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Volume März

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

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gehe» also niemals in fcie comddie sranqaia, weil 
Sie mich nicht kenne»? m 
— Niemals, denn ich komme aus der Normandie. 
— Also ein Poet, murmelte Fräulein Gaussin? 
— Fräulein, fuhr der Provinzbewohner fort, 
indem er seinen Arm auf die Lehne einer reichver- 
goldcten Armstuhles legte, wenn ich miide bin, so 
habe ich die gute GcwoKndeit, mich zu setzen, und 
ich nehme also einen Stuhl, den Sie mir nicht an 
bieten. . 
— Nein, es ist ein Gläubiger, sagte Fräulein 
Jouvenot ihrer Freundin leise in'S Ohr, denn er 
setzt sich. 
•h/jr-r Was meinen Besuch betrifft, fuhr Herr 
Floran fort, indem er sich herabließ, einen Rollstuhl 
zurecht zu schieben und sich da hineinfallen^ zu lassen 
— ich habe zwei Söhne, deren Vater ich bin — 
— Der Glaube macht selsq, antwortete Fräu 
lein Gaussin mit Machender Miene. 
— Der eine ist Kaufmann in Rouen, wie sein 
Vater, der Andere ist nach Paris gekommen, um 
die Rechte zu studiren und endlich Advokat zu werden. 
— Es ist ein sebr schöner Stand, mein Herr, 
besonders für einen Normanen. 
— Aber dieser schöne Stand wird durch Ihre 
Schuld, mein Fräulein,, vernichtet werden. Sie 
habe» meinem Sohn de» Kopf verdreht, mein Sohn 
ist.in Sie vernarrt. 
— Wahrhaftig! Ihr Sohn? — Ist er hübsch? 
— Das weiß ich nicht — genug, er betet Sie 
an, Fräulein, er ißt, trinkt und schläft nicht mehr.! 
Und so bin ich denn über Hals und Kopf hierher 
gekommen, um Ihnen zu verbieten, die Leidenschaft 
meines Sohnes ferner zu nähren. Ja, Fräulein, 
der Vater dieses Narren verbietet Ihnen, meinen 
Sohn in Ihrem Hause zu empfangen! 
— Sehen Sie doch ! rief Fräulein Gaussin, in 
dem sie. hell auslachte. 
. — Verzeihen Sie, mein Fräulein, .wenn ich 
etwas lebhaft in meinem Schmerze gegen Sic ge 
wesen bin. Aber ich bin Vater und liebe meinen 
unglücklichen Sohn, und ich muß gestehen, daß ich 
nicht daran zweifle, wie mein unglücklicher Sohn 
Sie lieben muß, denn, an seiner Stelle, würde ich 
cö vielleicht eben so machen. - 
— Vortrefflich, wein Herr! — Fahren Sie fort. 
— Ueberlege» Sie gütigst. Fräulein, ei» junger 
Mann, der ans Liebe zu Ihnen, seineiStudie» ver 
nachlässigt. • ■ • : 
— Hat er Anlagen zuin Advokaten? 
. — Ja, mein Fräulein, denn wir Alle in meiner 
Familie sind mit der Anlage zu.Chikanen geboren. 
-- Nun wohl, mein Herr, in meinem ganzen 
Leben, kann ich Ihnen versichern, werde .ich mein 
Ohr dem Geschwätz eines Advokaten nicht leihen. 
— Wie heißt denn Ihr Sohn? ; i r 
— Ludowic Floran. ■ : ; 
— Ludowic? — Er nennt sich Ludowic? rief 
Fräulein Gaussin verwundert. Da, mein Herr, 
lese» Sie dieses Billet hier, welches nach. Bisam 
riecht, enthält es die Handschrift Ihres Sohnes?-, 
— Ja, das sind seine Züge. 
— Darnach muß er hübsch sein.-— Stellen 
Sie sich vor, daß Ihr Narr von Svbn oder Lohn 
von Narr, gleichviel, mir i» diesem Liebesbnese an 
kündigt, daß er sich unter meinem Fenster erschießen 
werde. D »m ■ 
— Sich todten? Atcin Gott! 
— Beruhigen Sie sich — das haben schon 
Viele geschrieben. - - , .m-, 
— Und wenn er Wort hielte! Ach, 'Fräulein, 
cS ist ein Vater, der Sie beschwört, seinen Sohn 
von einem schreckliche» Tode zu erretten! 
— Sehr gern — und um Ihnen sogleich nach 
zugeben, werde ich Ihrem Sohne das erbetene 
Stelldichein gewähren, um welches er mich bittet. 
— WaS? — Sie wolle» also nicht, daß er 
dem Verderben entrinnt? 
— Aufrichtig gesagt, mein Herr, die Heilung 
wird schwer holten. 
— Ach, Sie glauben dieselbe schon unmöglich 
gemacht zu haben. im» 
— Nein, das will ich nicht sagen, aber cS ist 
durchaus nöthig, daß Sie mir den jungen Kranke» 
ganz anvertrauen. . L , moniuF 
— Und Sie werden ihn mir vernünftig und 
geheilt zurückgeben? m.;j 
■ — Ich hoffe es. . - tii sftn» 
— Wohlan, Fräulein, leben Sie wohl. Sie 
haben mich mit den Schauspielerinnen wieder aus 
gesöhnt. Wahrhaftig, Sie sind liebenswürdig, mein 
Fräulein,, denn Ihr Anblick hat mich ui» 20 Jahre 
verjüngt, und ich sehe ein, mau hat klug reden, 
ohne Sie zu sehen — denn i» ganz Ronen giebt 
cS keine Frau, die Ihnen gliche. 
— Und ich erwarte Sie heut Abend, mein Herr. 
' ' ' 3. ? 
Als Herr Floran das Zimmer verlassen hatte, 
kam Justine, das Kammermädchen laut lachend zu 
ihrer Herrin und der Fräulein Jouvenbt,' um die- 
große Neuigkeit anzumelden, daß der junge in Rede 
stehende Liebhaber so eben im Lustwaldchc» umher 
streife, ohne Zweifel um eine liebenswürdige Ant 
wort entgegen zu nehme», oder in der Hoffnung 
einer süßen Unterredung. 
Bei . dieser Nachricht nahm die unerschrockene 
Schauspielerin ein Blatt Königspapicr und schrieb 
darauf, nicht ohne zu zittern: . L : j 
„Man muß. die Wahnsinnigen sich nicht, todten 
lassen, man muß ihnen Gelegenheit zum Leben 
und zur Vernlinst geben — kommen Sie!" 
— Justine, überbringe diesen Brief schnell dem 
melancholischen Lustwäidchenschwärmer, und sage ihm, 
daß er komme» kann und daß ich ihn erwarte. 
— In dieses Boudoir, mein Fräulein? > 
— Ja, hierher. Vorerst führe ihn jedoch in 
den Salon, bis ich klingeln werde» n-.ip's ,--rchs
	        
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