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sein, dass dasselbe ganz erhebliche Schlamm- und Schlickmassen
an den Pflanzen, bei denen es vorbei-, und auf dem Boden, über
welchen es hinwegrieselt, zurücklässt, und beabsichtigter Maassen
zurücklassen soll.
Das Gutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medioinalwesen
bespricht das Wiebe’sche Kanalisationsproject in seiner Beziehung zur Oert-
lichkeit der Ausmündung und zu den Flüssen, Havel und Spree, und sagt in
dieser Hinsicht: „Beide Flüsse haben ein geringes Gefälle und treten leicht
bei Zunahme ihres Wassers über die Ufer, wo sie ihren Schlamm absetzen.
Wie stinkend der Spreeschlamm schon gegenwärtig ist, dafür
liefern die Wiesen von Moabit jedes Jahr sehr fühlbare Beweise.
Wie ganz anders müsste dies auf den Wiesen vor Spandau wer
den, wenn hier an einem einzigen Punkt der gesammte Schlamm
der Metropole, er mag noch so verdünnt sein, ausgeschüttet würdel“
(1. c. p. 38). Objectiver Anschauung kann die einfache und streng logische
Consequenz dieses von der höchsten medicinischen Instanz des preussischen
Staates ausgegangenen Ausspruches nicht entgehen; denn dieser Ausspruch
verwirft ohne alle Umstände jegliche, nicht bloss die Oberflächenrieselung.
Oder ist der Schlamm aus der Kanaljauche auf den von dieser durchtränkten
Rieselfeldern weniger bedenklich, weniger stinkend, als der Schlamm der Spree
auf den nach ihrem Rücktritte dem Austrocknungsprocesse überlassenen Span
dauer Wiesen? Fast scheint es so, die wissenschaftliche Deputation verhält
sich wenigstens gegen diese Frage sehr reservirt; denn sie sagt bezüglich der
Ueberrieselung: „Wie sich das so modiflcirte Project vom Standpunkte der
Sanitätspolizei stellen würde, können wir zurZeit nicht beurtheilen.
Dies würde erst dann möglich sein, wenn ein bestimmt ausgearbeiteter
Plan mit Bezeichnung der zur Ueberrieselung zu wählenden Oertlich-
keit uns vorläge“ (1. c. p. 38). In ähnlicher reservirter Weise spricht sich
die wissenschaftliche Deputation für das Medioinalwesen in ihrem Gutachten
bezüglich der Stadt Posen vom 9. April 1879 aus. Sie empfiehlt zwar Riesel
felder (Deutsche Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege Bd. 12
p. 152), auf denen nicht allein bei dem Rinnenbau, Bed-System, und Beet
system, ridge and furrows, welche naturgemäss zeitweise stagnirendes Kanal
wasser bedingen, sondern selbst bei der Oberflächenrieselung, dem Hangbau,
catchwork, wegen des nicht immer zu verhindernden ungleichen „Setzens“ des
Bodens, Lachen entstehen können (1. c. Bd. 4 p. 530ff.); allein sie weiset auch
auf das Bedenkliche solcher Lachen hin, indem sie sagt: die häufigen Ueber-
schwemmungen von Flüssen wirken um so bedenklicher, „wenn beim Zurück
treten der Ueberfluthung stagnirende Wasserlachen Zurückbleiben, die um so
nachtheiligere Miasmen entwickeln und um so erheblicher die allgemeinen Ge
sundheitsverhältnisse der betreffenden Gegend benachtheüigen werden, je mehr
das verdunstende Wasser thierische, zu Fäulniss geneigte Stoffe enthält“ (1. c.
Bd. 12 p. 151). Dass es Sache der Stadt Posen war, hier zwischen den Zeilen
zu lesen, da, im gewöhnlichen Gange der Dinge, Kanaljauche mehr von jenen