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gehe» also niemals in fcie comddie sranqaia, weil
Sie mich nicht kenne»? m
— Niemals, denn ich komme aus der Normandie.
— Also ein Poet, murmelte Fräulein Gaussin?
— Fräulein, fuhr der Provinzbewohner fort,
indem er seinen Arm auf die Lehne einer reichver-
goldcten Armstuhles legte, wenn ich miide bin, so
habe ich die gute GcwoKndeit, mich zu setzen, und
ich nehme also einen Stuhl, den Sie mir nicht an
bieten. .
— Nein, es ist ein Gläubiger, sagte Fräulein
Jouvenot ihrer Freundin leise in'S Ohr, denn er
setzt sich.
•h/jr-r Was meinen Besuch betrifft, fuhr Herr
Floran fort, indem er sich herabließ, einen Rollstuhl
zurecht zu schieben und sich da hineinfallen^ zu lassen
— ich habe zwei Söhne, deren Vater ich bin —
— Der Glaube macht selsq, antwortete Fräu
lein Gaussin mit Machender Miene.
— Der eine ist Kaufmann in Rouen, wie sein
Vater, der Andere ist nach Paris gekommen, um
die Rechte zu studiren und endlich Advokat zu werden.
— Es ist ein sebr schöner Stand, mein Herr,
besonders für einen Normanen.
— Aber dieser schöne Stand wird durch Ihre
Schuld, mein Fräulein,, vernichtet werden. Sie
habe» meinem Sohn de» Kopf verdreht, mein Sohn
ist.in Sie vernarrt.
— Wahrhaftig! Ihr Sohn? — Ist er hübsch?
— Das weiß ich nicht — genug, er betet Sie
an, Fräulein, er ißt, trinkt und schläft nicht mehr.!
Und so bin ich denn über Hals und Kopf hierher
gekommen, um Ihnen zu verbieten, die Leidenschaft
meines Sohnes ferner zu nähren. Ja, Fräulein,
der Vater dieses Narren verbietet Ihnen, meinen
Sohn in Ihrem Hause zu empfangen!
— Sehen Sie doch ! rief Fräulein Gaussin, in
dem sie. hell auslachte.
. — Verzeihen Sie, mein Fräulein, .wenn ich
etwas lebhaft in meinem Schmerze gegen Sic ge
wesen bin. Aber ich bin Vater und liebe meinen
unglücklichen Sohn, und ich muß gestehen, daß ich
nicht daran zweifle, wie mein unglücklicher Sohn
Sie lieben muß, denn, an seiner Stelle, würde ich
cö vielleicht eben so machen. -
— Vortrefflich, wein Herr! — Fahren Sie fort.
— Ueberlege» Sie gütigst. Fräulein, ei» junger
Mann, der ans Liebe zu Ihnen, seineiStudie» ver
nachlässigt. • ■ • :
— Hat er Anlagen zuin Advokaten?
. — Ja, mein Fräulein, denn wir Alle in meiner
Familie sind mit der Anlage zu.Chikanen geboren.
-- Nun wohl, mein Herr, in meinem ganzen
Leben, kann ich Ihnen versichern, werde .ich mein
Ohr dem Geschwätz eines Advokaten nicht leihen.
— Wie heißt denn Ihr Sohn? ; i r
— Ludowic Floran. ■ : ;
— Ludowic? — Er nennt sich Ludowic? rief
Fräulein Gaussin verwundert. Da, mein Herr,
lese» Sie dieses Billet hier, welches nach. Bisam
riecht, enthält es die Handschrift Ihres Sohnes?-,
— Ja, das sind seine Züge.
— Darnach muß er hübsch sein.-— Stellen
Sie sich vor, daß Ihr Narr von Svbn oder Lohn
von Narr, gleichviel, mir i» diesem Liebesbnese an
kündigt, daß er sich unter meinem Fenster erschießen
werde. D »m ■
— Sich todten? Atcin Gott!
— Beruhigen Sie sich — das haben schon
Viele geschrieben. - - , .m-,
— Und wenn er Wort hielte! Ach, 'Fräulein,
cS ist ein Vater, der Sie beschwört, seinen Sohn
von einem schreckliche» Tode zu erretten!
— Sehr gern — und um Ihnen sogleich nach
zugeben, werde ich Ihrem Sohne das erbetene
Stelldichein gewähren, um welches er mich bittet.
— WaS? — Sie wolle» also nicht, daß er
dem Verderben entrinnt?
— Aufrichtig gesagt, mein Herr, die Heilung
wird schwer holten.
— Ach, Sie glauben dieselbe schon unmöglich
gemacht zu haben. im»
— Nein, das will ich nicht sagen, aber cS ist
durchaus nöthig, daß Sie mir den jungen Kranke»
ganz anvertrauen. . L , moniuF
— Und Sie werden ihn mir vernünftig und
geheilt zurückgeben? m.;j
■ — Ich hoffe es. . - tii sftn»
— Wohlan, Fräulein, leben Sie wohl. Sie
haben mich mit den Schauspielerinnen wieder aus
gesöhnt. Wahrhaftig, Sie sind liebenswürdig, mein
Fräulein,, denn Ihr Anblick hat mich ui» 20 Jahre
verjüngt, und ich sehe ein, mau hat klug reden,
ohne Sie zu sehen — denn i» ganz Ronen giebt
cS keine Frau, die Ihnen gliche.
— Und ich erwarte Sie heut Abend, mein Herr.
' ' ' 3. ?
Als Herr Floran das Zimmer verlassen hatte,
kam Justine, das Kammermädchen laut lachend zu
ihrer Herrin und der Fräulein Jouvenbt,' um die-
große Neuigkeit anzumelden, daß der junge in Rede
stehende Liebhaber so eben im Lustwaldchc» umher
streife, ohne Zweifel um eine liebenswürdige Ant
wort entgegen zu nehme», oder in der Hoffnung
einer süßen Unterredung.
Bei . dieser Nachricht nahm die unerschrockene
Schauspielerin ein Blatt Königspapicr und schrieb
darauf, nicht ohne zu zittern: . L : j
„Man muß. die Wahnsinnigen sich nicht, todten
lassen, man muß ihnen Gelegenheit zum Leben
und zur Vernlinst geben — kommen Sie!"
— Justine, überbringe diesen Brief schnell dem
melancholischen Lustwäidchenschwärmer, und sage ihm,
daß er komme» kann und daß ich ihn erwarte.
— In dieses Boudoir, mein Fräulein? >
— Ja, hierher. Vorerst führe ihn jedoch in
den Salon, bis ich klingeln werde» n-.ip's ,--rchs