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Der Kaiser Nikolaus kann und will es
nickt zugeben, daß die anverwandten slavischen
Völker mit in das deutsche Verderben gerissen
werden; deshalb will er lieber Deutschland
zerreißen, oder, wenn ihm dies nicht glücken
sollte, sich in Asien zur Ruhe setzen. 18.
(Beispiele.) Schlechte Beispiele verder
ben gute Sitten! Als am 8. Juni der Prinz
von Preußen vor der Kammer der Volksver
treter ankam, entstand unter dem außen har
renden Volke ein Tumult — der Freude.
Die Vertreter in der Kammer, dies hö
rend, glaubten, es könne ein ähnlicher Akt der
Bolksjuüiz stattfinden, wie in Paris, wurden
alle blaß, und sahen sich schon um nach ■ . .
Hülfe ober . . . Ausgängen ... mir Wissens
nicht genau, nach was.
Zu ihrer Beruhigung hatten sie sich ge
irrt . . . .
Ob sie sich nicht auch Einer vor dem
Andern geschämt haben, daß sie zu der gesun
den Vernunft der Berliner nicht größeres
Vertrauen hatten? Der Zug nach dem Frie
denshain hätte sie doch eines Besseren beleh
ren sollen; denn da hat's die Polizei sogar
für überflüssig gehalten, ihre Unordnungen an
zubringen.
Over sollten Deputirle in der Kammer
sein, die kein gutes Gewissen haben? Das
sollten wir doch nicht meinen. 8.
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(Fragen ) Möchten nicht die Herren Zen
soren ihren ungestraft ausgeübten Geistesdieb
stahl dadurch wieder gut machen, daß sie die
eingestrichenen Diebstähle ans eigene Kosten
herausgeben? Der Titel dieses Werkes
könnte etwa heißen: Universal-Liberal-Supp-
lement-Band. — Wozn steht beim Kurfür
sten auf der Kurfürstenbrücke eine Wache;
habt Ihr denn Augen genug, die Lebenden zu
bewachen? — Können Prinze, wie die fran
zösischen, noch ferner diesen Namen führen,
nachdem der Vater aufgehört hat, König zu
sein, oder sollen sie diesen Namen behalten?
wenn der Vater auch ehrlich geworden ist? —
Ist es wahr, daß jetzt die Masken im Preise
fallen werden, da viele ihre Maske fallen
ließen und der Blick in manches teuflische
Herz durch gewaltsame Enthüllung möglich
wird?
Eine diplomatische Nacht in Rom.
Nach einem schönen Frühlingstage in der
Mitte der dreißiger Jahre unseres inhalts
schweren Jahrhunderts hatte die untergehende
Sonne schnell dem dunkeln Blau Platz ge
macht, wie es nuö in Italien der Fall ist.
Kaum war die Kühle des Abends einge
treten, als auch Rom von einer Menge Lust-
wandler belebt wurde.
Auch ich war ausgeflogen und hatte mich
an den Strand der Tiber verirrt.
Als ich um eine Ecke bog, die zum Was
ser führte, bemerkte ich nicht fern von mir
zwei Männer, in lange Mäntel gehüllt, mit
breitkrempigen Hüten auf dem Kopfe, die leise
aber vernehmbar sprachen.
Ich stutzte, denn ich glaubte, es könnten
Bravos fein, die mir einen Kitzel mit dem
Dolche beizubringen gedachten, und blieb ru
hig stehen, mein Doppelterzerol zur Hand neh
mend. Aber die beiden Männer hatten mich
nicht bemerkt, und fuhren ruhig in ihrem halb
lauten Gespräche fort:
„Ich habe keine Zeit übrig," — sagte
der Eine in dem Gespräche — „und muß
mich eiligst nach dem bewußten Garten bege
ben, um die hier versammelten Prätendenten
zu beobachten. Du weißt es, unserm Gene
ral kommt es sehr darauf an, zu wissen, welche
Maßregeln sie zur Unterdrückung unsres Günst
lings, Lonis Philipp, ergreifen wollen ..."
„So geh' denn! . . . vergiß nicht Dein
Ordenskleid in der Vorhalle abzuwerfen," —
sagte der Andere — „ich gehe, den rothhäri-
gen Cardinal zu belauschen, wohin er die
Donna Laura bringen wirb."
„Im Namen des Gekreuzigten!" — ent-
gegnete der Erstere, und die beiden Sprecher
entfernten sich.
Ich ging unbefangen demjenigen nach,
der einen 'Garten zu seiner Beobachtung ge
wählt hatte. .. Ktn-l !ü;; v
Bald stand er vor einer Pforte still, sah
sich um und verschwand in dem Garten.
Ein über dem Eingänge angebrachtes
Schild zeigte mir, daß ich mich vor einem
öffentlichen Vergnügungsorte befinde.
Ich trat ein, und stand bald vor einer
schönen Villa, aus der in demselben Augeu-
blicke ein wohlgekleideter junger Mann trat,
den ich, der Figur nach, für meinen Vorgän