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Volume Nr. 5. April

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

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auch ein großer Theil der Schuld auf, den 
Schulter» seiner Helfershelfer laste, und war 
froh, feinen Zorn gegen diese ausschütten zu 
dürfen. Er ließ daher die verkleidete Gensd'ar- 
men und Soldaten zu sich rufen und herrschte 
sie an: 
— Unglückliche! Was habt Ihr gethan? 
Seid Ihr werth, baß Euch der Staat seine 
wichtigsten Geheimnisse anvertraue? Schämt 
Ihr Euch nicht die Ehrenkleider zu tragen, 
die Euch zu Männern erheben sollten? Wo 
sitzt Euer Ehrgefühl, und womit wollt Ihr 
Euren Frevel beschönigen? Ihr sehet, daß ich 
mit wichtigen Staatsgeschäfte» überhäuft und 
alle Hände voll zu thun habe; ich kann nicht 
allgegenwärtig sein. Aber Ihr schlaftrunkenen 
Wächter der Staatssicherheit, Ihr esset Euer 
Brot im Müßiggang und Nichtsthun! Wäh 
rend Ihr draußen Conversationsstunden gehal 
ten, sind sämmtliche Arrestanten auf und da 
vongelaufen. Wächter der Staatssicherheit, an 
Euch ist es nun, den begangenen Fehler wieder 
gut zu machen. Wir müssen die Arrestanten 
wieder einsangen, es koste was cs will, selbst 
Euer Leben; diese Kleinigkeit seid Ihr Eurer 
Ehre und dem Staate schuldig. Besonders viel 
liegt uns an den Hauptrebelsführer, an den 
Fürsten, auf den unser Herr eine Specialmalice 
zu haben scheint. Den müßt Ihr heute noch 
einfangen. Bei meiner Ungnade! ich mache 
Euch verantwortlich dafür! Kinder, um Got 
teswillen strengt Euch an, schafft mir diesen 
herbei; die Anderen finden wir morgen. 
Die erschrockenen Miethlinge freuten sich, 
baß ihrem Diensteifer eine Gelegenheit gegeben 
wurde, das Geschehene wieder gut zu machen, 
und einer der Muthigsten wagte die Frage: 
„Herr Sergeant! wo wohnt dieses Subjekt?" 
— Herr meines Lebens! rief Sergeant 
Karl höchst aufgebracht. Hat man je gehört, 
daß ein Polizeibeflissener so etwas fragen durfte? 
Wenn wir wüßten, wo die schlechten Subjekte 
alle zu Hause sind, da brauchten wir gar keine 
Gensd'armen. Eine gute Polizei muß Alles 
wissen, den Dieb schon kennen, ehe er noch ge 
stohlen hat. Drum eilt, Kinder, schafft mir 
den Fürsten herbei, lebendig oder todt. Nein, 
nicht todt, nur lebendig. Ich setze eine Prämie 
von zehn Friederiche darauf! Jetzt fort. 
Sergeant Karl drängte die Miethlinge 
fort, war durch diese Maaßregeln etwas ruhi 
ger geworden und fteute sich seiner Schlauheit, 
daß er nur zehn Friedrichs, gesagt, in der 
Ueberzeugung, von seinem Herrn die Prämie 
mit zehn Friedrichsd'or dafür zu erhalten. 
Unter Friedriche hat er Thaler verstanden, und 
wollte so die d'ors für sich profitiren. Er 
öffnete das Fenster, um den Männern nach 
zusehen; sie waren fort. Eine Droschke hielt 
vor der Thür. Sein Herr stieg aus und reichte 
einer Dame die Hand. Es dauerte nicht lange, 
und Beide traten zur Thür hinei». Der Re- 
ferendarius wünschte mit der Dame allein zu 
sein, diese aber bestand darauf, daß der Be 
diente bleiben solle. 
Die Dame mochte ungefähr in demselben 
Alter wie der Referendarius sein. Ihr volles, 
klares Gesicht verrieth Spuren ehemaliger 
Schönheit, so wie ihre ganze Erscheinung eine 
Wohlhabenheit aus der mittleren Klasse be 
kundete. Don einem der Mitglieder aus denn 
sogenannten adeligen Casino irre geleitet, hatte 
der Referendarius in seinem allzu großen Dienst 
eifer geglaubt, bei dieser vcrwittwetcn Papst 
Haussuchung zu veranlassen, die er denn auch 
selbst leitete. Die Dame war Inhaberin einer be 
deutenden Modehandlung, die in dem besten Rufe 
stand. Sie fühlte sich durch diese willkürlichen 
Eingriffe in ihr Privatverhältniß compromittirt 
und gekränkt. Alles Aufsehe» zu vermeiden, 
ließ sie die Nachsuchung ohne Geräusch und 
Widerstreben geschehen. Nach Beendigung der 
selben bestand sie auf eine Erklärung, die ihr 
der Commissarius verweigerte. Bei seiner Ent 
fernung folgte sie ihm auf den Fuß, bestieg 
dieselbe Droschke, verweigerte unterwegs jede 
Erklärung ihres Vorhabens, und bestand auf 
eine Unterredung in seinem Hause. Großmann 
ließ sich diese seltsame Einladung gefallen und 
brachte auf diese Weise einen ungebetenen Gast 
mit sich. Er lud sie höflich zum Sitzen ein, 
und sprach; 
— Sie befinden sich in meiner Behausung, 
Madame, wenn Sie mir sonst etwas von Wich 
tigkeit mitzutheilen haben, so bitte ich, sich kurz 
zu fassen; meine Zeit drängt. 
— Kennen Sie mich? fragte die Dame 
und sah dabei abwechselnd, bald den Herrn 
und bald den Bedienten an. 
— Ich habe nicht die Ehre, entgegnen 
der Gefragte, ohne die Dame näher zu be 
trachten. 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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