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Volume Nr. 6. April

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

Ein Ordonnanz trat eben ins Zimmer, über 
reichte ein Schreiben, das Karl entgegennahm. 
Der Ueberbringer entfernte sich, und Karl 
händigte es sogleich seinem Herrn mit den 
Worten : „Entschuldigen Sie, Herr Eeheim- 
rath, es steht citisseme darauf," rin. 
Großmann fuhr wie aus einem Traume 
in die Höhe, öffnete rasch das Schreiben und 
las. Während des Lesens wechselte er mehrere 
Male die Farbe, dann warf er das Schreiben 
von sich, und sprach Zähne knirschend: 
— Das ist der Fluch der Subalternen, die 
in ihrem Eifer immer zu weit gehen, und jede» 
höher« Dienst durch Gemeinheit entweihen. 
Du, Karl, bist an Allem Schuld. 
— Was, ich? rief dieser erschrocken. Was 
ist vorgefallen, Herr Geheimrath, wenn ich 
fragen darf? 
Der Referenbarius antwortete nicht, son 
dern zeigte schweigend mit dem Finger auf 
das Schreiben, das Karl vom Boden auf 
nahm, und laut vor sich las: 
„Ihre allbekannte Ungeschicklichkeit, die Sie 
von jeher bei allen Ihren Amtsverrichtungcn 
an den Tag gelegt, hat heute den höchsten 
Grad erreicht. Durch Ihre Bornirthcit sind 
mehrere unbescholtene und achtbare Bürger zur 
Haft gebracht worden, was Sie aus eigener 
Macht, ohne höhere Befehle auszuführen ge 
wagt, und jedes Rechtsgefühl empören muß; 
auch sind mehrere derselben, durch die Dumm 
heit Ihrer Domestiken und Leute in ihrer 
Wohnung auf eine Weise behelligt worden, 
daß ein solches schändliches Verfahren für Sie 
leicht die schwerste Strafe zur Folge gehabt 
hätte, wenn die hiesige wachsame und umsichtige 
Polizei nicht sogleich von Ihren Schritten 
Kenntniß genommen, und Vieles wieder gut 
gemacht hätte. Durch Ihr heutiges unbeson 
nenes und unverzeihliches Verfahren, haben 
Sie alle und jede Ansprüche auf eine Anstel 
lung ein- für allemal verscherzt. Wir befehle» 
Ihnen Ihre Arrestanten sofort zu entlassen, und 
durch eine Ehrenerklärung ihren gerechten Un 
willen, so viel wie möglich zu besänftigen zu ver 
suchen. Geben Sie sich alle ordentliche Mühe, 
demüthigen Sie sich durch Bitten, und wehe 
Ihnen, wen» einer der Betheiligten klagbar 
werden sollte." 
— Sie sehen, Herr Referenbarius,. nahm 
die Wittwe das Wort, cs giebt eine Nemesis. 
Sit machen an den Staat Ansprüche, verlan 
gen den Lohn für dem Vaterland geleistete 
Dienste, und der Staat weist Ihre Ansprüche 
ein für allemal zurück. Sie haben achtbare 
Bürger compromittirt, und sollen ihnen Genug 
thuung geben. Was Ihnen bei Männern ge 
lingen kann, wird Ihnen bei Damen schwer 
werden; zumal nicht Ihre Domestiken, sondern 
Sie selbst von Ihrer Macht den ärgsten Miß 
brauch gemacht. 
— Und was venneint der Staat unter 
Domestiken? fragte Karl einpfindlich. Doch 
etwa nicht mich? Soll ich etwa die schlechte 
Suppe ausessen, die mein Herr eingebrockt? 
Auch heißt es da im Schreiben: „durch Ihre 
Bornirtheit," und da kann von mir die Rede 
nicht sein. Herr Großreferendarius, ich werde 
den Nachweis führen, daß ich nicht bornirt 
bin, und daß ich vielmehr mit außerordentli 
cher Vorsicht und Umsicht die Untersuchungen 
geleitet, die Sie bewundern sollten. Denn be 
vor der Staat Ihnen noch befohlen hatte, die 
Arrestanten zu entlassen, ist das meiner Seils 
schon geschehen. Die Gefangenen sind bereits 
auf meinen Befehl nach Hause gegangen. 
— Wie, Karl! rief Großmann erstaunt. 
Du hättest es im Ernst gewagt? — 
— Ueberzeugen Sie sich selbst, Herr Re- 
fcrendarius. 
Karl öffnete die Thüren sämmtlicher Zim 
mer, in welchen die Gefangenen eingeschlossen 
waren; sie waren sämmtlich fort, bis auf Herrn 
Fürst, der mit einer brennenden Cigarre in dem 
Munde und mit einer freundlichen Miene zum 
Erstaune» der Anwesenden in's Zimmer trat. 
— Sie entschuldigen, Herr Referendarius, 
sagte dieser spöttisch. Ich habe es mir in mei 
ner Gefangenschaft ein wenig bequem gemacht; 
ich bin ein leidenschaftlicher Tabaksraucher. 
(Fortsetzung folgt.) 
An meine Geliebte. 
Ich bringe Dir aus weiter Ferne 
Dir, meines Glückes gold'nem Sterne, 
Den Gruß und Kuß mit Freuden dar; 
Dem Glücklichsten der Erdensöhnc 
Erwiesen Glück und alles Schöne 
Mir selbst der frohen Engel Schaar. 
Mich werden selbst zu Hymens Ehren 
Die Braut und Bräutigam es lehren: 
Daß nicht der Erde reinstes Gold 
Und ihre Güter mehr beglücken. 
Die Herzen schöner kaum entzücken, 
Als nur der Minne schönster Sold! 
I. G. Falz.
	        
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