Ein Ordonnanz trat eben ins Zimmer, über
reichte ein Schreiben, das Karl entgegennahm.
Der Ueberbringer entfernte sich, und Karl
händigte es sogleich seinem Herrn mit den
Worten : „Entschuldigen Sie, Herr Eeheim-
rath, es steht citisseme darauf," rin.
Großmann fuhr wie aus einem Traume
in die Höhe, öffnete rasch das Schreiben und
las. Während des Lesens wechselte er mehrere
Male die Farbe, dann warf er das Schreiben
von sich, und sprach Zähne knirschend:
— Das ist der Fluch der Subalternen, die
in ihrem Eifer immer zu weit gehen, und jede»
höher« Dienst durch Gemeinheit entweihen.
Du, Karl, bist an Allem Schuld.
— Was, ich? rief dieser erschrocken. Was
ist vorgefallen, Herr Geheimrath, wenn ich
fragen darf?
Der Referenbarius antwortete nicht, son
dern zeigte schweigend mit dem Finger auf
das Schreiben, das Karl vom Boden auf
nahm, und laut vor sich las:
„Ihre allbekannte Ungeschicklichkeit, die Sie
von jeher bei allen Ihren Amtsverrichtungcn
an den Tag gelegt, hat heute den höchsten
Grad erreicht. Durch Ihre Bornirthcit sind
mehrere unbescholtene und achtbare Bürger zur
Haft gebracht worden, was Sie aus eigener
Macht, ohne höhere Befehle auszuführen ge
wagt, und jedes Rechtsgefühl empören muß;
auch sind mehrere derselben, durch die Dumm
heit Ihrer Domestiken und Leute in ihrer
Wohnung auf eine Weise behelligt worden,
daß ein solches schändliches Verfahren für Sie
leicht die schwerste Strafe zur Folge gehabt
hätte, wenn die hiesige wachsame und umsichtige
Polizei nicht sogleich von Ihren Schritten
Kenntniß genommen, und Vieles wieder gut
gemacht hätte. Durch Ihr heutiges unbeson
nenes und unverzeihliches Verfahren, haben
Sie alle und jede Ansprüche auf eine Anstel
lung ein- für allemal verscherzt. Wir befehle»
Ihnen Ihre Arrestanten sofort zu entlassen, und
durch eine Ehrenerklärung ihren gerechten Un
willen, so viel wie möglich zu besänftigen zu ver
suchen. Geben Sie sich alle ordentliche Mühe,
demüthigen Sie sich durch Bitten, und wehe
Ihnen, wen» einer der Betheiligten klagbar
werden sollte."
— Sie sehen, Herr Referenbarius,. nahm
die Wittwe das Wort, cs giebt eine Nemesis.
Sit machen an den Staat Ansprüche, verlan
gen den Lohn für dem Vaterland geleistete
Dienste, und der Staat weist Ihre Ansprüche
ein für allemal zurück. Sie haben achtbare
Bürger compromittirt, und sollen ihnen Genug
thuung geben. Was Ihnen bei Männern ge
lingen kann, wird Ihnen bei Damen schwer
werden; zumal nicht Ihre Domestiken, sondern
Sie selbst von Ihrer Macht den ärgsten Miß
brauch gemacht.
— Und was venneint der Staat unter
Domestiken? fragte Karl einpfindlich. Doch
etwa nicht mich? Soll ich etwa die schlechte
Suppe ausessen, die mein Herr eingebrockt?
Auch heißt es da im Schreiben: „durch Ihre
Bornirtheit," und da kann von mir die Rede
nicht sein. Herr Großreferendarius, ich werde
den Nachweis führen, daß ich nicht bornirt
bin, und daß ich vielmehr mit außerordentli
cher Vorsicht und Umsicht die Untersuchungen
geleitet, die Sie bewundern sollten. Denn be
vor der Staat Ihnen noch befohlen hatte, die
Arrestanten zu entlassen, ist das meiner Seils
schon geschehen. Die Gefangenen sind bereits
auf meinen Befehl nach Hause gegangen.
— Wie, Karl! rief Großmann erstaunt.
Du hättest es im Ernst gewagt? —
— Ueberzeugen Sie sich selbst, Herr Re-
fcrendarius.
Karl öffnete die Thüren sämmtlicher Zim
mer, in welchen die Gefangenen eingeschlossen
waren; sie waren sämmtlich fort, bis auf Herrn
Fürst, der mit einer brennenden Cigarre in dem
Munde und mit einer freundlichen Miene zum
Erstaune» der Anwesenden in's Zimmer trat.
— Sie entschuldigen, Herr Referendarius,
sagte dieser spöttisch. Ich habe es mir in mei
ner Gefangenschaft ein wenig bequem gemacht;
ich bin ein leidenschaftlicher Tabaksraucher.
(Fortsetzung folgt.)
An meine Geliebte.
Ich bringe Dir aus weiter Ferne
Dir, meines Glückes gold'nem Sterne,
Den Gruß und Kuß mit Freuden dar;
Dem Glücklichsten der Erdensöhnc
Erwiesen Glück und alles Schöne
Mir selbst der frohen Engel Schaar.
Mich werden selbst zu Hymens Ehren
Die Braut und Bräutigam es lehren:
Daß nicht der Erde reinstes Gold
Und ihre Güter mehr beglücken.
Die Herzen schöner kaum entzücken,
Als nur der Minne schönster Sold!
I. G. Falz.