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Volume Nr. 22. Juni

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue2.1848 (Public Domain)

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len, was für eine Sparsamkit angewendet 
werden mußte, um von solch schwachem Jahr 
gelde zu leben. Nichts von seinen Kamera 
den annehmen, was er nicht wiedererstatten 
konnte; die Freuden des Theaters, wüche die 
von der Arbeit abgespannten Kräfte "wieder 
beleben, niemals genießen; eine einfache Le 
bensweise, die fast Dürftigkeit zu nennen war: 
so war das Leben Arthur's. — Ich hatte diese 
Lage durchschaut, ehe ich den Chgractxr dieses 
jungen Mannes kannte, und diese Einschrän 
kung, so ehrenvoll ertragen, hatte mir eine 
hohe Meinung von ihm gegeben. Ich suchte 
daher mich ihm zu nähern, und es gelang mir, 
einige Spaziergänge ihm abzugewinnen, auf 
welchen er mir nach und nach seine ganze Lage 
entdeckte. — Von Mitgefühl durchdrungen, 
reichte ich ihm eines Tages die Hand, und 
sagte: 
„Gefällt es Ihnen, lch bin reich, lassen 
Sie uns als Brüder theilen." 
„Herr von Nanteuil, erwiederte er leb 
haft zurücktretend, ich bin betrübt, nicht eher 
gewußt zu haben..., Sie nicht früher erkannt 
zu haben, dann hätte ich nicht den Kummer, 
es Ihnen abschlagen zu müssen." 
Vergeblich suchte ich ihn zu beruhigen, er 
verließ mich plötzlich und 2 Monate lang ver 
mied er mich mit einer Sorgfalt, mit einer 
Aengstlichkeit, welche mich abschrecken mußten. 
Eines Abends, als ich im Begriff war, in die 
Oper zu gehen, trat er verstörten Blicks in 
mein Zimmer. 
„Herr von Nanteuil", sagte er, „Sie 
haben mir Ihre Hülfe angeboten." 
Ich wollte gegen diesen Ausdruck prote- 
stiren, aber er fuhr hastig fort: 
„Jetzt komme ich, sie zu Gunsten einer 
Familie anzunehmen, welche wohl verdient, daß 
sich ein rechtschaffener Mann für sie interessire l" 
Ich drückte ihm, ohne etwas zu erwie 
dern, die Hand, und nachdem er sich ein we 
nig von seiner Aufregung erholt hatte, theilte 
er mir mit, daß in einem kleinen Hause der 
Straße, wo er wohnte, die Gerichtsdiener die 
sen Morgen alles das nehmen wollten, was 
eine arme, alte Frau besaß, deren alleinige 
Stütze ihre Nichte war, — ein junges Mäd 
chen, das Arthur einen Engel von Schönheit 
und Tugend nannte. Er fügte hinzu, daß auf 
sein Vorreden die Männer der Gerechtigkeit 
eine Frist bis auf morgen bewilligt hätten; 
daß sein erster Gedanke gewesen wäre, mir 
diesen Schmerz zu vertrauen und mich für diese 
Familie zu interessiren; aber daß er den gan 
zen Tag mit sich gekämpft habe, Uly sich dazu 
zu entschließe; daß endlich beim Anblick Ma 
riens, welche er so eben bleich und zerknickt 
begegnet, sein starres Herz gebrochen wäre, 
und sein Gefühl über seinen Stolz, der der 
Hauptzüg seines Charakters sei. gesiegt "hätte. 
— Es waren 200 Francs nöthig, und es ver 
steht sich von selbst, daß ich sie Arthur darbot 
... Aber jetzt war ein neuer Kampf zu be 
stehen ... Er konnte sich nicht entschließen, die 
Summe selbst zu überbringen. Gehen Sie, 
gehen Sie, sagte er, man kennt mich, und 
meine Gegenwart würde die beiden unglückli 
chen Frauen erröthen lassen. — Edles Herz! 
— Ich gab nach .Ich lief nach der kleinen 
Straße, und nicht ohne Ueberwindung nahmen 
die Schützlinge Arthurs das an, was sie vom 
äußersten Unglücke retten konnte. 
„Aber, mein Herr, sagte Marie, welche 
im Begriffe war, mir es abzuschlagen, wir 
kennen Sie nicht!... Wenn nur meine Tante 
es wäre ■. . Aber ich bin jung, und Sie 
auchl" ' 
„O, hören Sie aufs rief ich aus, indem 
ich davon eilte, ich bin der Freund Arthurs. " 
und dieser Name kann Sie beruhigen.—Von 
diesem Tage an wurden wir Freunde, und 
während der ganzen Studienzeit waren hie 
Namen Veyrier und Nanteuil^gleichbedeutend 
mit Orestes und Wades — Marie und ihre 
Tante, welche meine schwache Hülfe in eine 
bessere Läge versetzt hatte, empfinge» unsem 
Besuch zuweilen; aber selten genug, damit nicht 
döswillige Reden diesen beiden Frauen neuen 
Kummer zufügten. Marie, Sie haben es ohne 
Zweifel errathen, liebte Arthur, und dieser 
liebte Marie. Aber niemals wagte er, es ihr 
merke» zu lassen ... Es war mit seiner Ge 
wissenhaftigkeit unvereinbar, Marien zu sagen: 
Ich liebe Dich. 
Seine Rechtschaffenheit verlangte von ihm, 
dem Mädchen vor Beendigung seiner Studien 
keine bestimmte Hoffnung z» machen; denn die 
Ungewißheit über den Ausgang seiner Stu 
dien, verbunden mit der, ob sein Vater zu die 
sem Bündniß seine Einwilligung geben würde 
— was er nicht mit zu großer Gewißheit hof 
fen durfte. — Dies Alles ließen ihm eine 
solche bestimmte. Erklärung als ein Verrath an 
dem künftigen Glücke des geliebten Mädchens 
erscheinen. Mit wie vielen Schmerzen hätte
	        
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