Path:
Volume März

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

40 
iE Die beiden Schmettern, 
oder: 
.... -> ... - 
Die Töchter des Regiments. 
1h ’ (Fortsetzung.) 
So weit hatte es also Herr Berg schon bei 
den Offiziere» zu bringe» gewußt, daß man 
ihn in Rücksicht auf seine Liebenswürdigkeit im 
Reichthum und auf seine beiden Töchter, oder 
auch auf Grund seiner vernünftigen Gespräche 
für geistreich hielt und seinen wahren Stand 
emsig verleugnete. 
Der Rentier war von dieser Verhätschelung 
bald zu dem Entschluß gekommen, seine beiden 
Töchter nur an so würdige Leute, wie die 
Soldaten sind, zu vcrheirathen. Er wollte 
Enkel in Uniform sehen, nichts als Uniformen, 
und wäre es möglich gewesen, so hätten auch 
seine Töchter Uniformen tragen müssen; am 
liebsten hätte er sie zu Töchtern des Re- 
gimcnts erhoben. 
Der Einzug fremder Truppen in Berlin, 
welche auf dem Kreuzberge, deni höchsten Ber 
liner Gebirge, vor dem Könige paradiren soll 
ten, gab dem Steckenpferde des Herrn Berg 
einen neue» Sporeustoß und rüttelte seine 
schwache Seite mächtiger denn je wieder auf. 
Die morgende Parade zu versäumen hielt er 
für eine der sieben Sue'schen Todsünden, und 
die „Töchter des Regiments" durften natürlich 
eben so wenig dabei fehlen. Die geringste 
Widerrede derselben wäre, wenn sic bei de» 
verwandten Gesinnungen der Töchter überhaupt 
denkbar sein könnte, eine offenbare Majestäts 
beleidigung gewesen und hätte ihnen die ganze 
Ungnade ihres Hausmonarchen zugezogen. Da 
wurde denn auch kein Geld geschont, um das 
Erscheinen der Familie mit dem gehörigen 
Nimbus von Soldatenfrcudcn zu umgeben, 
obwohl Papa Berg sonst sehr haushälterisch 
Haus hielt; die neuen kostbaren Kachemirs 
waren eigens für diesen Tag des Glanzes mit 
schwerem Gelde für seine Töchter angeschafft 
worden. Jeder Einwand seiner Töchter wegen 
der großen Ausgabe für eine staubige Parade, 
bei welcher eigentlich sie paradiren sollten, ent 
kräftete der Rentier mit den pathetischen, seit 
dem so modern gewordenen Worten: ’ ’ 
— Meine Mittel erlauben mir das! 
Man kann sich aber denken, mit welchen 
Empfindungen zwei in ihren Charakteren so 
verschiedene Mädchen diesem grillenhaften, al 
lerhöchsten Befehle Folge leisteten. Susanne, 
die weit zarter, mls ihre Schwester fühlte, und 
bei welcher die Etiquette eine Hauptrolle spielte, 
war traurig über das unbändige Steckenpferd 
des Vaters, weil es in der Regel über die 
Stränge des guten Tones schlug, und obwohl 
sic dem Militair nicht abgeneigt war, so liebte 
sie es doch nicht so stark, um nicht Kummer 
zu cnipfinden über den glänzenden Staat und 
den neuen Kachemir, welche in dem Gedränge 
durch Lausend Kniffe und Falten verunstaltet, 
und durch den Staub beschmutzt werden soll 
ten; noch weniger aber liebte sie die nahe Be 
rührung eines sehr gemischten Zuschauerpubli 
kums, wie es sich zu einer Parade einzufinden 
pflegt. ; : !,Mu! ist M i«# - 
Emilie hingegen war vergnügt, denn.sie 
liebte den Waffenglan;, die rauschende Mili- 
tairmusik, die bäumenden und stampfenden 
Pferde und vor Allem ckie schönen, glänzenden 
Offiziere. Daher war ähr die Parade eben so 
angenehm, als sie ihrer Schwester zuwider war, 
welche sich überdies einbildete, nach einem zwci- 
undzwanzigjahrigen Mädchen sähe kein Fähn 
rich, geschweige denn ein Offizier oder wer 
weiß noch! Ihre Schwester, die jüngere .und 
schönere Emilie habe also nur Gelegenheit, in 
ihrer Gegenwart über sie Siege und Erobe 
rungen zu feiern, und sie betrachtete daher von 
Augenblick zu Augenblick die heiteren Züge 
Emiliens mit neidischem Blick. Diese schien 
den Kammer ihrer Schwester nicht zu bemer 
ke»; sie sah die Thräne nicht, welche un 
ter^ dem schwesterliche» Schleier im Auge 
perlte; nie war sie fröhlicher gewesen, als ge 
rade heut, und jede ihrer Bewegungeii, jedes 
ihrer. Worte waren lebhaft, und anmuthig. 
Sie lachte mit ihrem Vater und wiegte ihren 
schönen Körper mit Grazie auf den Hüften, 
wenn die Musikchöre irgend eine neue Galop 
pade oder eine Polka aufführten. 
s 
Der folgende Tag war ein Ruhetag für 
bas Militair. Susanne hatte ihre traurigen 
Empfindungen, Herr Berg seine Träume von 
Ruhm und Sieg vergessen, und'auch Emilie 
belächelte ihre liebenswürdige Heiterkeit von 
gestern. Der Rentier hatte sich aber doch schom 
wieder in den guten Rock gesteckt, um gleich 
nach dem Frühstück auszugehen und auch den 
Dragoner» seine Aufwartung zu machen, nach 
dem er gestern die Kürassiere heimgesucht und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.