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Full text: Zur Städtereinigungs-Frage / Schultz, August Wilhelm Ferdinand (Public Domain)

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hervorgetretene Unbequemlichkeiten und Schädlichkeiten abzustellen. 
Aerzte sind oft in der Lage, eine rein symptomatische Be 
handlung einzuleiten, weil sich der wahre Grund des Leidens 
der Erkenntniss entzieht. Solche Aerzte wird Niemand tadeln. 
Die Aerzte wird man aber tadeln und mit Recht tadeln, welche 
auch da, wo der wahre Grund des Leidens erkennbar und ent 
fernbar ist, sich mit der Behandlung resp. Beseitigung einzelner 
Symptome begnügen, also gewohnheitsmässig „symptomatische Be 
handlung“ treiben. In dieser Weise verfahren aber Verwaltungs 
instanzen sehr oft. In dieser Weise hatte man die Städtereinigungs- 
fragc behandelt und behandelt sie auch meist jetzt noch so. Ueble 
Gerüche, widerwärtige Anblicke, unbequeme Bequemlichkeiten, das 
waren die äusseren Symptome des tieferen Leidens. In echt sym 
ptomatischer Behandlungsweise ist man vorgegangen. Ohne Rücksicht 
auf ihre Quelle hat man die Symptome angegriffen und sie, aber auch 
nur sie, beseitigt: die Unbequemlichkeit der Bequemlichkeiten durch 
Verlegung von den Höfen in die Wohnungen; die widerwärtigen 
Anblicke und die üblen Gerüche der Abtrittsgruben und der olfenen 
Rinnsteine durch Verlegung derselben unter die Erde in den 
Strassen. So war den besonders hervorgetretenen Beschwerden 
Abhülfe geschafft, die Quellen derselben aber nicht verschlossen. 
Es mochten immerhin die in die Wohnungen verlegten Bequemlich 
keiten ihre Exhalationeu in die Wohnungen verbreiten und das 
unter die Erde Gebrachte seine Schädlichkeiten der Erde mittheilen; 
ob hierdurch später andere Unbequemlichkeiten und selbst Gefahren 
erwachsen konnten, erwachsen mussten, „lag ja nicht vor“, wie 
der Geschäftsstil sich ausdrückt, und durfte unberücksichtigt blei 
ben. Unbequemlichkeiten, Schädlichkeiten sind schon fühlbar ge 
worden, aber man fährt fort zu flicken statt zu bessern; man 
flickt ohne Rcspeet ror »len Gesetzen der ftatur, weil man so hofft 
ein widernatürlich Begonnenes, mit dem man nun einmal seine 
Reputation eng verbunden hat, ä la Mille und Durand Clay 
triumphiren zu sehen; weil man hofft den Eigenwillen siegen 
zu lassen, mit Verhöhnung des alten preussischcn Losungs 
wortes: „suum cuique“, was für den hier gegebenen Fall heisst: 
„dem Festen das Feste, dem Flüssigen das Flüssige“. Oder ist 
etwa eine ärgere Verachtung der einfachsten, selbst einem halb- 
weges unterrichteten Schüler bekannten Naturgesetze zu denken
	        
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