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iE Die beiden Schmettern,
oder:
.... -> ... -
Die Töchter des Regiments.
1h ’ (Fortsetzung.)
So weit hatte es also Herr Berg schon bei
den Offiziere» zu bringe» gewußt, daß man
ihn in Rücksicht auf seine Liebenswürdigkeit im
Reichthum und auf seine beiden Töchter, oder
auch auf Grund seiner vernünftigen Gespräche
für geistreich hielt und seinen wahren Stand
emsig verleugnete.
Der Rentier war von dieser Verhätschelung
bald zu dem Entschluß gekommen, seine beiden
Töchter nur an so würdige Leute, wie die
Soldaten sind, zu vcrheirathen. Er wollte
Enkel in Uniform sehen, nichts als Uniformen,
und wäre es möglich gewesen, so hätten auch
seine Töchter Uniformen tragen müssen; am
liebsten hätte er sie zu Töchtern des Re-
gimcnts erhoben.
Der Einzug fremder Truppen in Berlin,
welche auf dem Kreuzberge, deni höchsten Ber
liner Gebirge, vor dem Könige paradiren soll
ten, gab dem Steckenpferde des Herrn Berg
einen neue» Sporeustoß und rüttelte seine
schwache Seite mächtiger denn je wieder auf.
Die morgende Parade zu versäumen hielt er
für eine der sieben Sue'schen Todsünden, und
die „Töchter des Regiments" durften natürlich
eben so wenig dabei fehlen. Die geringste
Widerrede derselben wäre, wenn sic bei de»
verwandten Gesinnungen der Töchter überhaupt
denkbar sein könnte, eine offenbare Majestäts
beleidigung gewesen und hätte ihnen die ganze
Ungnade ihres Hausmonarchen zugezogen. Da
wurde denn auch kein Geld geschont, um das
Erscheinen der Familie mit dem gehörigen
Nimbus von Soldatenfrcudcn zu umgeben,
obwohl Papa Berg sonst sehr haushälterisch
Haus hielt; die neuen kostbaren Kachemirs
waren eigens für diesen Tag des Glanzes mit
schwerem Gelde für seine Töchter angeschafft
worden. Jeder Einwand seiner Töchter wegen
der großen Ausgabe für eine staubige Parade,
bei welcher eigentlich sie paradiren sollten, ent
kräftete der Rentier mit den pathetischen, seit
dem so modern gewordenen Worten: ’ ’
— Meine Mittel erlauben mir das!
Man kann sich aber denken, mit welchen
Empfindungen zwei in ihren Charakteren so
verschiedene Mädchen diesem grillenhaften, al
lerhöchsten Befehle Folge leisteten. Susanne,
die weit zarter, mls ihre Schwester fühlte, und
bei welcher die Etiquette eine Hauptrolle spielte,
war traurig über das unbändige Steckenpferd
des Vaters, weil es in der Regel über die
Stränge des guten Tones schlug, und obwohl
sic dem Militair nicht abgeneigt war, so liebte
sie es doch nicht so stark, um nicht Kummer
zu cnipfinden über den glänzenden Staat und
den neuen Kachemir, welche in dem Gedränge
durch Lausend Kniffe und Falten verunstaltet,
und durch den Staub beschmutzt werden soll
ten; noch weniger aber liebte sie die nahe Be
rührung eines sehr gemischten Zuschauerpubli
kums, wie es sich zu einer Parade einzufinden
pflegt. ; : !,Mu! ist M i«# -
Emilie hingegen war vergnügt, denn.sie
liebte den Waffenglan;, die rauschende Mili-
tairmusik, die bäumenden und stampfenden
Pferde und vor Allem ckie schönen, glänzenden
Offiziere. Daher war ähr die Parade eben so
angenehm, als sie ihrer Schwester zuwider war,
welche sich überdies einbildete, nach einem zwci-
undzwanzigjahrigen Mädchen sähe kein Fähn
rich, geschweige denn ein Offizier oder wer
weiß noch! Ihre Schwester, die jüngere .und
schönere Emilie habe also nur Gelegenheit, in
ihrer Gegenwart über sie Siege und Erobe
rungen zu feiern, und sie betrachtete daher von
Augenblick zu Augenblick die heiteren Züge
Emiliens mit neidischem Blick. Diese schien
den Kammer ihrer Schwester nicht zu bemer
ke»; sie sah die Thräne nicht, welche un
ter^ dem schwesterliche» Schleier im Auge
perlte; nie war sie fröhlicher gewesen, als ge
rade heut, und jede ihrer Bewegungeii, jedes
ihrer. Worte waren lebhaft, und anmuthig.
Sie lachte mit ihrem Vater und wiegte ihren
schönen Körper mit Grazie auf den Hüften,
wenn die Musikchöre irgend eine neue Galop
pade oder eine Polka aufführten.
s
Der folgende Tag war ein Ruhetag für
bas Militair. Susanne hatte ihre traurigen
Empfindungen, Herr Berg seine Träume von
Ruhm und Sieg vergessen, und'auch Emilie
belächelte ihre liebenswürdige Heiterkeit von
gestern. Der Rentier hatte sich aber doch schom
wieder in den guten Rock gesteckt, um gleich
nach dem Frühstück auszugehen und auch den
Dragoner» seine Aufwartung zu machen, nach
dem er gestern die Kürassiere heimgesucht und