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len, was für eine Sparsamkit angewendet
werden mußte, um von solch schwachem Jahr
gelde zu leben. Nichts von seinen Kamera
den annehmen, was er nicht wiedererstatten
konnte; die Freuden des Theaters, wüche die
von der Arbeit abgespannten Kräfte "wieder
beleben, niemals genießen; eine einfache Le
bensweise, die fast Dürftigkeit zu nennen war:
so war das Leben Arthur's. — Ich hatte diese
Lage durchschaut, ehe ich den Chgractxr dieses
jungen Mannes kannte, und diese Einschrän
kung, so ehrenvoll ertragen, hatte mir eine
hohe Meinung von ihm gegeben. Ich suchte
daher mich ihm zu nähern, und es gelang mir,
einige Spaziergänge ihm abzugewinnen, auf
welchen er mir nach und nach seine ganze Lage
entdeckte. — Von Mitgefühl durchdrungen,
reichte ich ihm eines Tages die Hand, und
sagte:
„Gefällt es Ihnen, lch bin reich, lassen
Sie uns als Brüder theilen."
„Herr von Nanteuil, erwiederte er leb
haft zurücktretend, ich bin betrübt, nicht eher
gewußt zu haben..., Sie nicht früher erkannt
zu haben, dann hätte ich nicht den Kummer,
es Ihnen abschlagen zu müssen."
Vergeblich suchte ich ihn zu beruhigen, er
verließ mich plötzlich und 2 Monate lang ver
mied er mich mit einer Sorgfalt, mit einer
Aengstlichkeit, welche mich abschrecken mußten.
Eines Abends, als ich im Begriff war, in die
Oper zu gehen, trat er verstörten Blicks in
mein Zimmer.
„Herr von Nanteuil", sagte er, „Sie
haben mir Ihre Hülfe angeboten."
Ich wollte gegen diesen Ausdruck prote-
stiren, aber er fuhr hastig fort:
„Jetzt komme ich, sie zu Gunsten einer
Familie anzunehmen, welche wohl verdient, daß
sich ein rechtschaffener Mann für sie interessire l"
Ich drückte ihm, ohne etwas zu erwie
dern, die Hand, und nachdem er sich ein we
nig von seiner Aufregung erholt hatte, theilte
er mir mit, daß in einem kleinen Hause der
Straße, wo er wohnte, die Gerichtsdiener die
sen Morgen alles das nehmen wollten, was
eine arme, alte Frau besaß, deren alleinige
Stütze ihre Nichte war, — ein junges Mäd
chen, das Arthur einen Engel von Schönheit
und Tugend nannte. Er fügte hinzu, daß auf
sein Vorreden die Männer der Gerechtigkeit
eine Frist bis auf morgen bewilligt hätten;
daß sein erster Gedanke gewesen wäre, mir
diesen Schmerz zu vertrauen und mich für diese
Familie zu interessiren; aber daß er den gan
zen Tag mit sich gekämpft habe, Uly sich dazu
zu entschließe; daß endlich beim Anblick Ma
riens, welche er so eben bleich und zerknickt
begegnet, sein starres Herz gebrochen wäre,
und sein Gefühl über seinen Stolz, der der
Hauptzüg seines Charakters sei. gesiegt "hätte.
— Es waren 200 Francs nöthig, und es ver
steht sich von selbst, daß ich sie Arthur darbot
... Aber jetzt war ein neuer Kampf zu be
stehen ... Er konnte sich nicht entschließen, die
Summe selbst zu überbringen. Gehen Sie,
gehen Sie, sagte er, man kennt mich, und
meine Gegenwart würde die beiden unglückli
chen Frauen erröthen lassen. — Edles Herz!
— Ich gab nach .Ich lief nach der kleinen
Straße, und nicht ohne Ueberwindung nahmen
die Schützlinge Arthurs das an, was sie vom
äußersten Unglücke retten konnte.
„Aber, mein Herr, sagte Marie, welche
im Begriffe war, mir es abzuschlagen, wir
kennen Sie nicht!... Wenn nur meine Tante
es wäre ■. . Aber ich bin jung, und Sie
auchl" '
„O, hören Sie aufs rief ich aus, indem
ich davon eilte, ich bin der Freund Arthurs. "
und dieser Name kann Sie beruhigen.—Von
diesem Tage an wurden wir Freunde, und
während der ganzen Studienzeit waren hie
Namen Veyrier und Nanteuil^gleichbedeutend
mit Orestes und Wades — Marie und ihre
Tante, welche meine schwache Hülfe in eine
bessere Läge versetzt hatte, empfinge» unsem
Besuch zuweilen; aber selten genug, damit nicht
döswillige Reden diesen beiden Frauen neuen
Kummer zufügten. Marie, Sie haben es ohne
Zweifel errathen, liebte Arthur, und dieser
liebte Marie. Aber niemals wagte er, es ihr
merke» zu lassen ... Es war mit seiner Ge
wissenhaftigkeit unvereinbar, Marien zu sagen:
Ich liebe Dich.
Seine Rechtschaffenheit verlangte von ihm,
dem Mädchen vor Beendigung seiner Studien
keine bestimmte Hoffnung z» machen; denn die
Ungewißheit über den Ausgang seiner Stu
dien, verbunden mit der, ob sein Vater zu die
sem Bündniß seine Einwilligung geben würde
— was er nicht mit zu großer Gewißheit hof
fen durfte. — Dies Alles ließen ihm eine
solche bestimmte. Erklärung als ein Verrath an
dem künftigen Glücke des geliebten Mädchens
erscheinen. Mit wie vielen Schmerzen hätte