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Schnellpreffendruck von Ernst Litfaß, Adlerstraße Nr. v.
Berliner Zeitung.
— In der Sitzung des Criminal-Gerichts vom 17.
Juni wurde ein Zettelabreißer zu 8 Wochen Gefäng
nißstrafe verurtheilt. Die privilegirten Zetteladreißer Ber
lins werden von dieser Verurtheilung mit dem Bemerken
in Kenntniß gesetzt, daß damit ununterbrochen fortgefah
ren werden wird, wenn anch der, trotz Brennol, uner-
teuchtet gebliebene „Denunriantcn-Berein" sich zur Mit
wirkung bei ErtappuNg ähnlicher National-Spitzbüben noch
nicht entschlossen hat, sondern lieber Adressen ohne Unter
schrift, reactionairen Inhalts, zu verbreiten sucht, aber
überall beim Unterschriftcnsammeln bespuckt und öauSge-
schmiffen wird. .. 17.
— In letzterer Jett haben sich hier mehrere Personen
das Leben oder den Verstand genommen — wenn sie
letztem überhaupt je besessen? - aus lauter Furcht vor
— Freiheit und Tod. Närrische Menschen das? Neh
men sich das Leben, weil sie sich vor dem Tode fürch
ten! Das ist allerdings completter Unsinn. . ,
— 2n der Nacht der Zeughaus-Erstürmung, am 14.
Juni, fielen, etwa um 2 Uhr, angeblich Kanonenschüsse
vor dm Thoren Berlins, ohne daß fich ermitteln ließ,
von wem oder wo dieselben gefallen waren. Doch —
nichts ist so fein , gesponnen, eS kommt doch an die Sonne
— jetzt hat sich'« heräusgestellt, wer von dem kanoni
schen Rechte jener Nacht einen Signal-Gebrauch ge
macht. Ein von Webern'scher Sch .. zkerl von Literat
theilte Euch hier mit. Die Schauspieler Schneidersche
Landwehr wars. Als der Cravall am Zmghause gefähr,
lich zu werden drohte , gedachten einige dieser Helden an
eine frühere Instruction; vier Mann legten ihre Gewehre
an und schossen auf Kommando zugleich. Daher der dem
Kanonendonner ähnliche Knall. Auf dieses Signal hin
versammelte sich ein Theil der von Webern-Schneider -
Sch .. zkerlS-Landwehrpfiichtigcn auf dem Kreuzbcrge, be
kreuzigten fich und marschirten demnächst nach Spandow,
wo die „Mit Gott für König-Landwehrmänner" herzlich,
empfangen und herrlich gespeist und getränkt wurden.
Aber kein Hülferuf kam von Berlin, um ihre Fertigkeit
im Berlinerfreffen an den Tag zu lege».
Einige dieser Helden, welche am andern Tage direct
auS Spandow in der Landwehr-MoutirungSkammer bekreu
zigt ankamen und ihr Abentmer erzählten, erhielten von ih
ren freisinnigen Kameraden ungemein viel Wichse mit deni
Klopfstock. Man riß ihnen die Kreuze von den Mützen
und warf sie ihnen vor die Füße. » »
— Da der Oberbürgermeister KrauSnick nunmehr
mit. Berlin abgeschlossen und fich mit lumpigen 2000
Thalern Pension in die Einsamkeit Potsdams zurückgezo
gen hat, sollte man den eben so freisinnigen als energi
schen Polizei-Präsidenten von Minutoli auS den Hän
den der Reactton befreien und zum Oberbürgermeister der
Action Berlins machen. * *
— (Ein vernünftiger Beschluß.) Als jüngst die Tel-
tower einen Freischaarenzug gegen Berlin unternahmen,
um die Berliner Republikaner über'» Haufen zu werfen,
kehrten fie, nach einem heißen Tagemarsche, in Tempelhos
ein, zur Stärkung der Glieder und des Magens.
„DaS Weißbier schmeckt doch schön!" — rief einer
der Rottenführer.
„Ja," — antwortete ein Seusenträger — „ist auch
das Beste, was die Berliner zu Wege bringen."
„Der Berliner Kümmel ist auch nicht übel," — be
merkte ein Zugführer.
„Darauf müssen wir für die Zukunft verzichten, als
ächte Patrioten verzichten!" — sagte mit hoher Würde
der Commandeur.
„Ne, bet thu' ick nich!" — bemerkte aufgeregt ein
Pikenier.
„Das müßt Ihr!" — antwortete belehrend der Com
mandeur — „denn wenn wir alle Berliner umbringen,
so kann auch Niemand mehr Weißbier und Kümmel fa-
bnciren"
„Wenn't so iS," — sagte ein Seusenträger — „ so
schlag ick vor, den Krieg zu lassen und lieberst hier Weiß
bier zu drinken."
„Angenommen!" — schrieen Alle.
Und Berlin tyar vom Untergange diesmal gerettet.
8.
— Die Spaudower sagen: „Wir möchten auch.schon
längst freisinnig sein, aber man droht uns alle taubstumm
zu machen, wenn wir sprechen wollten. Die Kanonen
stehen vor unserer Rase, und sollen unS beim erstell'frei
sinnigen Wort mit ihrem Donner taub und mit ihren-
Kugeln stumm machen."
Ihr arme verstummte und verstimmte Spandowcr!
18.
— Der Verein für constitutioneües Königthum sollbe-
schloffen haben, auch einige Betstunden zur Erholung vor
den angreifenden Debatten einführen zu wollen. '
Da« wird schon helfen! 'f:r, ,18.
— Das Königstädtische Theater ist am 14. Juni auch
aller dort vorhanden gewesenen Waffen beraubt worden.
Wie wird man nun „Unsern Verkehr" geben
können? 18.
Von dieser Zeitschrift erscheinen wöchentlich, und zwar Freitags oder Sonnabends, 2 Nummern Tert und al«
Gratis-Bcilage 1 Bogen des Romans von Eugen Sue: „Sieben Todsünden," und außerdem für Berlin
»och der „Kirchenzettel." Monatspreis für Berlin 3j Sgr.; für Auswärtige 12 Sgr. vierteljährlich. Alle Kö
nigliche Postanstalten und Buchhandlungen nehmen Bestellungen darauf an. ,
Bestellungen und Beschwerden, Letztere mit Angabe der Botennummer, sind an die Haupt-Erpedition
des Berliner Omnibus, vor dem Halleschen Thore Nr. 1., bei G. A. Schuhardt, zu richten.