Herren sind zu entlassen, doch soll zuvor ihr
Stand, Charakter und Wohnung sorgfältig no-
tirt werden. Ich mache Sie verantwortlich für
die pünktliche Vollziehung meiner Befehle.
Sergeant Karl! Ihnen übergebe ich den Gast
wirth zu einem strengen Verhör. Prolokolliren
Sie sorgfältig seine Aussagen, und bringen
mir dieselben zur Durchsicht. Was Sie betrifft,
Herr Fürst, so geben Sic mir Ihr Ehrenwort,
sich auf Verlange» zu jeder Zeit stellen zu
wollen, und ich erkläre Sic hiermit frei.
— Das leiden wir nicht! riefen mehrere
Stimmen. Keine Ausnahmen! — Herr Fürst
Muß Alles verantworten. — Mit gefangen,
mit gehangen.
— Beruhigen Sie sich, meine Herren! enk-
gegiiete Fürst gelassen. Ich werde von meiner
Freiheit keinen Gebrauch machen, werde Sie
vielmehr überallhin begleiten und nach Gebühr
vertheidige», und versichere Sie auch auf das
Wort eines Ehrenmannes, daß Sie heute noch
Alle frei sein werden. Ich habe mächtige
Csnst^iöneD -
— Das ist brav, Herr Fürst! — Seine
Durchlaucht, unser Fürst soll leben! — Rede
halten! — Die Einweihungsrede! Bitte Durch
laucht! riefen mehrere Stimmen.
Ni'-Herr Fürst versprach ihnen noch Gelegen
heit zu diesem Scherz und »och andern Späßen
zu verschaffen, bat die Gesellschaft sich gedul
dige und ohne Widerstreben dem Willen der
Behörde zu fügen, und das Ganze als glück
liches Abenteuer zu betrachten, das ihnen noch
lange nachher Stoff zur Unterhaltung und zum
Lachen geben werde.
Die letztere Bemerkung hätte der Geheime
Polizei-Rath Großmann unter andern Umstände»
gewiß übel aufgenommen; er mußte sich aber
Zwang anthun, seine Gegenbemerkungen vorläufig
zu unterdrücken. Die Mitglieder der Gesellschaft
wurdeit einzeln befohlenermaßcn sorgfältig »o-
tirt, und dann entlassen. Der Referendarius
nahm die Herren Kaiser, König, Prinz, Herzog,
Fürst, Graf und Baron, in Begleitung seiner
verkleideten Gensd'armen und Soldaten mit
sich Nach Hause, die ihm gutwillig unter
Scherz und Lachen folgten, und Sergeant
Karl blieb mit dem Gastwirch allein zurück.
Der Eastwirth Lämmel war ein guter
Fünfziger, untersetzt und häßlich. Seinen kah
len Scheitel hatte er stets mit einem schwarzen
Käppchen bedeckt, wie sein Mund in steter Be
wegung war. Er mengte sich in Alles, schwatzte
über Alles und Jedes mit, affcktirte eine Gut-
müthigkeit, die ihn zur Theilnahme und Aus
hülfe mit guten Rathschlägen ungebeten auf
fordere, und wenn er von seiner, Gästen dicser-
halb zurechtgewiesen wurde, wußte er sich de-
müthiglich auf's Beste zu entschuldigen. Der
' Mann, der sonst jeder Zeit so unerschrocken
über politische und andere Vergehen aburtheilte,
lznd zum Ergötzen seiner Gäste den Radikalen
spielte, stand jetzt vor seinem vermeintliche»
Richter gebeugte» Hauptes, krummen Katzen
buckel, gefalteten Händen, und spitzte beständig
sei» Mündchen zu Fragen und Bitten, die er,
aus Furcht, sich zu versprechen, bald wieder
unterdrückte.
Sergeant Karl fühlte sich in seinem neuen
Amt ein ganzer Mann. Er hatte in seinem
Leben schon vielen Verhören beigewohnt, und
sich die Amtsmienen der Richter sorgfältig ge
merkt. Er ließ sich von einem Kellner einen
Tisch nebst Stuhl in ein Zimmer setzen,
Schreibzeug herbeiholen, und falzte das Pa
pier, wie er das zum Oeftern gesehen. Als
dann, ließ er den Bedienten abtreten, befahl
Niemanden einzulassen, ging einige Mal das
Zimmer auf und , ab, setzte sich, nahm eine
Feder zur Hand und sprach: ,
— Trete Er vor die Schranken!
Bei der erste» Anrede schon war der Gast
wirth wie vernichtet, verlor sein Bischen Ver
stand, wußte nicht, wo ihm sein Kopf und
Zunge stand, und auch nicht zu gehorchen.
— Ist Er etwa taub? Hat Ec nicht ge
hört, daß Er näher treten soll?
— Gnädige Polizei, bat der Gastwirth
nähertretend mit gefalteten Hände». Ich will
Alles haarklein bekennen, und bitte um Gnade.
- Das soll Er auch, sagte der Sergeant
zufrieden gestellt, und deswegen sitze ich ja hier.
Jetzt beantworte Er mir meine Fragen: Wie
heißt Er, was betreibt Er, hat Er einen Charak
ter, wie alt ist Er, hat Er Religion, ist Er ver-
heirathet, hat Er Frau und Kinder, und wo
befinden sie sich? i>m
— Ich danke, Herr Polizei, eS geht ja
so la la; immer sachte weg.
— Donner und Wetter! herrschte ihn der
Sergeant an. Glaubt der Kerl, ich sitze hier
zum Scherz, bloß um mit ihm zu discursiren,
oder will er mich zum Besten haben?
Wie sollte ich, verehrteste Polizei?
— Er soll mir meineFragen beantworten,
und nicht ausweichend antworten. ■/* -