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und die verwitlwete Papst folgte seinem Bei
spiele, was der ehrgeizige Patrizier mit Wohl
wollen entgegennahm.
— Nehmen Sie meinen wärmsten, innig
sten Dank, meine Freunde, sprach er mit einem
herzlichen Händedruck. O, ich wußte es wohl,
daß mein Verdienst endlich erkannt und be
lohnt werden wird.
Noch hielt er das ehrende Schreiben in
seiner zitternden Rechten, brannte vor Verlan
gen, es zu erbrechen, und that sich dennoch
Gewalt an, die Ankunft seiner Tochter zu er
warten. Sie mußte sich neben ihn setzen, er
bat sie, aufmerksam zuzuhören und las:
„In Erwägung, daß Ihr allzugroßer
Diensteifer, nur die Folge Ihres allzu-
großen Ehrgeizes ist, erhalten Sie hier
mit einen neuen Orden des Verdienstes,
der Ihrer würdig, Ihnen zur Zierde ge
reichen werde."
Diese Zeilen hatten ihn sattsam erquickt;
er legte sie stolz bei Seite, nahm das schmucke
Kästchen zu Händen und öffnete es langsam.
Kaum hatte er einen Blick hineingeworfen, so
entsank schon das Ehrenschränkchen nebst In
halt seinen Händen, und er selbst fiel in Ohn
macht. Julie sprang ihrem Vater zu Hülfe
und Karl nahm das Kästchen in die Höhe.
Er besah die neue Decoration näher und rief:
„Gott stehe mir bei! Ich glaube gar, es sind
ein Paar Eselsohren! So was ist noch nicht
dagewesen!"
Julie knieete an der rechten Seite ihres
Vaters, suchte ihn zu ermuntern, und als er
die Augen aufschlug, bedeckte sie sein Angesicht
mit Thränen und Küssen; Fürst knieete auf
der anderen Seite, bezeigte seine Hülfe und
Theilnahme unverstellt, und sprach:
— Trösten Sie sich, lieber Vater, legen
Sie Ihre Hoffnungen auf Ihre Kinder, die
es allein aufrichtig mit Ihnen meinen, und
Ihre Erwartungen sollen nie mehr getäuscht
werden.
— So ist mir diese Schmach wirklich
widerfahren, und ich habe nicht geträumt?
— I, a! I, a, entgegnete Karl hohn
lächelnd.
— Von welcher Behörde ist mir diese
Schmach geworden? fragte Großmann klein
laut.
— Das Schreiben ist von drei Potenta
ten unterzeichnet, sie heißen Kaiser, König,
Prinz, und nennen sich Mitglieder des adeligen
Kasinos.
Der Referenbarius erhob sich von seinem
Sessel, schritt mehrere Mal heftig durch bas
Zimmer und schien einen großen Kampf mit
sich durchkämpfen zu wollen. Endlich blieb er
stehen; ein Zeiche», daß er nun einen Ent
schluß gefaßt. Julie schmiegte sich zärtlich an
ihn, erfaßte seine Hand und drückte einen hef
tigen Kuß darauf. Diese kindliche Liebe und
Zeichen der Achtung thaten dem Verspotteten
und Niedergetretenen so wohl, daß er sich vor
nahm, Fürsts vernünftigen Vorstellungen Ge
hör zu geben, sich von jedem öffentlichen Amte
zurückzuziehen und nur in Zukunft seinen Kin
dern zu leben. Er nahm daher die Hand sei
ner Tochter, legte sie in die ihres Geliebten,
und sprach:
— Seid glücklich, meine Kinder, glücklicher
als Euer Vater es gewesen.
Die Liebenden fielen sich einander in die
Arme, vergaßen jedoch ihre Dankbarkeit gegen
ihren Vater nicht, suchten ihn zu trösten und
aufzurichten.
— Jetzt sehe ich deutlich, nahm Karl mit
einem boshaften Lächeln, wieder das Wort,
daß die Morgenträuine wirklich alle in Erfül-.
lung gehen. Sie haben geträumt, baß Sie
bald in das große Getreide der' Staatsge-
schäfte mit eingreifen werden; das ist denn
auch geschehen. Sie haben geträumt, daß Sie
bald die Aufmerksamkeit der hohen und höch
sten Behörden dergestalt auf sich ziehen wer
den, daß Sie mit einer neuen Decoration, die
eigens für Sie gestiftet wird, geschmückt wer
den; es ist geschehen. Der Orden des I A
ist noch nicht dagewesen. Sie haben geträumt,
daß Sie sich wieder mit einer hohen Staats
dame vermählen werden; auch bas ist einge
troffen. Madame Margarethe Papst ist im
Besitz eines bedeutenden Putz- und Staatsge-
schästes.
(Schluß folgt.)
— Blos heute Morgen, Herr Referen-
darius, jetzt nicht, entgegnete Karl boshaft,
entfaltete den Orden und zeigte ihn denselben
in seiner rechten Lage.
— Ein Paar Eselsohren! rief Eroßmann
und schlug seine Hände krampfhaft über sein
Hcmpt. Mir baS? Lin Paar Eselsohren?