Berliner Omnibus.
Zeitschrift
tür Unterhaltung, Politik rmd gesellschaftliches Leben.
Redacteur: Adolph Wolff.
Nummer
6.
Wöchentlich erscheinen 2 Nummern Tert und als Gratis - Beilage
l Bogen des Romans v. E. Tue: „Sieben Todsünden," und außer
dem für Berlin noch der „Wochenbericht." Monatspreis für Berlin
I-'-Sgr.; für Auswärtige »2Sgr. vierteljährlich. AlleKönigl. Post
anstalten und Buchhandlungen nehmen Bestellungen darauf an.
April
1848.
Der Orden des Verdienstes,
oder:
Berliner Geheimnisse.
(Fortsetzung.)
— Nicht? fragte die Dame mit gereizter
Stimme, und doch habe» Sie cs gewagt, mich
vor meinem bedeutende» Dienstpersonal zu com-
promittiren! Sie haben mich geschimpft, in's
Gerede gebracht, und das, mein Herr, fordert
Satisfaction.
— Was ein Staatsdiener in feinem Amte
thut, entgegnete Großmann achselzuckend, da
für kann er nicht zur Verantwortung gezogen
werden.
— Sie sind ohne Umstände in mein Zim
mer gedrungen, fuhr die Dame fort, haben
mir befohlen, Ihnen zu folgen, und nachdem
Sie die Thüre hinter sich verschlossen, haben
Sie meine sämmtlichen Papiere durchsucht.
Dreißig Minuten lang hat mich Ihre Tyrannei
auf die Folter gespannt, die sich mir zu Jah
ren ausdehnten. Alsdann traten Sie mit der
ganz naiven Erklärung zu mir: Ich sollte bestens
entschuldigen, es wäre ein Mißverstänbniß.
— Und mit dieser Erklärung müssen Sie
sich auch zufriedenstellen, entgegnete der Refe-
rendarius mit einem höhnischen Lächeln.
, — Mit »lichten, »nein Herr, fuhr die Dame
fort. Ich bin Marchande des Modes, bl»
rigire ein bedeutendes, achtbares weibliches
Personal, das sich unter meinen Schutz gestellt.
Modehändlerin sind mehr als jede andere Klasse
der Verläumdung Preis, gegeben. Sie wäre»»
eine halbe Stunde init mir allein in einem
Zimmer eingeschlossen, und müssen meinen Ruf
wieder herstellen.
— Höchst lächerlich, entgegnete Großmann
»nit einem schallenden Gelächter.
— Nicht so lächerlich, Herr Lieutenant, als
Sie vielleicht in diesem Augenblick glauben, die
Sache hat vielleicht viel Tragisches, wenn ich
sie näher beleuchte. Ich »nöchte Ihnen aber
nicht rathen, es so weit kommen zu lasser».
Nehmen Sie vielmehr das Verhältniß, wie es
uns vorliegt: Sie sind Wittwer und ich bin
Wittwe, das stimmt.
— Stimmt das, Madaine? fragte Groß
mann unter Lachen.
— Befehlen Sie, Herr Geheimrath, nahm
Karl das Wort, daß ich diese gute Dame wie
der umstimme? Haben wir doch ohne dies, die
Hände voll zu thun!
— Gemach, Karl, gemach! sagte die Dame
bitter lächelnd. Du bist noch gerade alt genug,
um zu wissen, wie man mit Damen umgeht;
zu dem sind wir ja alte Bekannte. Ich kenne
Dich und Deinen galanten Herrn sehr genau,
und bin eben dabei, ihm eine Historie zu er
zählen, darob ihm die Haare zu Berge stehen
werden.
— Sie kennt uns? sagte Karl für sich,
während Großmann die ernste Wendung des
Tones und der Sprache die Wangen bleichten.
Das Weib dutzt mich, und will uns eine
schauderhafte Geschichte erzählen. Gut! viel
leicht paßt es auch in unsere Berliner Ge
heimnisse.
— Ich bin kein sonderlicher Freund von
Historie»», bemerkte Gpoßman»», nachdein er sich
»*