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Volume Nr. 4. April

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

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— Und wenn der Verdacht auf Dich fal 
len sollte? 
— So hat der Schlüssel zufällig in der 
Thüre gesteckt, antwortete Julie lächelnd. 
Es klopfte mehrercmal; erst leise, und dann 
etwas stärker. Julie fuhr erschrocken zusammen, 
drängte Fürst in seine Haft zurück und bat 
ihn, sich so lange ruhig zu verhalten, bis der 
Besuch sich entfernt haben werde. 
Es war die verwittwete Krebs, die ganz 
erschöpft in's Zimmer trat. 
— Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein, meine 
Dreistigkeit. Gönnen Sie einer rechlschaffcnc» 
Frau ein ruhiges Plätzchen zum Sterben. 
— Sie erschrecken mich, liebe Frau, was 
ist Ihne»? Sprechen Sie frei, wenn cs in 
meiner Macht steht, Ihnen zu helfen, so sollen 
Sie mich jeder Zeit bereit finden. 
— O, Sie Engel an Güte und Milde! 
Ich will von Ihrer Güte Gebrauch machen. 
Was mir fehlt? Alles; ich werde sterben. Und 
wie werde ich sterben? Miserabel. Denken 
Sie sich, gnädiges Fräulein, ich sitze da drüben 
in meinem Geschäft, im Krebs vormals Fisch, 
das sich des beste» Rufes erfreut, denke in 
meiner Unschuld an meinen Karl, den ich seit 
zehn Jahren heute zum erstenmal wieder ge 
sprochen, und weiß sonst von nichts Bösem, 
da kommen mit Eins Soldaten und Gensd'ar- 
men, und arrelircn mir meine besten Kunde». 
Gut, denke ich, die haben was eingebrockt und 
müssen's nun ausessen, was geht's Dich an? 
Allein es sollte auch milch angehen. Denken 
Sie sich, gnädiges Fräulein, sie haben mir 
meinen Schreibsekretair versiegelt. 
— Und das ohne alle Ursache? 
— Rein vor umsonst, mein gnädiges 
Fräulein. So wahr ich Krebs, vormals Fisch 
heiße, rein vor umsonst. Ich will sterben, 
wenn ich was Anderes weiß. 
— Ja, aber liebes Madamchen, was kann 
ich dabei thun? 
— Das sollen Sie sogleich hören, liebes, 
gnädiges Fräulein. Unter den Sergeanten war 
einer, den ich trotz seiner Verkleidung und Ver 
stellung, sogleich erkannte, und wie ich ihn 
genau auf's Korn nehme, war er's wirklich. 
— Wer? 
heiße, cs war Ihr und mein Karlos. Ich 
wollte ihn ailreden, allein die Andern verwehr 
ten es mir. Wenn Sie mirs nun erlauben, 
so will ich ihn hier spreche». Ich habe ihn 
eben »ach Hause gehen sehen. 
— Ich sollte mich eigentlich in Dienst 
sachen nicht mischen, allein ich will für Sie 
und Ihre Liebe schon ein klebriges thun, will 
Ihren Karlos rufen lassen, nur bitte ich Sie, 
mich in keinerlei Gefahr zu bringen. 
— Ich weiß von nichts, und Sie wissen 
auch von nichts, gnädiges Fräulein, und Gott, 
der Alles weiß, wird Ihnen diese Liebe ver 
gelten. 
Julie ließ ihren Bedienten »ach diesem 
Zimmer bescheiden. Dieser kam sogleich, und 
war nicht wenig verlegen die Krebs vorzu 
finden; er schwieg. 
— Bist Du cs wirklich, Barbar? Ist 
Dein Herz so entartet und verstcint, daß Du 
an Deiner Caroline so grausam handeln konntest? 
— Dienstpflicht kennt keine Schonung, ent- 
gcgncte Karl. 
— Warum bin ich versiegelt worden? 
— Das ist mein Berliner Geheimniß. 
— Höre Karl, ich bitte Dich, sage mir 
nur noch daö Eine: Hast Du noch daS Pet- 
schier, womit Du meinen Sckretair versiegelt 
hast, noch bei Dir? 
— Ich weiß nicht. 
— Ich beschwöre Dich bei unserer Liebe, 
sage „ja!" 
— Und wenn ich „ja" sagte? 
— So beschwöre ich Dich bei unserer Zu 
kunft, das Pult geschwind wieder zu öffne». 
— Geht nicht, geht nicht; Dienstpflicht 
kennt keine Schonung. 
— Sich mich hier zu Deinen Füßen; ich 
habe noch nie vor einem Manne gekniet; im 
Gegentheil — aber es schadet nichts, ich lhu's 
und beschwöre Dich, das Pult zu öffnen. Ich 
will bloß ein Papier herausnehme», und dann 
kannst Du es wieder zusiegeln, wen» es so 
sei» muß. 
— Diese Gefälligkeit will ich Dir nicht 
geradezu abschlagen, wenn ich erst weiß, was 
das fragliche Schreiben enthält? 
— Gut, mein Karlos, vor Dir habe ich 
keine Geheimnisse. 
(Fortsetzung folgt.) 
Mein Karlos, Ihr Bedienter. 
Micht-mMchl 
So wahr ich Krebs, vormals Fisch
	        
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