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Berichte ans Berlin.
— Patriotischer können wir unser censurfreics
Feuilleton nicht eröffnen, als mit einem Jubelrufe
für die gewonnene Freiheit der Presse und mit einem
Dankgebete für den großen Sieg, den das Volk in
diesen ewig denkwürdigen Lagen errungen. Den un-
verwelklichsten Lorbeerzweig aber bringen wir damit
unsern gefallenen Brüdern, indem wir die einzelnen
Scenen wahrhaft heroischen Muthes, welche uns zu
Ohren komme», in die Oeffcntlichkeit bringen. Zuerst
ehren wir die Achtung vor dem Eigenthum,
welche sich allenthalben in den schrecklichen Tagen des
<8. u. 19. d. Mts. kund gegeben hat. Einzelne Ver
gehungen gegen das Eigenthum, die allerdings aus
Hunger und Verzweiflung vorgekommen, sind von der
Bvlksjustiz sofort gerichtet und hart geahndet worden.
Nur zwei Züge davon. In der Linienstraße wagte,es
ein armer Arbeiter, einige Effekten zu entwenden; er
wurde dabei ertappt und, nachdem die Thatsache vor
einem großen Bolkshausen festgestellt war, sofort er
schossen. Diese Strafe war ohne Zweifel sehr hart,
und übertrieben, aber sie bildet ein unverwerfliches
Zeugniß von dem edlen Geist, der Alle beseelte uNd
von der hohen Achtung, in welcher das Eigenthum
stand. Darum ist der Sieg ein so hoher, Ehrfurcht
gebietender, weil er durch die reinsten Mittel herbei
geführt wurde. Paris hat seine Freiheit in drei Tagen
erfochten, und groß war das Lob über diese Tapfer
keit und Mäßigung; Berlin steht aber höher da, und
ruhmvoller ist sein Kampf, denn in zwölfStunden
hat es einen glänzenden Sieg erfochten und sich In
stitutionen errungen, welche die Freiheit und die Einig
keit Deutschlands sichern werden. — Der zweite Akt
der Bolksjustjz geschah gleichfalls gegen einen Arbei
ter, der eine Kafseetrommel entwenden wollte.
Er wurde derb dafür gezüchtigt und darnach mit
Schimpf und Schande beladen fortgejagt.
— Leider, haben wir auch.einen Zug der niedrig
sten Rachsucht von unsern Brüdern, den Soldaten zu
berichten. Die gefangenen Bürger vom Sonnabend
(iS. März), sind auf höhere Anordnung nach Span
dau transportirt und bei dieser Gelegenheit schrecklich
mißhandelt worden. Wir haben selbst einige der am
Montag wieder zurückgekehrten Bürger gesprochen
und aus ihrem Munde leider die Bestätigung dieser
Mißhandlung gehört und an ihrem Körper die gräu
lichsten Spuren derselben gesehen. Diese Mißhand-.
lungen auf dem, Transport nach Spandau hat sich
gegen die Personen, welche wir sprachen, namentlich
eine Abtheilung des 12. Regiments <§roffen) zu
Schulden kommen lassen/ In Spandau sind dagegen
die Gefangenen sehr liebreich aufgenommen und mild«
behandelt worden,, und wir stehen nicht an, djese
Wahrheit zur Ehre des dortigen Eommandanten hier
mit gleichfalls aüszusprechen. Auf speciellen Befehl
Sr. Majestät de« Königs sind die Gefangenen am
Sonntag und Montag sofort wieder entlassen.wor
den. Verzeihen wir daher unsern verblendeten Mit
brüdern, den Soldaten, um des gtoßen Sieges wil
len, den wir errungen haben! Solche vereinzelte Aus
lassungen roher Gewalt an wehrlos Gefangenen ver
schwinden vordem Ruhm und dem hohen Patriotis
mus, den das Volk unauslöschlich in d>e Tafeln der
Weltgeschichte grub.— Wir wären Augenzeuge, daß
mehrere gefangene Soldaten lediglich' der Waffen be
raubt, und dann unter sicherer Bürgerbedcckung nach
ihren verschiedenen Wohnungen gebracht worden sind
ohne daß ihnen ein Haar gekrümmt worden wäre,
Bor solchen Zügen wahrhaft heroischen EdelmutheS
verschwinden denn solche einzelne Züge soldatischen
Uebermuthcs.— Bürger! Brüder! Mäßigung und Be-
sonnenheic sei unser höchster Rühmt
— Wie uns mitgetheilt wird, haben einzelne Com
mandeure von Militair-Abthcilnngcn an den beiden
Tagen des FreiheitskampfeS sich sehr edel und scho
nend benommen., So wird uns von einem Haupt
mann der Füsilire erzählt, daß er und seine Soldaten
durchaus zum,Schießen auf die Bürger nicht zu de-'
wegen wären.;
— Die gemeinnützige Baugcsellschafb hat
sich bereits ehrenvoll ausgezeichnet, und durch Unter-,
nehmung von Bauten als ein lebenskräftiges Institut
bewährt. Durch die letzten hochwichtigen Ereignisse
sind alle Gewerbe gehemmt, alle Fabriken geschlossen
worden, und es ist daher um so danken«- und aycr-
kennungswerlher, wenn achtbare Bürger bemüht sind,
die Arbeiten wieder zu ovgänisiren, und den Unter
halt Bcodloser zu sichern: Die gemeinnützige Bau-
gesellschaft hat von dem neuen Gesammtministerium
sofort einige Bauten übertrage»! erhalten, und hat
demnach eine. Aufforderung. an die unbeschäftigten
Bauarbeiter erlassen. — ES ist zu wünschen, daß alle
Bewohner Berlins sich zu ähnlichen Zwecken vereini
gen, indem sie reiche Bestellungen an.alle Handwerker
aufgeben, und solcheZug um Zug bezahlen. Nur
durch sofortige Bezahlung der gelieferten Arbei
ten kann der Noth abgeholfen werden. ,
— Zum Andenken unserer gefallenen Brüder und!
des großen erfochtenen Sieges schlagen wir, vor.: aus
nächsten Sonntag eine große Trauer- und Daiikfeicr
in sämmtlichen Kirchen zu veranlassen', und diese'er
hebende Feierlichkeit alljährlich an den Tagen des
Sieges zu wiederholen. Das Vaterland wird sich der
Hinterbliebenen Wittwen und Waisen fürsorglich an
nehmen und unser Jahresfest mitfeiern; wir haben,
darüber schon verschiedene Beweise erhalten. — Be
vor wir aber dieses Dankfest begehen, gehe zuvor
Jeder hin zu seinem feindlich gesinnten Bruder und
versöhne sich mit ihm; denn unsere Freud« muß rein
sein, jeder Privathaß muß schwinden, und ein Band
der Liebe und Treue, der Einigkeit und Wahr
haftigkeit muß die deutschen Brüder umschlingen.
Nur so kann Deutschland thatkräftig und kampf
gerüstet »ach außen, und geachtet vor aller Welt da
stehen. - V: "'"XY’t' {.aÄ.
Verlag von C. S. Braune in Berlin, Haupt-Srpeditivn: R°ßstr.8.--7 DrnckvonBrandesürSchulze, R«ßstr<öi