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Volume Nr. 8. April

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

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So ging es namentlich der jüngsten Schwer 
ster, Emilie. In ihrem Herzen tobte bereits die 
Leidenschaft, oder vielmehr die Todsünde des 
Neides, die Eifersucht. Sie urtheilte plötzlich 
ganz anders von ihrer sonst braven und sanft 
ten Schwester; sie sah in ihr das einzige Hin 
derniß in der Erreichung ihrer heißesten Wünsche, 
denn sie traute auch dem jungen Offizier so 
viel Edelmuth und Charakter zu, daß er bei 
einer Wahl zwischen ihr und ihrer Schwester 
Susanne den Vorzug geben würde. Diese 
Selbstbekenntnisse machten sie höchst unglücklich 
und brachten sie endlich zu einem verzweifelten 
Entschlüsse, wie ihn leidenschaftliche und schwache 
Personen zuletzt zu fassen pflegen. Die Unglück 
liche fing an, ihre brave Schwester zu hassen und 
zu fürchten, und sie beschloß, durch alle mög 
lichen Mittel die Befriedigung ihrer Leidenschaften 
zu erstreben. 
Herr Berg endlich, der grade, einfache 
Rentier und Politiker, der zärtliche Vater und 
sorgsame Erzieher seiner Kinder, ahnete keines 
wegs die tobenden Elemente, welche die Herzen 
seiner Töchter entflammten. Weil der Name des 
jungen Offiziers bisher nicht über die Lippen 
seiner Kinder gekommen war, hielt er die Ju 
gend für eben so ruhig und überlegt, wie das 
Alter. Eine andere Ansicht, als die eines klu 
gen und gerechten Hausvaters und eines be 
dächtigen Kaufmannes ging über seinen Hori 
zont; cs stand vielmehr bei ihm fest, seine äl 
teste Tochter zuerst zu verheirathcn, und nur 
die Befürchtung gewann Raum bei ihm, daß 
ein so würdiger Eidam wie der Eugen Werner 
oder vielmehr der glanzende Offizier, seine Nei 
gung auf eine andere Familie übertraget, könnte, 
und er nahm sich daher vor, seinen Neffen bei 
der nächsten schicklichen Gelegenheit in Ver 
suchung zu führen, und ihm Anlaß zu einer 
Erklärung zu geben. 
Eugen Werner hingegen, der vergötterte 
Lieutenant, war klug wie ein Mensch und spe 
kulativ wie ein Kaufmann von Fach. Nachdem 
er sich in diese Familie eingeführt, halte auch 
sein Scharfblick sogleich erkannt, mit welchen 
Charakteren er es hier zu thun habe, und wel 
chen Vortheil er daraus ziehen könne. Er war 
mit sich selbst bis auf die Wahl der Person 
einig, und diese war allerdings für ihn etwas 
schwierig, denn zu der Einen der Töchter zog 
ihn mehr die Sinnlichkeit, zu der andern der 
sanftere Charakter, welcher leichter zu hinter 
gehen war, hin. Seine Vermögensverhältnisse 
waren durch Spiel, Schwelgerei und Luxus 
gänzlich ruinirk, und seine Schulden waren be 
reits zu einer beträchtlichen Höhe angeschwol 
len. Gleichwohl wünschte er, noch fortzuleben, 
so daß er eigentlich nichts weiter suchte, als 
Geld, und dieses sollte ihm eine reiche Heirath 
bringen. 
Den Abend dieses Tages verbrachte die 
Familie sehr einsilbig, Jeder mit sich selbst be 
schäftigt, und als endlich der Rentier sein 
Schlafzimmer aussuchte, folgten die beiden Töch 
ter alsbald seinem Beispiele. Als sich die bei 
den Schwestern trennten, welche bisher in so 
angenehmer Zärtlichkeit mit einander gelebt und 
sich nun heut so schroff gegenüber zu stehen 
glaubten, indem Eine der Andern mißtraute, 
umarmte Susanne in einer Aufwallung von 
unendlicher Wehmuth ihre Schwester, deren 
Augen sich unwillkürlich mit Thränen füllten. 
Beide liebte», Beide fürchteten und Beide waren 
gleich unglücklich. — 
Man begreift, daß in dieser Nacht der 
Traumgott ein bald beunruhigendes, bald be 
glückendes Bild. vor den geistigen Augen der 
Schwestern aufrollte, in welchem der Lieutenant 
der Hauptgegenstand.."war. So war es auch 
bei dem Lieutenant,^-welcher aus seiner Jugend 
zeit die Vermuthüng mitbrachte, daß aus deit 
etwas feisten Gespielinnen seiner Kindheit zwei 
derbe, hausbackene.Jungfrauen von sehr zwei 
felhafter Schönheit erblüht sein möchten, nun 
plötzlich zu seiner Ueberraschung zwei angenehm 
gestaltete, wohlerzogene und reizende Mädchen 
fand, zu welchen selbst ein Offizier höheren 
Ranges aufzublicken wagen durfte. — Beim 
Erwachen der' vier Personen unserer Erzählung 
war denn auch der erste Gedanke eines Jeden 
auf den Andern gerichtet, und mit Ungeduld 
erwarteten die Schwestern und Herr Berg die 
Ankunft des Herrn Werner. Dieser erschien auch 
endlich, eben so liebenswürdig als gestern, und 
eben so ruhig und ungezwungen im Aeußern 
ließ er sich bereden, den Mittagstisch mit der 
Familie ju theilen und die Speise» durch seine 
gute Laune zu würzen. Nichts verrieth bei 
Eugen Werner, was in seinem Innern vor 
ging, und auch die Schwestern verstanden sich 
so gut zu beherrschen, daß sie die größte Gleich 
gültigkeit heuchelten, während ihr Inneres ei» 
sehr aufgeregtes Bild ahnen ließ. 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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