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Volume Nr. 10. Mai

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

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der Passagiere die Seekrankheit, das Schiff 
kam nicht aus der Steve, weil der Sturm 
aus Westen kam. Ich hatte keine Seekrankheit 
und dachte immer au die nächste Zukunft; nur 
zuweilen beschlich mich eine wehmüthige Stim- 
mutig über die schlechte Kost am Bord. Am 
12. waren wir dicht vor dem Canal, konnten 
aber des widrigen Ostwindes wegen nicht ein-, 
laufen. Ein Bote kam uns entgegen, und for 
derte vom Capital» 72 Guineen, wofür er uns 
hineinbringen wollte. Der Capitain schlug das 
Anerbieten aus, was auch recht gut war, denn 
der Wind wurde bald günstiger, so daß wir 
vier Stunde» darauf einlaufen konnten. Am 
13. hatten wir schlechtes Wetter, am 14. war 
es heiter, aber sehr windstille Es war Sonn 
tag, wir sahen die Insel Wight, ich zankte mich 
mit einem Passagier einer Kartoffel wegen. Am 
15. Mittags, llf Uhr, liefen wir durch Un 
vorsichtigkeit mit einem englischen Schooncr zu 
sammen; der Stoß war so heftig, daß Einer 
über den Andern fiel. Ich befand mich gerade 
auf dem Verdeck, und sah, wie der Engländer 
mit vollem Seegel auf uns zukam. Schon 
dachte ich: nun wirst Du wohl schwimmen 
lernen, eilte aber noch schnell nach der Kajüte 
zum Kapital«, um ihn von der uns drohenden 
Gefahr zu benachrichtigen. In dem Augen 
blicke, als dieser herausstürzte, geschah der Zu 
sammenstoß der Schiffe. Unser Schiff hatte 
eine bedeutende Beschädigung an der Vorder 
seite erlitten, das englische Schiff jedoch hing 
förmlich in seinem Gerippe, sein Bugspriet war 
fort, die Segel hingen in Fetzen in's Meer, 
und wir wissen nicht, ob es glücklich einen 
Hafen erreicht hat, oder zu Grunde gegangen 
ist. Unser Schiff wurde auf offener See aus 
gebessert, die Passagiere hatten sich bald von 
dem Schrecken erholt, und ein Jeder trieb wie 
der seine alte Beschäftigung, d. h. er schlief, 
langweilte sich, schimpfte, machte Spaß, rauchte 
Taback, oder warf sein Uebelbefinden über Bord. 
Am 16., 17. und 18. November hatten wir 
wieder viel Sturm. Als ich am letzteren Tage 
in dem Zwischendeck war, und auf einer Kiste 
mein Mittagbrod verzehrte, warf mich eine 
Welle rückwärts zu Boden, mein ganzer Schlaf 
rock war mit Bohnensuppe und Kartoffeln über 
schüttet. Am Sonntag, den 22., kochte ich 
für 91 Passagiere Mehlsuppe, wir hatten schlech 
tes Wetter, und sahen den ersten Schweine 
fisch, der 6' lang und überaus dick war; gegen 
Abend heiterte sich das Wetter auf, bas Meer 
leuchtete mit tausend Sternen, daS Termome- 
ter zeigte 13" Wärme. Am 23. waren wir 
auf dem 42" 30 Min. Breitegrad und 13" 
30' westl. Länge. Das Schiff läuft wie eine 
Eisenbahn, in vier Stunden zehn deutscheMeilen. 
Am 25. gerieth ich mit meinein Reisegefährten 
in Streit, der Wind weht uns entgegen, auch 
zeigt sich Ungeziefer am Bord. Am 26. schlech 
ter Wind, schlechtes Brok, schlechter Kaffee, 
schlechte Kost und schlechte Butter wie immer. 
Am 27. waren wir auf der Höhe von Lissabon, 
das Schiff ging bald hundert Fuß über dem 
Meere, bald hundert Fuß in der Mecrestiefe, 
dabei wie ein wildes unbändiges Pferd mit 
dem Kopf voran, alle Augenblicke fiel ein Pas 
sagier auf die Seite oder auf die Decke. Am 
29. schlachtete ich mit noch zwei Anderen zwei 
krepirte Schweine, und am 30. stopften wir 
Wurst. Als ich am Abend mir ein Lager auf 
dem Verdeck zurecht machen wollte, um dort 
zu schlafen, denn unter dem Zwischendeck konnte 
ich cs vor Gestank und Hitze gar nicht aus 
halten, trieb mich ein starker Regen wieder 
hinunter. Wir waren auf dem 31. Grad, 
und hatten Id Grad Wärme. Am 1. Dezem 
ber kamen wir in den Ostpassat, und segelten 
westwärts. Hier bekam ich in den Deinen 
eine ungeheure Schwere, ich fühlte am ganzen 
Körper große Mattigkeit, und litt beständig an 
Kopfweh. Auf Befragen sagte mir der Loots- 
mann, ein erfahrner Seefahrer, daß das von 
der geringen Bewegung herrühre; zugleich rieth 
er mir, fleißig Fußbäder zu nehmen, und viel 
umherzulaufen. Dies that ich, und mein Uebel 
war fort. Am 2. Dezember wusch ich meine 
Leibwäsche, aber ohne Seife, denn bas See 
wasser nimmt keine Seife an. Statt rein zu 
werden, erhielt die Wäsche ein graues, schmu 
tziges Ansehen, was daher kommt, daß das 
Seewasser den Schmutz von einem Ort zum 
andern schmiert, aber nicht von den, Zeug fort 
nimmt. Heute hatten wir schon 18° R. Wärme. 
Am 4. Dez. wünschte ich Minna viel Glück 
zu ihrem Geburtstage, und aß Schiffszwicback 
mit Schmalz. Dieses Schmalz hatte ich mir 
aus Bremen mitgenommen, um damit meine 
Stiefeln zu schmiere», aber nun verzehrte ich 
es als eine Art Delicatesse. Am 5. gab's wie 
der Mehlsuppe mit einer Kartoffel als Sonn 
tagsspeise; wir sahen viele fliegende Fische, am 
7. einen Nordkaper. Als die Sonne unterge 
gangen war, badete ich mich heute zum ersten 
Mal. Zum Baben wird eine Tonne mit See-
	        
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