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der Passagiere die Seekrankheit, das Schiff
kam nicht aus der Steve, weil der Sturm
aus Westen kam. Ich hatte keine Seekrankheit
und dachte immer au die nächste Zukunft; nur
zuweilen beschlich mich eine wehmüthige Stim-
mutig über die schlechte Kost am Bord. Am
12. waren wir dicht vor dem Canal, konnten
aber des widrigen Ostwindes wegen nicht ein-,
laufen. Ein Bote kam uns entgegen, und for
derte vom Capital» 72 Guineen, wofür er uns
hineinbringen wollte. Der Capitain schlug das
Anerbieten aus, was auch recht gut war, denn
der Wind wurde bald günstiger, so daß wir
vier Stunde» darauf einlaufen konnten. Am
13. hatten wir schlechtes Wetter, am 14. war
es heiter, aber sehr windstille Es war Sonn
tag, wir sahen die Insel Wight, ich zankte mich
mit einem Passagier einer Kartoffel wegen. Am
15. Mittags, llf Uhr, liefen wir durch Un
vorsichtigkeit mit einem englischen Schooncr zu
sammen; der Stoß war so heftig, daß Einer
über den Andern fiel. Ich befand mich gerade
auf dem Verdeck, und sah, wie der Engländer
mit vollem Seegel auf uns zukam. Schon
dachte ich: nun wirst Du wohl schwimmen
lernen, eilte aber noch schnell nach der Kajüte
zum Kapital«, um ihn von der uns drohenden
Gefahr zu benachrichtigen. In dem Augen
blicke, als dieser herausstürzte, geschah der Zu
sammenstoß der Schiffe. Unser Schiff hatte
eine bedeutende Beschädigung an der Vorder
seite erlitten, das englische Schiff jedoch hing
förmlich in seinem Gerippe, sein Bugspriet war
fort, die Segel hingen in Fetzen in's Meer,
und wir wissen nicht, ob es glücklich einen
Hafen erreicht hat, oder zu Grunde gegangen
ist. Unser Schiff wurde auf offener See aus
gebessert, die Passagiere hatten sich bald von
dem Schrecken erholt, und ein Jeder trieb wie
der seine alte Beschäftigung, d. h. er schlief,
langweilte sich, schimpfte, machte Spaß, rauchte
Taback, oder warf sein Uebelbefinden über Bord.
Am 16., 17. und 18. November hatten wir
wieder viel Sturm. Als ich am letzteren Tage
in dem Zwischendeck war, und auf einer Kiste
mein Mittagbrod verzehrte, warf mich eine
Welle rückwärts zu Boden, mein ganzer Schlaf
rock war mit Bohnensuppe und Kartoffeln über
schüttet. Am Sonntag, den 22., kochte ich
für 91 Passagiere Mehlsuppe, wir hatten schlech
tes Wetter, und sahen den ersten Schweine
fisch, der 6' lang und überaus dick war; gegen
Abend heiterte sich das Wetter auf, bas Meer
leuchtete mit tausend Sternen, daS Termome-
ter zeigte 13" Wärme. Am 23. waren wir
auf dem 42" 30 Min. Breitegrad und 13"
30' westl. Länge. Das Schiff läuft wie eine
Eisenbahn, in vier Stunden zehn deutscheMeilen.
Am 25. gerieth ich mit meinein Reisegefährten
in Streit, der Wind weht uns entgegen, auch
zeigt sich Ungeziefer am Bord. Am 26. schlech
ter Wind, schlechtes Brok, schlechter Kaffee,
schlechte Kost und schlechte Butter wie immer.
Am 27. waren wir auf der Höhe von Lissabon,
das Schiff ging bald hundert Fuß über dem
Meere, bald hundert Fuß in der Mecrestiefe,
dabei wie ein wildes unbändiges Pferd mit
dem Kopf voran, alle Augenblicke fiel ein Pas
sagier auf die Seite oder auf die Decke. Am
29. schlachtete ich mit noch zwei Anderen zwei
krepirte Schweine, und am 30. stopften wir
Wurst. Als ich am Abend mir ein Lager auf
dem Verdeck zurecht machen wollte, um dort
zu schlafen, denn unter dem Zwischendeck konnte
ich cs vor Gestank und Hitze gar nicht aus
halten, trieb mich ein starker Regen wieder
hinunter. Wir waren auf dem 31. Grad,
und hatten Id Grad Wärme. Am 1. Dezem
ber kamen wir in den Ostpassat, und segelten
westwärts. Hier bekam ich in den Deinen
eine ungeheure Schwere, ich fühlte am ganzen
Körper große Mattigkeit, und litt beständig an
Kopfweh. Auf Befragen sagte mir der Loots-
mann, ein erfahrner Seefahrer, daß das von
der geringen Bewegung herrühre; zugleich rieth
er mir, fleißig Fußbäder zu nehmen, und viel
umherzulaufen. Dies that ich, und mein Uebel
war fort. Am 2. Dezember wusch ich meine
Leibwäsche, aber ohne Seife, denn bas See
wasser nimmt keine Seife an. Statt rein zu
werden, erhielt die Wäsche ein graues, schmu
tziges Ansehen, was daher kommt, daß das
Seewasser den Schmutz von einem Ort zum
andern schmiert, aber nicht von den, Zeug fort
nimmt. Heute hatten wir schon 18° R. Wärme.
Am 4. Dez. wünschte ich Minna viel Glück
zu ihrem Geburtstage, und aß Schiffszwicback
mit Schmalz. Dieses Schmalz hatte ich mir
aus Bremen mitgenommen, um damit meine
Stiefeln zu schmiere», aber nun verzehrte ich
es als eine Art Delicatesse. Am 5. gab's wie
der Mehlsuppe mit einer Kartoffel als Sonn
tagsspeise; wir sahen viele fliegende Fische, am
7. einen Nordkaper. Als die Sonne unterge
gangen war, badete ich mich heute zum ersten
Mal. Zum Baben wird eine Tonne mit See-