Woh 
nungswesen, der Bezirksverordnetenversammlung 
Steglitz und der Bürgerinitiative der vom Projekt 
Barnackufer betroffenen Anlieger befragt. Der 
Ausschuß stellt nach Abschluß der öffentlichen An 
hörungen fest: Die Fertigstellung eines neuen Be-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.