»9
auch ein großer Theil der Schuld auf, den
Schulter» seiner Helfershelfer laste, und war
froh, feinen Zorn gegen diese ausschütten zu
dürfen. Er ließ daher die verkleidete Gensd'ar-
men und Soldaten zu sich rufen und herrschte
sie an:
— Unglückliche! Was habt Ihr gethan?
Seid Ihr werth, baß Euch der Staat seine
wichtigsten Geheimnisse anvertraue? Schämt
Ihr Euch nicht die Ehrenkleider zu tragen,
die Euch zu Männern erheben sollten? Wo
sitzt Euer Ehrgefühl, und womit wollt Ihr
Euren Frevel beschönigen? Ihr sehet, daß ich
mit wichtigen Staatsgeschäfte» überhäuft und
alle Hände voll zu thun habe; ich kann nicht
allgegenwärtig sein. Aber Ihr schlaftrunkenen
Wächter der Staatssicherheit, Ihr esset Euer
Brot im Müßiggang und Nichtsthun! Wäh
rend Ihr draußen Conversationsstunden gehal
ten, sind sämmtliche Arrestanten auf und da
vongelaufen. Wächter der Staatssicherheit, an
Euch ist es nun, den begangenen Fehler wieder
gut zu machen. Wir müssen die Arrestanten
wieder einsangen, es koste was cs will, selbst
Euer Leben; diese Kleinigkeit seid Ihr Eurer
Ehre und dem Staate schuldig. Besonders viel
liegt uns an den Hauptrebelsführer, an den
Fürsten, auf den unser Herr eine Specialmalice
zu haben scheint. Den müßt Ihr heute noch
einfangen. Bei meiner Ungnade! ich mache
Euch verantwortlich dafür! Kinder, um Got
teswillen strengt Euch an, schafft mir diesen
herbei; die Anderen finden wir morgen.
Die erschrockenen Miethlinge freuten sich,
baß ihrem Diensteifer eine Gelegenheit gegeben
wurde, das Geschehene wieder gut zu machen,
und einer der Muthigsten wagte die Frage:
„Herr Sergeant! wo wohnt dieses Subjekt?"
— Herr meines Lebens! rief Sergeant
Karl höchst aufgebracht. Hat man je gehört,
daß ein Polizeibeflissener so etwas fragen durfte?
Wenn wir wüßten, wo die schlechten Subjekte
alle zu Hause sind, da brauchten wir gar keine
Gensd'armen. Eine gute Polizei muß Alles
wissen, den Dieb schon kennen, ehe er noch ge
stohlen hat. Drum eilt, Kinder, schafft mir
den Fürsten herbei, lebendig oder todt. Nein,
nicht todt, nur lebendig. Ich setze eine Prämie
von zehn Friederiche darauf! Jetzt fort.
Sergeant Karl drängte die Miethlinge
fort, war durch diese Maaßregeln etwas ruhi
ger geworden und fteute sich seiner Schlauheit,
daß er nur zehn Friedrichs, gesagt, in der
Ueberzeugung, von seinem Herrn die Prämie
mit zehn Friedrichsd'or dafür zu erhalten.
Unter Friedriche hat er Thaler verstanden, und
wollte so die d'ors für sich profitiren. Er
öffnete das Fenster, um den Männern nach
zusehen; sie waren fort. Eine Droschke hielt
vor der Thür. Sein Herr stieg aus und reichte
einer Dame die Hand. Es dauerte nicht lange,
und Beide traten zur Thür hinei». Der Re-
ferendarius wünschte mit der Dame allein zu
sein, diese aber bestand darauf, daß der Be
diente bleiben solle.
Die Dame mochte ungefähr in demselben
Alter wie der Referendarius sein. Ihr volles,
klares Gesicht verrieth Spuren ehemaliger
Schönheit, so wie ihre ganze Erscheinung eine
Wohlhabenheit aus der mittleren Klasse be
kundete. Don einem der Mitglieder aus denn
sogenannten adeligen Casino irre geleitet, hatte
der Referendarius in seinem allzu großen Dienst
eifer geglaubt, bei dieser vcrwittwetcn Papst
Haussuchung zu veranlassen, die er denn auch
selbst leitete. Die Dame war Inhaberin einer be
deutenden Modehandlung, die in dem besten Rufe
stand. Sie fühlte sich durch diese willkürlichen
Eingriffe in ihr Privatverhältniß compromittirt
und gekränkt. Alles Aufsehe» zu vermeiden,
ließ sie die Nachsuchung ohne Geräusch und
Widerstreben geschehen. Nach Beendigung der
selben bestand sie auf eine Erklärung, die ihr
der Commissarius verweigerte. Bei seiner Ent
fernung folgte sie ihm auf den Fuß, bestieg
dieselbe Droschke, verweigerte unterwegs jede
Erklärung ihres Vorhabens, und bestand auf
eine Unterredung in seinem Hause. Großmann
ließ sich diese seltsame Einladung gefallen und
brachte auf diese Weise einen ungebetenen Gast
mit sich. Er lud sie höflich zum Sitzen ein,
und sprach;
— Sie befinden sich in meiner Behausung,
Madame, wenn Sie mir sonst etwas von Wich
tigkeit mitzutheilen haben, so bitte ich, sich kurz
zu fassen; meine Zeit drängt.
— Kennen Sie mich? fragte die Dame
und sah dabei abwechselnd, bald den Herrn
und bald den Bedienten an.
— Ich habe nicht die Ehre, entgegnen
der Gefragte, ohne die Dame näher zu be
trachten.
(Fortsetzung folgt.)