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Volume März

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

Herren sind zu entlassen, doch soll zuvor ihr 
Stand, Charakter und Wohnung sorgfältig no- 
tirt werden. Ich mache Sie verantwortlich für 
die pünktliche Vollziehung meiner Befehle. 
Sergeant Karl! Ihnen übergebe ich den Gast 
wirth zu einem strengen Verhör. Prolokolliren 
Sie sorgfältig seine Aussagen, und bringen 
mir dieselben zur Durchsicht. Was Sie betrifft, 
Herr Fürst, so geben Sic mir Ihr Ehrenwort, 
sich auf Verlange» zu jeder Zeit stellen zu 
wollen, und ich erkläre Sic hiermit frei. 
— Das leiden wir nicht! riefen mehrere 
Stimmen. Keine Ausnahmen! — Herr Fürst 
Muß Alles verantworten. — Mit gefangen, 
mit gehangen. 
— Beruhigen Sie sich, meine Herren! enk- 
gegiiete Fürst gelassen. Ich werde von meiner 
Freiheit keinen Gebrauch machen, werde Sie 
vielmehr überallhin begleiten und nach Gebühr 
vertheidige», und versichere Sie auch auf das 
Wort eines Ehrenmannes, daß Sie heute noch 
Alle frei sein werden. Ich habe mächtige 
Csnst^iöneD - 
— Das ist brav, Herr Fürst! — Seine 
Durchlaucht, unser Fürst soll leben! — Rede 
halten! — Die Einweihungsrede! Bitte Durch 
laucht! riefen mehrere Stimmen. 
Ni'-Herr Fürst versprach ihnen noch Gelegen 
heit zu diesem Scherz und »och andern Späßen 
zu verschaffen, bat die Gesellschaft sich gedul 
dige und ohne Widerstreben dem Willen der 
Behörde zu fügen, und das Ganze als glück 
liches Abenteuer zu betrachten, das ihnen noch 
lange nachher Stoff zur Unterhaltung und zum 
Lachen geben werde. 
Die letztere Bemerkung hätte der Geheime 
Polizei-Rath Großmann unter andern Umstände» 
gewiß übel aufgenommen; er mußte sich aber 
Zwang anthun, seine Gegenbemerkungen vorläufig 
zu unterdrücken. Die Mitglieder der Gesellschaft 
wurdeit einzeln befohlenermaßcn sorgfältig »o- 
tirt, und dann entlassen. Der Referendarius 
nahm die Herren Kaiser, König, Prinz, Herzog, 
Fürst, Graf und Baron, in Begleitung seiner 
verkleideten Gensd'armen und Soldaten mit 
sich Nach Hause, die ihm gutwillig unter 
Scherz und Lachen folgten, und Sergeant 
Karl blieb mit dem Gastwirch allein zurück. 
Der Eastwirth Lämmel war ein guter 
Fünfziger, untersetzt und häßlich. Seinen kah 
len Scheitel hatte er stets mit einem schwarzen 
Käppchen bedeckt, wie sein Mund in steter Be 
wegung war. Er mengte sich in Alles, schwatzte 
über Alles und Jedes mit, affcktirte eine Gut- 
müthigkeit, die ihn zur Theilnahme und Aus 
hülfe mit guten Rathschlägen ungebeten auf 
fordere, und wenn er von seiner, Gästen dicser- 
halb zurechtgewiesen wurde, wußte er sich de- 
müthiglich auf's Beste zu entschuldigen. Der 
' Mann, der sonst jeder Zeit so unerschrocken 
über politische und andere Vergehen aburtheilte, 
lznd zum Ergötzen seiner Gäste den Radikalen 
spielte, stand jetzt vor seinem vermeintliche» 
Richter gebeugte» Hauptes, krummen Katzen 
buckel, gefalteten Händen, und spitzte beständig 
sei» Mündchen zu Fragen und Bitten, die er, 
aus Furcht, sich zu versprechen, bald wieder 
unterdrückte. 
Sergeant Karl fühlte sich in seinem neuen 
Amt ein ganzer Mann. Er hatte in seinem 
Leben schon vielen Verhören beigewohnt, und 
sich die Amtsmienen der Richter sorgfältig ge 
merkt. Er ließ sich von einem Kellner einen 
Tisch nebst Stuhl in ein Zimmer setzen, 
Schreibzeug herbeiholen, und falzte das Pa 
pier, wie er das zum Oeftern gesehen. Als 
dann, ließ er den Bedienten abtreten, befahl 
Niemanden einzulassen, ging einige Mal das 
Zimmer auf und , ab, setzte sich, nahm eine 
Feder zur Hand und sprach: , 
— Trete Er vor die Schranken! 
Bei der erste» Anrede schon war der Gast 
wirth wie vernichtet, verlor sein Bischen Ver 
stand, wußte nicht, wo ihm sein Kopf und 
Zunge stand, und auch nicht zu gehorchen. 
— Ist Er etwa taub? Hat Ec nicht ge 
hört, daß Er näher treten soll? 
— Gnädige Polizei, bat der Gastwirth 
nähertretend mit gefalteten Hände». Ich will 
Alles haarklein bekennen, und bitte um Gnade. 
- Das soll Er auch, sagte der Sergeant 
zufrieden gestellt, und deswegen sitze ich ja hier. 
Jetzt beantworte Er mir meine Fragen: Wie 
heißt Er, was betreibt Er, hat Er einen Charak 
ter, wie alt ist Er, hat Er Religion, ist Er ver- 
heirathet, hat Er Frau und Kinder, und wo 
befinden sie sich? i>m 
— Ich danke, Herr Polizei, eS geht ja 
so la la; immer sachte weg. 
— Donner und Wetter! herrschte ihn der 
Sergeant an. Glaubt der Kerl, ich sitze hier 
zum Scherz, bloß um mit ihm zu discursiren, 
oder will er mich zum Besten haben? 
Wie sollte ich, verehrteste Polizei? 
— Er soll mir meineFragen beantworten, 
und nicht ausweichend antworten. ■/* -
	        
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